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Nationale Anti-Doping-Agenturen
Wie unabhängig sind die nationalen Doping-Aufseher?

Die Anti-Doping-Agenturen der einzelnen Staaten sollen ihre Sportler überprüfen und den Sport sauber halten. Oft sind sie jedoch selbst Teil von Sportverbänden - oder abhängig von staatlicher Finanzierung. Sportethiker fordern alternative Finanzierungsmodelle.

Von Heinz Peter Kreuzer | 19.01.2019
    Ein Dopingkontrolleur der NADA (Nationale Anti-Doping-Agentur) bestellt einen Spieler zur Dopingprobe.
    Dopingkontrolleur der NADA. Oft sind die Agenturen abhängig von zwei Sponsoren: dem Sport selbst und der Politik. (imago - Sven Simon)
    Politik und Sport sind derzeit weltweit die wichtigsten Finanziers des Anti-Dopingkampfes. In Großbritannien und Frankreich haben die Nationalen Anti-Doping-Agenturen den Status von Regierungsbehörden. Hier hat der Staat die Kontrolle über das Geschehen. Ein solches System birgt aber auch Gefahren, wie das Beispiel Russland beweist. Hier zeigte sich für den Kanadischen Rechtsprofessor Richard McLaren das Bild…
    "…eines verflochtenen Netzwerks aus staatlichem Einfluss des Sportministeriums, der zentralen Stelle zur Förderung russischer Nationalteams und des russischen Geheimdienstes mit den beiden Laboren in Moskau und Sotschi."
    Der Compliance-Experte Marc Tenbücken schätzt das ähnlich ein. Er ist Mitbegründer der Sports Governance Unit, einer Agentur, die Verbände, Vereine und Sponsoren in Ethikfragen berät:
    "Der Fall Russland ist für mich ein Negativbeispiel. Hier haben sie eine sehr unglückliche, aber offenbar gewollte Verquickung zwischen staatlicher Lenkung, zwischen Sport und dem sozusagen Erzielen nationaler Erfolge, die dann auch wiederum der Politik und dem Staat nützen."
    Hängepartie um Geld
    In anderen Ländern verteilt sich mehr auf Politik und Sport. So wird die US-Anti-Dopingagentur von der Regierung und dem Nationalen Olympischen Komitee finanziert. Nach diesem Modell verfahren die als Stiftung geführten Agenturen in der Schweiz und Deutschland - auch hier liegt die Last der Finanzierung bei Staat und Sport. Bei der deutschen NADA trägt der Bund mittlerweile 60 Prozent des Etats von zehn Millionen Euro. Die restliche Finanzierung übernehmen die Länder und der Sport. Immer wieder gibt es eine Hängepartie, wenn es um das Geld für die NADA geht. Das soll sich ändern, der Bund will seinen Anteil an der Finanzierung langfristig sichern. Bis 2016 gab es auch Partner aus der Wirtschaft. Neue zu finden, wird schwer, meint David Cipulla, Sponsoringexperte der Vermarktungsagentur Infront:
    "Marken investieren signifikant in den Sport und sie wollen mit Triumphen und positiven Eindrücken vom Sport in Verbindung gebracht worden. Die Arbeit der Anti-Doping-Agenturen ist zwar ein toller Job, aber der Tenor der Medienberichterstattung ist zum großen Teil negativ. Und das ist ein Problem für Marken, damit in Verbindung gebracht zu werden."
    In Österreich sind Wirtschaftsunternehmen als Finanziers nicht willkommen. Michael Cepic, Geschäftsführer der dortigen NADA, lehnt Sponsoren aus ethischen Gründen ab, denn das nötige Geld könne nur von großen Unternehmen kommen:
    "Diese großen Unternehmen sind zu 90 Prozent oder möglicherweise zu 100 Prozent Sponsoren irgendwelcher Sportarten, Verbände, Einzelsportler, was auch immer. Und da tut sich natürlich der Interessenkonflikt auf: Kann der eine Organisation unterstützen, die seinen Werbeträger kontrolliert."
    In Schweden und Italien sieht man das offenbar anders. Denn die dortigen Anti-Doping-Organisationen sind Teil des Sports. Entweder des nationalen Dachverbandes oder des Nationalen Olympischen Komitees. Compliance-Experte Tenbücken kritisiert:
    "Immer wenn es darum geht, sich selbst zu kontrollieren, öffnet man Möglichkeiten, zu schummeln beziehungsweise nicht genau hinzusehen, Tür und Tor. Auch hier wäre es deutlich zielführender und auch glaubwürdiger, man würde eine externe Stelle damit beauftragen, die eigene Sportorganisation zu kontrollieren."
    Anti-Dopingkampf als gesamtgesellschaftliches Problem
    Was passiert, wenn der Sport sich selbst kontrolliert, war im vergangenen Jahr zu beobachten, bei der Leichtathletik-EM in Berlin. Dort gewann die Schwedin Meraf Bahta Bronze über 10.000 Meter. Obwohl sie drei Mal Doping-Kontrollen verpasst hatte. Ein klarer Regelverstoß. Die schwedische Anti-Doping-Agentur habe das Verfahren verschleppt, kritisierte Lars Mortsiefer. Der Vorstand der NADA Deutschland erklärte, eine Entscheidung über eine mögliche Sperre müsse schon vor dem Event feststehen.
    Marc Tenbücken sieht den Anti-Dopingkampf als gesamtgesellschaftliches Problem. Deshalb müssten aus seiner Sicht nicht nur Politik und Sport auf den Plan treten. Auch Sponsoren, Vermarkter und TV-Sender sollten als Nutznießer des Sports ihren Beitrag leisten:
    "Das würde auch die Unabhängigkeit der Anti-Doping-Agenturen stärken, weil man eben nicht von einem oder zwei Finanzieren abhängig ist und somit natürlich leichter Weisungen entgegen nehmen könnte, als wenn das auf möglichst viele Schultern verteilt ist."