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NDR-Satire mit Folgen
Türkei bestellt deutschen Botschafter ein

Ein Musikclip aus der NDR-Satire Sendung "extra 3" hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen der Türkei und Deutschland geführt. Darin wurden Präsident Erdogan und seine Angriffe auf die Pressefreiheit verspottet. Die Konsequenzen folgten prompt: Der deutsche Botschafter wurde einbestellt - doch dabei könnte es um mehr als nur Satire gehen.

Von Frank Capellan | 29.03.2016
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält eine Rede, hinter ihm sind zwei türkische Flaggen zu sehen.
    Erdowie, Erdowo, Erdowan: Ein Musikclip aus der NDR-Satire "extra 3" hat den türkischen Präsidenten in Rage gebracht. (picture alliance / dpa / Turkish President Press Office)
    Das offizielle Berlin hält sich zurück, will dem Fall offenbar nicht zu viel Gewicht beimessen. Dass der türkische Präsident den deutschen Botschafter wegen einer Satire einbestellt, bleibt unkommentiert. Rücksichtnahme auf einen unbequemen Partner, den man wegen der Flüchtlingskrise gerade so dringend braucht? Ein Verdacht, der nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Dass ausgerechnet diese Satire in der Türkei zur Staatsaffäre gemacht wird, kann hierzulande eigentlich nur für Kopfschütteln sorgen.
    "… er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus – ein protziger Bau mit tausend Zimmern, errichtet ohne Baugenehmigung im Naturschutzgebiet – bei Pressefreiheit kriegt er nen Hals, drum braucht er viele Schals…"
    Erdowie, Erdowo, Erdowan – dieser Film aus der NDR-Satire Sendung Extra 3 bringt nun also Erdogan derart in Rage, dass Deutschlands Botschafter Martin Erdmann im Außenministerium in Ankara das nicht einmal zwei Minuten lange Video rechtfertigen muss. "Der Beitrag setzt unseren Präsidenten herab. Das ist nicht zu akzeptieren", sagte ein Mitarbeiter des Ministeriums Spiegel online. Allem Anschein nach aber geht es um mehr als die Satire. Die Person Erdmann gerät in den Focus – gemeinsam mit dem britischen Generalkonsul wohnte er dem ersten Prozessauftakt gegen zwei regierungskritische Journalisten der Zeitung Cumhurriyet bei. Erdogan, der hinter der Anklage steht, reagierte darauf schon vor Tagen äußerst scharf.
    Botschafter Erdmann im Fokus
    Erdogan: "…die Position derer, die diesen Prozess besuchten, ist sehr wichtig. Die Generalkonsule in Istanbul besuchten den Prozess… Wer sind sie? Was haben sie da zu suchen?!?"
    Den beiden Journalisten droht lebenslange Haft wegen angeblicher Preisgabe von Staatsgeheimnissen, sie hatten über verdeckte Waffengeschäfte des türkischen Geheimdienstes mit Islamisten in Syrien berichtet. Dass der deutsche Botschafter mit seiner Anwesenheit ein Zeichen setzen wollte, sorgte für den Wutausbruch des Präsidenten. "Diplomatie unterliegt einem gewissen Anstand und Umgangsformen", meinte Erdogan. Der satirische Fernsehbeitrag gegen ihn brachte dann offensichtlich in seinen Augen das Fass zum Überlaufen. Für den Politikwissenschaftler Wolfgang Gieler ist Erdogans Reaktion bezeichnend, der türkische Präsident provoziert Deutschland und Europa, in seinen Augen sind die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei ohnehin längst zur Farce geworden – Erdogan strebe eine Mitgliedschaft seines Landes ohnehin nicht an.
    "Aktuell wird ein Theaterschauspiel für die Öffentlichkeit inszeniert. Jeder, der sich mit der Türkei beschäftigt, wird sicher zustimmen können, dass die Türkei unter dem Autokraten Erdogan kaum der EU beitreten wird."
    Ausschnitt extra 3: "… ein Journalist, der was verfasst, das Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast…"
    Kein echtes Interesse an Annäherung
    Wie wenig dem türkischen Präsidenten an einer echten Annäherung an die Europäische Union gelegen ist, stellte er auch unter Beweis, als er Anfang des Monats unmittelbar vor dem EU-Türkei Gipfel mit äußerster Härte gegen die Oppositionszeitung Zaman vorging – eben so, wie es die Satiriker von extra 3 nun besingen.
    Ausschnitt extra 3: "… Redaktion wird dichtgemacht, er denkt nicht lange nach und fährt mit Tränengas und Wasserwerfern durch die Nacht. Sei schön charmant, denn er hat Dich in der Hand… Erdowie, Erdowo, Erdowan…"