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Nemzow-Bericht
"Erschöpfende Beweise für die Präsenz russischen Militärs"

Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow - einer der schärfsten Kritiker Putins - wurde Ende Februar in Kreml-Nähe erschossen. Vor seinem Tod arbeitete er an einem Bericht über russische Soldaten in der Ukraine. Jetzt haben seine Mitstreiter den Bericht fertiggestellt und ihn der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Von Gesine Dornblüth | 13.05.2015
    Pro-russische Separatisten in Debalzewe in der Ostukraine.
    Pro-russische Separatisten in Debalzewe in der Ostukraine. (AFP / Vasily Maximov)
    "Putin. Der Krieg" heißt der Bericht. Er ist bisher nur in einer Auflage von 2.000 Exemplaren und im Internet erschienen. Die 65 Seiten enthalten keine Sensationen; denn die Autoren haben vor allem bereits bekannte Informationen aus Zeitungsartikeln und dem Internet zusammengestellt. Die sind allerdings gut sortiert. Der Nemzow-Vertraute Ilja Jaschin, Kopf des Autorenteams:
    "Wir haben erschöpfende Beweise für die Präsenz russischen Militärs in der Ukraine zusammengestellt und dafür, dass Gruppen von Söldnern in Russland rekrutiert, finanziert und in die Ukraine geschickt werden.
    Der Vertragssoldat Dorschi Batomunkujew aus Ulan-Ude zum Beispiel berichtete der "Nowaja Gazeta" im Februar, dass seine Panzerbrigade bei Debalzewo in den Kampf gegen Truppen der Ukraine geschickt wurde. Ihnen sei gesagt worden, es gehe in ein Manöver, doch sie hätten gewusst, dass sie in die Ukraine fahren, so der Panzerfahrer, der bei Debalzewo schwer verletzt wurde. Der Nemzow-Bericht zitiert auch aus einem schon früher bekannt gewordenen Verhörvideo des Soldaten Petr Chochlow, der in ukrainische Gefangenschaft geriet. Der Soldat sagte aus, dass seine Einheit den Transport von Waffen in den Donbass organisierte, darunter Mehrfachraketenwerfer und Schützenpanzer. Und dies sind nur zwei Beispiele.
    Rund 220 gefallene russische Soldaten
    Ilja Jaschin kommt zu dem Schluss:
    "Alle wichtigen militärischen Erfolge der Separatisten wurden von Einheiten der russischen Armee gewährleistet."
    Der ermordete Boris Nemzow hatte die Arbeit an dem Bericht Anfang des Jahres begonnen. Er sprach noch im Februar selbst mit Angehörigen von in der Ukraine gefallenen russischen Soldaten aus der zentralrussischen Stadt Iwanowo. Unter anderem aus den Angaben dieser Hinterbliebenen kommen die Autoren des Berichts auf die Zahl von 220 russischen Soldaten, die im Donbass ums Leben gekommen seien, davon allein 70 bei Debalzewo. Der Journalist Lew Schlossberg, der in der russischen Stadt Pskow zu dem Thema recherchiert, geht davon aus, dass es weit mehr Tote auf russischer Seite sind, dass die Angehörigen aber aus Angst schweigen.
    Gedenken an den russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der in Moskau unweit des Kremls erschossen wurde.
    Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde unweit des Kremls erschossen. (dpa / picture alliance / RIA Novosti)
    Auch der Nemzow-Bericht zitiert Hinterbliebene aus Iwanowo mit den Worten, wenn Boris Nemzow an den Kremlmauern erschossen wurde, dann könne man mit ihnen machen, was man wolle, es werde nicht einmal jemand merken.
    Die russische Führung bestreitet die Präsenz regulärer russischer Truppen in der Ukraine. Putins Sprecher Dmitrij Peskow wollte den Nemzow-Bericht nicht kommentieren, er kenne ihn nicht. Jaschin und seine Mitstreiter sammeln ab sofort in Russland Spenden, um den Bericht in einer großen Auflage unter die Leute zu bringen. Er rechne mit Schwierigkeiten, sagte Jaschin. Kremltreue Aktivisten und Staatsmedien verunglimpfen die Kremlkritiker als Verräter, die angeblich ausländische Interessen vertreten. Auch deshalb betonte Ilja Jaschin bei der Präsentation:
    "Dies ist ein patriotischer Bericht. Er zielt darauf, die nationalen Interessen Russlands zu schützen. Wir sind überzeugt, dass Putins Politik den Interessen Russlands widerspricht: Der Isolationismus, den er unserem Land aufzwängt, der Krieg, den er mit unserem Bruderstaat angezettelt hat."
    Der Bericht beziffert die Kosten der militärischen Unterstützung der Separatisten für den russischen Haushalt auf umgerechnet rund eine Milliarde Euro.