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NATO-Gipfel in Wales
Spielraum im Osten ausschöpfen

Der heute und morgen in Wales stattfindende NATO-Gipfel wird ganz im Zeichen der Ukraine-Krise stehen. Das Bündnis berät über eine verstärkte Präsenz in Osteuropa. Die könnte jedoch das NATO-Russland-Partnerschaftsabkommen von 1997 gefährden.

Von Annette Riedel | 04.09.2014
    Die Nato berät in Wales das weitere Vorgehen im Ukraine-Konflikt
    Die NATO berät in Wales das weitere Vorgehen im Ukraine-Konflikt. (afp / Georges Gobet)
    "Hochamt des Bündnisses", nennen NATO-Diplomaten NATO-Gipfel schon mal ironisch. Der heute und morgen in Wales sollte ursprünglich zum Einen der Selbstvergewisserung des Bündnisses dienen. Zum anderen eigentlich ganz im Zeichen des Abschlusses der ISAF-Mission in Afghanistan stehen. Eigentlich. Doch die Situation in der Ukraine und die Eiszeit im Verhältnis zu Russland haben den Schwerpunkt der Agenda verändert. Jetzt wird es hauptsächlich darum gehen. Und eines steht schon fest: Die NATO will an ihrer Ost-Grenze mehr Flagge zeigen, verkündete NATO-Generalsekretär Rasmussen:
    "Das heißt, mehr sichtbare Präsenz im Osten - so lange es nötig ist."
    Es wird zwar kein Anti-Russland Gipfel, aber einige der ohnehin anstehenden strukturellen Veränderungen des Bündnisses haben unter dem Eindruck der Ukraine-Krise eine neue, aktuelle Dringlichkeit bekommen. Beispielsweise, wenn es um die Überarbeitung der 'Readiness Action Plans', der Einsatzpläne der NATO geht:
    "Wir müssen sicherstellen, dass diese Pläne erneuert werden. Es muss zudem mehr reguläre Präsenz in denjenigen osteuropäischen Länder geben, die sich von Russland verwundbar fühlen."
    Damit meint der amerikanische Präsident Obama in erster Linie Polen und die baltischen Staaten. Sein dem Gipfel vorgeschalteter Besuch in Estland kann durchaus als Signal verstanden werden. Die Balten und auch die Polen möchten am liebsten eine dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen in einer nennenswerten Größe in ihren Ländern. Der litauische Außenminister Linkevicius sagt es so:
    "Wir sollten alles tun, was notwendig ist - die Terminologie, ob nun 'dauerhaft' oder 'solange wie nötig' ist unwichtig. Wichtig ist, dass die NATO ist, wo sie gebraucht wird. Und ich hoffe, dass die Beschlüsse in diese Richtung gehen."
    Bündnis-Mitglieder sollen Verteidungsbudgets aufstocken
    Eine dauerhafte Stationierung substanzieller NATO-Truppen in Osteuropa wird wohl beim Gipfel in Wales nicht beschlossen werden. Das würde einer de facto Aufkündigung des NATO-Russland-Partnerschaftsabkommens von 1997 gleich kommen, das dies ausschließt. Nicht nur Deutschland möchte das nicht und alle Beschlüsse der NATO werden einstimmig gefällt. Aber 'substanziell' und 'dauerhaft' sind nicht definiert und das lässt einigen Spielraum. Den will die NATO ausschöpfen, sagt ihr Generalsekretär:
    "Wir werden die Einsatzfähigkeit unserer bestehenden 'Schnellen Eingreiftruppe' entscheidend verbessern. Innerhalb dieser Eingreiftruppe werden wir eine Art Speerspitze schaffen, die innerhalb kürzester Zeit einsatzfähig wäre. Bei Bedarf soll sie sich mit leichtem Gepäck bewegen und hart zuschlagen können."
    Das in die Tat umzusetzen, bedarf einiger Anstrengungen. Die NATO-Eingreiftruppe ist bisher noch nie militärisch eingesetzt worden. Die neue 'Speerspitze' könnte um die 4.000 Truppen umfassen, die innerhalb von wenigen Tagen, einige sagen 48 Stunden, einsatzfähig sein soll. Dafür bedarf es neuer Kommandostrukturen, mehr Logistik, vielleicht auch neuer ständiger Depots, 'Vorverlegung von Material', wie es im NATO-Deutsch heißt. Eben auch und gerade in den östlichen Ländern des Bündnisses. Das wird kosten - bei allem noch ausbaufähigen Teilen und Zusammenlegen von militärischen Kapazitäten. Und deshalb werden weder der amerikanische Präsident noch der NATO-Generalsekretär müde zu betonen, dass die NATO-Länder ihre Verteidigungsbudgets aufstocken sollen. Nur 4 von 28 sind bei den angestrebten 2 Prozent der jeweiligen Wirtschaftskraft.
    "Ich erwarte, dass sich die NATO-Länder in Wales verpflichten, mehr für die Verteidigung auszugeben, in dem Maße, wie sich die Wirtschaft erholt."
    "Russland betrachtet uns als Gegner"
    Der ukrainische Präsident Poroschenko wird beim NATO-Gipfel in Wales anwesend sein. Eine Mitgliedschaft seines Landes in der NATO ist aus verschiedenen Gründen im Moment nicht aktuell. Aber man wird ihn ihre Unterstützung versichern.
    "Wir werden mit Poroschenko über die wichtigsten Reformen diskutieren und wie wir der Ukraine konkret helfen können."
    Dies alles bedeute nicht, dass die NATO Russland als Feind betrachte. Man wünsche sich weiter die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen Umgang. Umgekehrt gäbe es aus Moskau aber nur gegensätzliche Signale.
    "Wir machen uns keine Illusionen. Russland betrachtet uns als Gegner. Darauf werden wir uns einzustellen haben."