Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Nervengift-Anschlag in Salisbury
Russland wirft Großbritannien intransparente Ermittlungen vor

Mitte März hatte Großbritanniens Premierministerin Theresa May in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat "mit hoher Wahrscheinlichkeit" Russland für den Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter verantwortlich gemacht. Russland fordert seinerseits eine offene Debatte im UN-Sicherheitsrat.

Von Kai Clement | 05.04.2018
    Ein Mann in weißer Schutzkleidung und Atemmaske greift einen Mülleimer in einer Grünanlage.
    Großbritannien verdächtigt Russland, den russischen Ex-Spion Sergej Skripal vergiftet zu haben (AFP/Ben STANSALL)
    Gestern Vormittag, New Yorker Zeit. Die neue britische UN-Botschafterin Karen Pierce bleibt für kurzen Moment vor der Tür des Sicherheitsrates stehen. Dort soll es um Syrien gehen, und um die andauernden Chemiewaffenangriffe in diesem schmutzigen Krieg.
    Zuvor aber kommt Pierce auf eine Nervengift-Attacke inmitten ihres eigenen Landes zu sprechen: die von Salisbury, auf einen ehemaligen russischen Doppelagenten.
    "Viele werden wissen, dass Russland in Den Haag eine Exekutivsitzung bei der "Organisation zum Verbot von Chemiewaffen" - kurz OPCW - zu Salisbury beantragt hat. Ehrlich gesagt, glauben wir, dass das Missachtung für die Organisation zeigt. Die ist schließlich unabhängig und hat noch gar nicht alles Tests beendet."
    In Den Haag fordert Russland dann gestern, man wolle Teil einer unabhängigen Untersuchung des Falls sein, deren Ergebnisse nächste Woche erwartet werden. Denn die Ermittlungen Großbritanniens und der OPCW-Experten seien nicht transparent. Der Vorschlag aber wird mehrheitlich abgelehnt. Großbritannien erklärt gar, das Ganze sei eine "perverse Ablenkungstaktik".
    Nun macht Russland den Nervengift-Anschlag zum Thema im Sicherheitsrat. Das kündigt gestern - ebenfalls bei der Syriensitzung - der russische UN-Botschafter Wassilij Nebentsja an. Am Nachmittag New Yorker Zeit wolle man dazu eine offene Debatte im Sicherheitsrat.
    Schon Mitte März hatte sich das mächtigste UN-Gremium zu der Salisbury-Attacke getroffen - damals noch unter umgekehrten Vorzeichen. Warum, so fragte der russische UN-Botschafter Nebentsja vergangenen Monat, zerre man die Angelegenheit in den Sicherheitsrat? Der britische UN-Vertreter Jonathan Allen zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    "Wendet man sich denn nicht an den Sicherheitsrat, wenn internationaler Frieden und Sicherheit bedroht sind? Wenn es eine ungesetzliche Attacke auf einen gab?"
    Bereits das zweite Treffen des UN-Gremiums zu Salisbury
    Nun also das bereits zweite Treffen des mächtigsten UN-Gremiums zu Salisbury. Grundlage dafür, so erklärt der russische UN-Botschafter, sei der Brief der britischen Premierministerin Theresa May. Darin hatte sie mit "hoher Wahrscheinlichkeit" Moskau für den Anschlag verantwortlich gemacht.
    Nebentsja hielt gestern dagegen.
    "Chemiewaffen einzusetzen ist inakzeptabel - egal von wem, egal wo. Das muss untersucht werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass so etwas straflos bleibt."
    Schon Mitte März gab es im Sicherheitsrat einen Vorgeschmack darauf, wie sich Kalter Krieg bei den UN anhört. Die Amerikanerin Nikki Haley rief ihrem russischen Gegenpart zu, wenn man nicht handele, werde Salisbury nicht der letzte Anschlag bleiben - New York oder andere Städte könnten folgen.
    Krim, Ukraine, Syrien, Salisbury - immer mehr Krisen und Konflikte trennen die Weltmächte. UN-Generalsekretär Guterres warnte Ende März, es sei fast wie im Kalten Krieg, nur schlimmer, weil es nicht mehr die erprobten Deeskalationsmittel gebe.
    Schaulaufen der Gegensätze
    Heute dürfte es erneut zum Schaulaufen der Gegensätze kommen, so wie es sich gestern bereits in der Syriensitzung ankündigte. Russland stand erneut als Schutzmacht Syriens am Pranger, einem Land, das UN-Ermittlungen zufolge selbst Chemiewaffen einsetzt. Für Großbritanniens UN-Botschafterin Karen Pierce liegen Syrien und Salisbury auf einmal gar nicht so weit auseinander.
    "Leider beweist Russland nicht nur mit Syrien seine Verachtung für das internationale System. Der Giftanschlag von Salisbury auf zwei Menschen mit einem militärischen Nervengift hat jeden gefährdet, der zufällig in der Nähe war."