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Nationalgalerie auf Provinzniveau

Milan Knizak, wurde 2001 zum Chef der Prager Nationalgalerie berufen, verweigerte Leihgaben für wichtige Ausstellungen im Ausland und polarisierte immer wieder durch nationalistische Äußerungen. Nun gibt es einen Nachfolger - und die Ernüchterung ist groß.

Von Silja Schultheis | 18.05.2011
    Gespanntes Warten auf den tschechischen Kulturminister Jiri Besser. Auf einer Pressekonferenz soll er bekannt geben, wer ab dem 1. Juni die Prager Nationalgalerie leiten wird - eine Nachricht, der die tschechische Kunstszene seit über einem Jahr entgegenfiebert:

    "Nach mehrstündigen Gesprächen mit allen Bewerbern habe ich mich entschieden, den Wirtschaftsfachmann Vladimir Rösel zum neuen Direktor zu ernennen. Mein Ziel war es, den besten Manager für diesen Posten zu finden - auch mit Blick auf die gegenwärtige Finanzlage. Ein Kunsthistoriker wäre in einer solchen Situation nicht die richtige Wahl gewesen."

    Manager versus Kunsthistoriker - es ist eine Richtungsentscheidung, die der Minister getroffen hat. Eine Entscheidung für das Primat des ausgeglichenen Haushalts vor inhaltlichen und strukturellen Veränderungen, wie sie Rösels Gegenkandidat, der Kunsthistoriker Jiri Fajt, vorgeschlagen hatte. Die tschechische Kunstszene hatte sich von Fajt und dessen langjähriger Auslandserfahrung vor allem ein Ende der Isolierung und eine Öffnung der Galerie nach außen erhofft. Kuratorin Lenka Lindaurova:

    "Die gesamte Künstlerszene in Tschechien wartet auf einen Wandel. Die Nationalgalerie braucht dringend internationale Kontakte, denn die gibt es bislang überhaupt nicht. Ausländische Galerien kommunizieren heute eher mit privaten Galeristen in Tschechien als mit staatlichen Institutionen"

    Ob sich daran unter dem neuen Direktor Rösel etwas ändert, scheint fragwürdig. Bislang hüllt sich Rösel in Schweigen, welcher Kurs ihm für die Nationalgalerie vorschwebt. Fest steht, dass er den Direktorenposten als reinen Manager-Job begreift. Und dass von ihm ein schneller Wandel, wie ihn sich Kuratorin Lindaurova und andere erhoffen, nicht zu erwarten ist. Im Gegenteil - in einem seiner seltenen Auftritte in den Medien betonte Rösel, er wolle nichts überstürzen:

    "Der größte Fehler wäre, jetzt schnell nach irgendwelchen neuen Lösungen zu suchen. Die Dinge müssen sich erst mal setzen. Schließlich arbeite ich hier mit Leuten zusammen, die schnelle Veränderungen nicht gewohnt sind. "

    Schnelle Veränderungen und das grundlegende Infragestellen der bestehenden Strukturen - davor hat sich Minister Besser offenbar am meisten gefürchtet, als er den Chefposten neu besetzte. Rösels Gegenkandidat Jiri Fajt hatte angekündigt, mit einem ganz neuen Team eine neue Ära in der Nationalgalerie einleiten zu wollen.

    Rösel hingegen ist mit dem Personal und dem bisherigen Kurs der Galerie zufrieden - trotz sinkender Besucherzahlen, einem provinziellen Ausstellungsbetrieb, der auf nationale Künstler setzt, und der erwähnten internationalen Isolierung der Galerie. Innovatives Denken war offenbar kein ausschlaggebendes Kriterium für die Auswahl des neuen Direktors. Kuratorin Lenka Lindaurova:

    "Für die Fachöffentlichkeit sieht die Ernennung Rösels leider aus wie ein politischer Auftrag - keiner weiß, warum er die Ausschreibung gewonnen hat und mit welchem Konzept er sich überhaupt beworben hat."

    So bleibt, wie so häufig in Tschechien, auch in der Prager Nationalgalerie vorerst alles beim Alten. Nachdem das Auswahlverfahren im letzten Jahr vielversprechend begonnen hatte, mit einer kompetenten, international besetzten Kommission, bleibt am Ende der schale Beigeschmack von Intransparenz und politischer Willkür. Und eine große Portion Frust. Der Bildhauer Jiri David fasst ihn in Worte:

    "Vladimir Rösel ist nichts anderes als ein verlängerter Arm Knizaks. Für die tschechische Kunstszene ist diese Nachricht eine Tragödie, die in Europa ohnegleichen ist: Schlicht inkompetente Menschen aus dem Kultusministerium haben eine ebenso inkompetente Führung für die Nationalgalerie ausgewählt. Damit bleibt alles beim Alten."