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Naturschutz-Zertifikate
Artenschutz per Anteilsschein

Ein konkretes Projekt statt einer allgemeinen Spende: Interessenten können ab sofort Anteilsscheine an ausgesuchten Naturschutzprojekten kaufen. Das soll die Spendenbereitschaft für den Artenschutz erhöhen. Ausgestellt werden sie von Europarc, dem Dachverband der deutschen Naturlandschaften.

Von Anja Nehls | 08.02.2019
    Äpfel liegen auf einer Streuobstwiese.
    Auf Streuobstwiesen findet sich eine Vielfalt von Tieren und Pflanzen - daher sollten sie geschützt und erhalten werden (imago / Blickwinkel)
    Was haben Bonbons, Gummibärchen, Brausepulver und Lakritz mit einer Streuobstwiese auf der Schwäbischen Alb zu tun? Eigentlich gar nichts, sagt Anette Dierks, die Nachhaltigkeitsmanagerin von Katjes:
    "Unserer Idee war, dass wir einfach das Thema Naturschutz und Umweltschutz näher an unserer Mitarbeiter bringen wollen. Und wenn wir durch so ein ganz konkretes Projekt die Mitarbeiter sensibilisieren für das Thema Naturschutz, für das Thema Umweltschutz, darüber kann ich Geschichten erzählen, darüber kann ich die Informationen an die Mitarbeiter geben."
    Und deshalb hat Katjes nun die ersten Naturschutzzertifikate erworben. Für zwei ganz konkrete Streuobstwiesen auf der Schwäbischen Alb, knapp 3.000 Quadratmeter groß. Auf diesen Streuobstwiesen soll jetzt die Biodiversität gefördert werden. Mit circa 6.000 Euro im Jahr, zunächst fünf Jahre lang. Europarc Deutschland e.V. als Dachverband der Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks in Deutschland hat sich dieses Finanzierungssystem ausgedacht und will den Erfolg auch genau untersuchen, erklärt Katja Arzt von Europarc:
    "Das Besondere an unseren Projekten ist, dass wir wirklich nachweisen wollen, was erreichen wir im Naturschutz mit diesen Projekten. Und wir fangen in den Ökosystemen an, die besonderer Hilfe bedürfen, weil sie sonst verschwinden und nicht mehr unterstützt werden. Und wir haben wirklich einen Standard entwickelt und Methoden entwickelt, wie messen wir Biodiversität auf diesen Flächen, biologische Vielfalt. Und dann entwickeln wir daraus einen angepassten Maßnahmenplan und gucken nach fünf Jahren, ist das erreicht oder nicht."
    Zusammenarbeit mit lokalen Naturschützern
    Wichtig ist den Organisatoren die Zusammenarbeit mit lokalen Naturschützern vor Ort. Im Falle der Streuobstwiesen ist das Rüdiger Jooß vom Biosphärenreservat Schwäbische Alb. Die Kooperation mit Europarc und Katjes ermögliche mehr als nur den Erhalt der Wiesen:
    "Die Streuobstwiesen werden oft gar nicht mehr bewirtschaftet, dann wachsen sie einfach zu, dann wird das zum Beispiel eine Brombeerhecke und die Artenvielfalt nimmt ab. Und in dem Moment ist es halt toll, wenn ein Bewirtschafter kommt und sagt, ich möchte hier mitmachen, ihr zahlt mir das Entfernen dieser Brombeerhecke sozusagen und dann kann man die Wiese, die da schon noch ist im Grunde wieder herstellen in einen Zustand, der möglichst artenreich ist."
    Das bedeutet, dass dort zweimal im Jahr gemäht wird, damit die Vielfalt von Pflanzen und Tieren unter den Bäumen nicht leidet. Auch die Bäume müssten regelmäßig im Sinne des Naturschutzes geschnitten werden.

    "Wenn man die Bäume einfach vor sich hin wachsen lässt, dann krachen sie irgendwann zusammen, auch da muss man immer wieder nachhelfen und den richtigen Schnitt ansetzen, aber eben nicht nur auf den maximalen Ertrag schneiden, sondern schon auch Totholz im Baum drin lassen, weil da dann eben Insekten drin wohnen können oder in den Spalten Fledermausquartiere sich befinden oder in größeren Höhlungen auch Vögel brüten."
    Naturschutzzertifikate wirken vor allem intern
    Die Unternehmen können mit ihrem Engagement werben oder es als Teil ihrer Nachhaltigkeitsstrategie betrachten, so die Idee. Bei Katjes sollen die Naturschutzzertifikate vor allem intern wirken, sagt Anette Dierks. Die Mitarbeiter werden regelmäßig über alle Maßnahmen und Fortschritte informiert. Und durch das Engagement des Unternehmens seien bereits einige für das Thema Naturschutz sensibilisiert worden.

    "Das Beste ist dann, so wie es gestern war, dass wir den Innenhof bei Katjes umgestalten wollen und mich eine Kollegin anruft und sagt, wollen wir das nicht bienenfreundlicher, insektenfreundlicher bepflanzen, als das bisher war. Und dann denke ich, ja genau. Da ist die Idee in die richtige Richtung gegangen."
    Mindestens 57.000 Tier und Pflanzenarten sind in Deutschland heimisch, aber ein Drittel davon sei bedroht, so Europarc Deutschland. Der Verband will nun Quadratmeter für Quadratmeter Projekte in den nationalen Naturlandschaften zertifizieren und Unternehmen und Privatpersonen zum Kauf anbieten. Ein konkretes Projekt, statt eine allgemeine Spende für den Naturschutz. Die Ideen dafür liefern die Mitgliedsorganisationen, wie das Biosphärenreservat Thüringer Wald, sagt Jörg Voßhage
    "Wir starten jetzt mit den Streuobstwiesen und ich kann mir gut vorstellen, dass wir zum Beispiel mit Waldprojekten weitermachen, dass wir den Wald auch ökologisch aufwerten, dass wir dort viele verschiedene Baumarten unterschiedlichen Alters haben, die dann auch vielfältige Lebensräume für Flora und Fauna bieten."
    Auf einer eigenen Internetseite Naturschutzzertifikate.de werden jetzt Streuobstwiesen und bald auch Moore oder Wälder zum Schutz angeboten. Der Umfang ist unterschiedlich. Die kleinesten Projekte kosten circa 1.000 Euro im Jahr.