Donnerstag, 25. April 2024

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Nebeneinkünfte von Abgeordneten offen legen

Bettina Klein: Es ist eine Geschichte, die offensichtlich in Serie abläuft. Die Zeitung Die Welt berichtet heute von weiteren, neuen Fällen von Abgeordneten mit Nebeneinkünften. Die Namen: Scheel, Storm, Eppelmann und Lippold werden genannt, bestätigt ist all dies noch nicht. Der Bundestagspräsident kennt seine Schäfchen und Pappenheimer. Ihm, Wolfgang Thierse, müssen die Abgeordneten Nebentätigkeiten offen legen ab einem bestimmten Betrag. Die Öffentlichkeit hingegen hat nur das Recht, über die Art dieser Nebentätigkeiten informiert zu werden. Die Summen, die dabei fließen, gehen keinen etwas an.

Moderation: Bettina Klein | 07.01.2005
    Sofern aber einer oder mehrere Skandale wie in der Vergangenheit zutage treten oder traten, wurde versucht, die Regeln zu verschärfen, auch die Höhe der Nebeneinkünfte der gewählten Politiker für jeden in Deutschland transparent zu machen. Allein im deutschen Bundestag gibt es bisher keinen Konsens, keine Mehrheit dafür, die Geschäftsordnung zu ändern. Immer mehr Politiker fordern dies. Wolfgang Thierse verlangte gestern Vorschläge der Fraktionen, ein einheitlicher Wunsch ist aber bisher offenbar nicht vorhanden. Jochen Bäumel ist jetzt am Telefon, Vorstandsmitglied bei der Organisation Transparency International. Herr Bäumel, weshalb ist es denn ihrer Meinung nach so wichtig, auch etwas über die Höhe der Einkünfte zu erfahren in der Öffentlichkeit? Weshalb reicht es nicht, die Art der Nebentätigkeit zu kennen und daraus dann gewisse Interessenverknüpfungen abzuleiten?

    Jochen Bäumel: Die Fälle in der Vergangenheit zeigen ja, dass es Möglichkeiten gibt, Einflüssen ausgesetzt zu sein, ohne dass sie nach außen hin wirklich erkennbar sind. Wenn Sie etwa Herrn Arentz nehmen, da war das eben nicht erkennbar. Darum ist unsere Forderung, dass die Einkünfte auch offengelegt werden müssen. Nur dann kann der Wähler wissen, welche Interessen der Abgeordnete wirklich vertritt.

    Klein: Kann man denn so pauschal sagen, je höher die Nebeneinkünfte, desto größer die vermutete Abhängigkeit des Abgeordneten oder umso erfolgreicher die Lobbyarbeit des Unternehmens?

    Bäumel: Der Abgeordnete sollte auf jeden Fall kein verdeckter Lobbyist sein, das ist schon mal die Grundvoraussetzung. Es ist natürlich so, je mehr Nebeneinkünfte ein Abgeordneter von einem Konzern hat, umso wahrscheinlicher ist natürlich, dass er die Interessen dieses Konzerns mit vertritt.

    Wenn der Wähler das weiß, kann er sich entscheiden, ob er den Abgeordneten wählt oder nicht und da sind wir bereits beim Punkt. Der Wähler müsste vor der Wahl wissen, wie sich der Abgeordnete nachher verhält, ob er offen legt und im Vorhinein sagt: Ich werde entweder meine Beschäftigung ruhen lassen oder ich werde in Zukunft auch Geld von meinem Arbeitgeber bekommen. Das müsste der Wähler vorher wissen. Er muss nicht wissen, wie hoch das ist, sondern das sollte erst klar und offengelegt werden, wenn er Bundestagsabgeordneter ist.

    Klein: Und das sollte gesetzlich geregelt werden, auch Ihrer Meinung nach. Warum reicht denn die Freiwilligkeit, mit der zumindest einige Politiker jetzt die Finanzen offen legen, nicht aus?

    Bäumel: Das kann man ja sehen, dass die Freiwilligkeit nicht reicht, denn es sind eben nur ein paar, die das machen und offen legen und das hat es früher auch schon gegeben, die haben also quasi ihre Steuererklärung offengelegt. Das ist aber zu wenig. Für die, die es machen, und für den Wähler ist es natürlich toll, aber insgesamt wehrt sich ja offensichtlich die Mehrheit im Bundestag dagegen, solch einer Regelung zuzustimmen.

    Klein: Was glauben Sie denn, würde sich für die Politiker ändern, wenn es eine solche gesetzliche Festlegung gäbe?

    Bäumel: Diese Regelung gibt es ja nur insofern, als ich dem Bundestagspräsidenten offen legen muss. Das, denke ich, ist eine sogenannte oder Scheintransparenz, denn der Bundestagspräsident macht ja nichts weiter damit. Der kennt sie und die Öffentlichkeit weiß es nicht. Darum denke ich, müsste so etwas schon richtig geregelt und auch sanktioniert werden. Wenn der Verstoß konsequenzlos bleibt, dann ist es vergeblich. Ich denke, man müsste entweder einen Bußgeldkatalog, wie das also bei Verstößen durch Parteien, wenn sie Spenden bekommen, geregelt ist oder aber dass man das handhabt wie Steuerhinterziehung.

    Klein: Gegen diese Art der Offenlegung der Höhe der Nebeneinkünfte werden unter anderen auch verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Glauben Sie, dass das zu umgehen wäre oder wären Sie im Zweifelsfall sogar für eine Grundgesetzänderung?

    Bäumel: Ich glaube, dass man so etwas grundsätzlich regeln muss. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob dazu eine Grundgesetzänderung notwendig ist. Wer aber ein Mandat im Bundestag hat, hat den Auftrag die Interessen des Volkes wahrzunehmen – ein Abgeordneter ist Vertreter des ganzen Volkes und Inhaber eines freien Mandates. Diese Unabhängigkeit müsste auf jeden Fall gewahrt bleiben und der Wähler muss die Entscheidung haben, im Voraus zu erkennen, was ein Abgeordneter wirklich machen will und nicht erst im Nachhinein. Man muss wissen, welche finanziellen Einflüsse da sind. Wenn das richtig geregelt ist und ich denke, man kann es regeln - es ist ja auch in Amerika geregelt, es wird immer gesagt, in Amerika sei alles gut und besser oder anders und wir richten uns in vielen Sachen daran aus, dann sollte man auch Sachen, die dort wirklich besser geregelt sind, auch übernehmen und sich nicht so zurückhaltend verhalten, wie man das im Augenblick tut.

    Klein: Wir haben gerade festgestellt, dass die Bereitschaft im deutschen Bundestag doch nicht so sonderlich ausgeprägt ist, dass wirklich festzulegen. Wie schätzen Sie das ein für die Zukunft, die politische Gemengelage bei den Fraktionen, wird es unter dem Eindruck weiterer Veröffentlichungen, die wir immer wieder bekommen, doch dazu führen, dass man sich letzten Endes über solche Regelungen einigen kann?

    Bäumel: Ich könnte mir vorstellen, dass die Politiker langsam erkennen, dass sie Vertrauen in der Bevölkerung weiter verspielen und dass sie, wenn sie gewählt werden wollen und vor den Wähler hintreten, dass sie dann auch irgendwann merken, dass der Wähler dieses Verhalten nicht mehr akzeptiert. Das könnte dazu führen, dass man sich in seinem Verhalten ändert und sagt, man legt offen, weil man nicht wie jeder andere ist, sondern ganz besondere Aufgaben innerhalb einer Gesellschaft hat und deswegen dann auch offen legen muss.