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Nato-Außenministertreffen
Gespräche in schwierigen Zeiten

Die Außenminister der Nato-Staaten treffen sich heute und morgen in Brüssel. Dabei wird es auch wieder um das Verhältnis zu Russland gehen. Dass die Nato ihre Präsenz an der Grenze zu Russland erhöht hat, sorgt für Spannungen. Und dass Montenegro heute als Mitglied bei der Nato aufgenommen wird, beunruhigt Russland ebenfalls.

Von Annette Riedel | 19.05.2016
    Stoltenberg steht vor einem blauen Backdrop der EU-Kommisssion, spricht und hebt den Zeigefinger.
    Nato-Generalsekretär Stoltenberg meint: "Es ist im Interesse aller, ein neues Wettrüsten zu verhindern." (DPA / EPA / LAURENT DUBRULE)
    Das Verhältnis zu Russland beschäftigt die Nato-Außenminister ein weiteres Mal, wenn sie heute und morgen in Brüssel zu ihrem letzten Treffen vor dem Nato-Gipfel im Juli in Warschau zusammenkommen. Seit Moskaus Annektierung der Krim vor zwei Jahren und der mehr oder weniger offenen militärischen Unterstützung des Kremls für Moskau-treue Separatisten in der Ostukraine ist das Verhältnis bestenfalls angespannt.
    Die Nato baut an ihrer Präsenz in ihren osteuropäischen Mitgliedsländern. Russland baut wiederum seine Präsenz an seiner Westgrenze auf eine Art und Weise aus, die vor allem die Länder beunruhigt, die ehemals zur Sowjetunion oder zum sowjetischen Einflussgebiet gehörten. Diese zu beruhigen, ohne sich gleichzeitig auf ein neues Wettrüsten einzulassen, das sei das Bestreben des Verteidigungsbündnisses, wiederholte gestern dessen Generalsekretär Stoltenberg:
    "Wir suchen keine Konfrontation. Es ist im Interesse aller, ein neues Wettrüsten zu verhindern."
    Genauso wie unnötiges Säbelrasseln. Aber beides wirft jede Seite der jeweils anderen vor: Die Nato kritisiert mit scharfen Worten das wiederholte, aus ihrer Sicht gefährlich nahe Heranfliegen russischer Kampfjets an Nato-Flugzeuge über der Ostsee. Und die Nato sorgt sich über Drohungen aus dem Kreml, in Kaliningrad, also in unmittelbarer Nähe der baltischen Staaten, Atomwaffen zu stationieren.
    Moskau protestiert unter anderem gegen das Vorantreiben der Nato-Raketenabwehr, wie sie sich vergangene Woche durch die Einweihung einer entsprechenden Nato-Basis in Rumänien manifestiert. Was man bei der Nato nicht gelten lässt, sagt Stoltenberg:
    "Alles, was wir tun ist defensiv, verhältnismäßig und unter Beachtung aller internationalen Verpflichtungen, einschließlich der Nato-Russland-Akte."
    Keine Diskussion über Nato-Präsenz im Osten
    Dass einige Nato-Länder, wie Polen, sich an diese Akte am liebsten gar nicht mehr gebunden sähen, erleichtert die Diskussionen über die richtige Strategie gegenüber einem offensiv auftretenden Russland nicht. Dass die Nato, zum Unwillen Moskaus, die Präsenz an ihrer Ostgrenze deutlich ausbauen will, wenn auch unterhalb der durch die Nato-Russland-Akte vorgegebene Schwelle - das ist beschlossene Sache. Diskutiert – und wohl beim Gipfel im Juli in Warschau entschieden – wird, in welchem Umfang das geschieht.
    "We are now discussing the scale and the scope of our presence in the East."
    Auf alle Fälle soll es eine multinationale, rotierende Präsenz sein, in Polen und im Baltikum, möglicherweise jeweils in Bataillons-Stärke – also ein paar Hundert Soldaten. "Vorwärts-Präsenz", erhöhtes "Verteidigungs-Dispositiv" nennt es die Nato. Als ein "Auf-die-Pelle-Rücken" des Bündnisses interpretiert es der Kreml.
    Dass mit Montenegro heute offiziell ein weiteres osteuropäisches Land Nato-Mitglied wird, und bis zur Ratifizierung der entsprechenden Vereinbarung durch alle Nato-Länder ab sofort schon Gaststatus bekommt, empfindet Moskau ebenfalls als Anfeindung. Jedes Land habe das Recht, durch die "offene Tür" der Nato zu gehen, wenn es die entsprechenden Bedingungen erfüllt, weist der Nato-Generalsekretär jede Kritik am Beitritt des Westbalkan-Landes zurück:
    "Es gibt keinen Grund, Montenegro das Bündnis-Recht zu verweigern. Es ist seine eigene unabhängige Entscheidung. Deshalb wären etwa Sanktionen, wie von Moskau angedroht, völlig ungerechtfertigt."
    Kleiner Lichtblick
    Über einen kleinen Lichtblick in den Nato-Russland-Beziehungen werden die Außenminister heute aber immerhin sprechen können: Vor einem Monat hat es nach zwei Jahren erstmals wieder ein Treffen des Nato-Russland-Rates auf Botschafter-Ebene gegeben. Immerhin. Dafür dass es das Treffen gab, hatte sich nicht zuletzt Bundesaußenminister Steinmeier verwendet.
    "Ich selbst habe vorgeschlagen, dass wir gerade in diesen schwierigen Zeiten – und sie sind schwierig – mit Russland nicht sämtliche Kontakte kappen sollten."
    Und deshalb wird Walter Steinmeier bei seinen Kollegen mit Sicherheit dafür werben, dem Treffen im April bald weitere folgen zu lassen.