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Naturschützer Schöne zu Neubaugebieten
"Wir fransen die Ortsränder aus"

Das beschleunigte Verfahren, um Neubauflächen auszuweisen, könnte verlängert werden. Dieses trete die Umweltbelange mit Füßen, sagte Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring. Gerade kleinere Kommunen würden sich Prüfungen und Ausgleichsflächen sparen. Das sei nicht nachhaltig.

Florian Schöne im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 22.11.2019
Noch überwiegend leerstehende Häuser im Neubaugebiet. Es wird gemauert, was das Zeug hält. Die Zinsen sind noch niedrig.
Gerade kleinere Kommunen würden viele neue Bauflächen ausweisen, sagt Florian Schöne vom Deutschen Naturschutzring (imago stock&people)
Susanne Kuhlmann: Weil Deutschland mehr bezahlbaren Wohnraum braucht, wurde vor zweieinhalb Jahren das Baugesetzbuch geändert. Der Paragraph 13b sieht nun ein beschleunigtes Verfahren für Flächen vor, die sich einem Ort unmittelbar anschließen. Wenn zum Beispiel Äcker und Weiden am Siedlungsrand zu Bauland werden, wird nicht mehr ermittelt, wie sich das auf Tiere und Pflanzen auswirkt. Diese Regelung gilt vorerst bis Ende dieses Jahres, könnte aber bis 2022 verlängert werden. Umweltorganisationen kritisieren das, auch ihr Dachverband, der Deutsche Naturschutzring. Mit dessen politischem Geschäftsführer, Florian Schöne, bin ich jetzt verbunden. Guten Tag, Herr Schöne.
Florian Schöne: Ja, hallo! - Guten Tag.
Kuhlmann: Was bedeutet dieses beschleunigte Verfahren fürs Bauen am Rand von Orten für Natur und Umwelt?
Schöne: Ja, das ist genau das Gegenteil dessen, wozu wir uns mit allen Nachhaltigkeitsbemühungen immer verpflichten. Wir fransen die Ortsränder aus durch neue Neubaugebiete. Wir zerstören naturnahe Lebensräume, die sich ja oft gerade auch im Umfeld von Ortsrändern befinden, die auch eine hohe Erholungsbedeutung haben. Und wir leisten eben diesem Flächenfraß Vorschub, den wir ja eigentlich unbedingt reduzieren wollen.
13b-Verfahren vor allem von kleinen Kommunen genutzt
Kuhlmann: Haben Sie oder Ihre Kollegen aus den anderen Umweltorganisationen in den vergangenen zweieinhalb Jahren denn schon konkrete Veränderungen bemerkt?
Schöne: Ja, da gibt es zahlreiche Untersuchungen, auch wirklich von namhaften Stadtplanern und ähnlichen Akteuren, die deutlich machen, gerade die kleinen Kommunen nutzen dieses Instrument. Es sind gar nicht die Ballungsräume, sondern die kleinen Kommunen. Die wollen sich den Aufwand sparen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, den Aufwand sparen von Ausgleichsmaßnahmen. Die sind kostenintensiv, aufwendig, bürokratisch. Es gibt zum Beispiel Erhebungen in Bayern und Baden-Württemberg gerade, auf dem Land. 720 Anwendungsfälle in den letzten anderthalb Jahren, die dort stattgefunden haben. Es findet genau da statt, wo wir es nicht wollen: Auf der grünen Wiese, an den Dorfrändern und nicht in den Ballungsräumen, wo wir es bräuchten.
Kuhlmann: Es gibt nun den Wunsch, dieses beschleunigte Verfahren bis 2022 zu verlängern. Welche Konsequenzen hätte das aus Ihrer Sicht?
Schöne: Ja, das ist deutlich und auch zu erkennen an dem, was wir die letzten anderthalb Jahre beobachtet haben. Es würde vor allem im Umfeld von kleineren Orten weiter genutzt werden aus den eben von mir genannten Gründen: Verzicht auf die Umweltprüfung, Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen. Der Artenschutz wird dadurch massiv benachteiligt. Wir haben genau die Situation, dass wir diesen Flächenverbrauch, den wir ja gemäß Nachhaltigkeitsstrategie reduzieren wollen, befördern. Es gibt ja immer dieses wunderschöne Leitbild der Innenentwicklung in der Stadtplanung, dass man die Dorfkerne, die Ortskerne stärkt, aber das findet dann nicht statt, weil günstiger Bauraum für Ein- und Zwei-Familien-Häuser auf der grünen Wiese gebaut wird. Und das ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel und politisch verwerflich.
"Wir brauchen die gezielte Förderung des Geschosswohnungsbaus"
Kuhlmann: Wo könnte der Wohnraum denn entstehen?
Schöne: Was wir ja brauchen ist die gezielte Förderung des Geschosswohnungsbaus in Ballungsräumen, rund um die Großstädte Stuttgart, Frankfurt, München, Berlin und so weiter. Da brauchen wir die gezielte Förderung. Aber wie gesagt, die Erkenntnisse belegen ja: Dieser 13b, das geht voll in die falsche Richtung. Es geht auf die grüne Wiese, in die Schutzgebietszonen auf dem Dorf, wo ja die Kosten gar nicht das Problem sind. Wir brauchen eine gezielte Geschosswohnungsbauförderung in den Ballungsräumen und eine Innenentwicklung, die Förderung von auch Aufstockungen, aber bitte schön nicht mit diesem 13b, der eigentlich wirklich die Umweltbelange mit Füßen tritt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.