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Netzkultur
Wie das Gif das Internet eroberte

Trauer, Liebe, Hoffnung: Gifs sind im Internet für die großen Gefühle zuständig. Egal, ob in den sozialen Medien oder in privaten Chatverläufen, die bewegten Bilder sind nicht mehr aus dem Netz wegzudenken. Aber wie konnten sie so populär werden? Über die Erfolgsgeschichte eines Grafik-Formats.

Von Christian Schiffer | 25.06.2019
Shruggie-Emoticon
Das Shruggie-Emoticon gibt es auch als animiertes Gif (Collage Deutschlandradio)
"I am very proud of what you have done. It has been an honor and a privilege to work with you side by side. "
Barack Obama Anfang Mai 2016. Es ist der letzte Auftritt des scheidenden US-Präsidenten beim White House Correspondents’ Dinner, einer Benefiz-Veranstaltung der Washingtoner Hauptstadtpresse. Obama fühlt sich sichtlich wohl, er lacht, er macht Witze über Donald Trump und Ted Cruz und am Ende kommt sie dann, die Szene, die sich in das Internet einbrennen wird: "And with that I have only two more word to say: Obama out!"
Der Obama Mic Drop
Obama führt zwei Finger an seine Lippen, blickt in die Menge und lässt triumphal das Mikro fallen: "Obama out", der ultimative "Mic Drop". Comedians lassen am Ende einer Darbietung gerne mal demonstrativ das Mikro fallen und natürlich auch Rapper. Es ist eine Geste, die sagen will: "Schaut her, wie geil ich abgeliefert habe!". Obamas Mic Drop wird in den nächsten Monaten Teil einer globalen Ausdrucksform. Wer sich im Facebook-Messenger verabschiedet, der verabschiedet sich mit einem Obama Out-Gif. Obama Out wird zum meistverwendeten Gif des Jahres 2016 und zu einem Klassiker der Kommunikation im Netz. Und diese Kommunikation, die besteht heute in vielen Fällen aus Gifs, sagt der Blogger und Kommunikationsberater Martin Fuchs:
"Ich würde fast sagen, dass sie nicht mehr wegzudenken sind aus der Kommunikation, weil sie komprimiert Emotionen, Gedanken erfahrbar und erkennbar machen und so eine Code im Internet geschaffen haben, der es vielen anderen Menschen ermöglicht, diesen zu encodifizieren und vielleicht auch komplexe Zusammenhänge schnell zu erkennen."
1987 wurde das Gif erfunden
Wenn Captain Jean-Luc Picard aus Fremdscham mit seiner Hand Teile seines Gesichts zu einem "Face Palm" verdeckt, wenn sich Michael Jackson genüsslich Popcorn in den Mund stopft, dann sind das Emotionen, die sofort verstanden werden – und zwar weltweit.
Dabei ist das Gif, oder wie es sein Erfinder Steve Wilhite ausspricht das "Jif", ein alter Hut. Schon 1987 wurde es erfunden, damals als Bild-Format, das aber auch Animationen ermöglichte. Die Steinzeit des Netzes war geprägt von "Under Construction"-Gifs, mit denen Webseiten-Betreiber, um ein bisschen Geduld baten, wenn Teile der Seite immer noch nicht fertig waren. In den Nullerjahren verwandelte eine Flut an Gifs Myspace bisweilen in eine amorphe Ansammlung pink-metallisch-vor sich hinflimmernder Blinki-Blinki-Seiten. Vermutlich tat sich Facebook deswegen lange schwer damit, Gifs auf der eigenen Plattform zuzulassen, erst seit 2015 unterstützen die blauen Seiten dieses Format.
"Es hat sich viel geändert, wie Bilder in der Kommunikation aufgenommen wurden. Zu Beginn des Internets war natürlich der Text das Allerwichtigste, neben der Verlinkung, die es ermöglicht hat, Kontexte herzustellen und Informationen weiterzugeben. Heute ist das Netz, aber vor allem auch die Social Media-Plattformen geprägt von Bildern und bewegten Bildern. Dadurch hat sich auch die Art geändert, wie wir in Bildsprache miteinander kommunizieren. Emojis sind da der eine Aspekt, aber Gifs sind salonfähig geworden."
Die Popkultur hat die Macht von Gifs erkannt
Heute kommunizieren schon mal Ministerien mittels Gifs. Gifs werden zudem auch in der Bildung eingesetzt. Wer nach "Quantenphysik" auf der Gif-Plattform Giphy sucht, der findet eine Reihe von seriösen Gifs zum Thema, natürlich neben allerlei lustigen Gifs zu Albert Einstein und Gifs zur beliebten Nerd-Sitcom "Big Bang" Theory.
Gerade die Popkultur hat die Macht von Gifs erkannt. Dass das Faultier aus dem Disney-Animationsfilm "Zoomania" zum omnipräsenten Gif mutiert ist, hat dem Erfolg des Streifens sicherlich nicht geschadet. Ähnliches gilt für John Travolta, der Schauspieler wurde als Gif-Mem "Confused Travolta" plötzlich zum Internetphänomen, in dem er irritiert aus einem leeren Geldbeutel herauslugte und ebenso irritiert vor US-Wahlergebnissen umherblickte. "Confused Travolta" ist das einzige wirklich bedeutungsvolle Mitmach-Mem geblieben.
Und dafür gibt es Gründe: "Ich glaube, das hängt damit zu sammeln, dass ein Foto, das bekannt ist und bei dem man den Text per Mem-Generator schnell austauschen kann, schneller erstellt werden kann, als ein drei oder vier-Sekunden Gif, wo man erst recherchieren muss, was dann nicht so verbreitet ist und das dann zu machen.
Viele Leute denken auch, dass Gifs zu erstellen wesentlich schwerer ist als ein Bild zu erstellen. Ich habe das auch in meinen Schulungen immer und zeige dann den Leuten wie schnell das geht, ein Gif zu erstellen und die sind dann immer sehr überrascht. Das sind Leute, die sich meistens auch sehr gut auskennen mit Bildbearbeitungsprogrammen, die aber nicht wissen, dass man bewegte Bilder in der Form auch relativ schnell so erstellen kann."
Gut möglich also, dass Gifs in Zukunft sogar noch relevanter werden in unserer Kommunikation, sobald sich herumgesprochen hat, wie einfach man Gifs erstellen kann.