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Neu am Schauspiel Dresden: "Was tun"

Barbara Bürk ist erfahrene Hübner-Regisseurin, und Dresden selbst ist regelrecht "Hübner"-Stadt. Für Hübner gilt dasselbe wie für VW – er läuft und läuft und läuft. Vier seiner Stücke stehen aktuell in Dresden auf dem Spielplan. Das fünfte, die Uraufführung von "Was tun" – ohne Fragezeichen, ohne Ausrufezeichen – hat Hartmut Krug für uns gesehen.

Von Hartmut Krug | 08.10.2012
    Zwei Paare machen sich gemeinsam einen netten Abend. Die Männer sind beste Freunde. Doch der Gast hat eine neue Lebensgefährtin mitgebracht, und nun tastet man sich im Small Talk aneinander heran. Die Hausherrin will anschließend noch zu einem privaten Literatursalon, und ihr Mann muss mit. Die Gäste haben anschließend auch noch etwas vor: Sie wollen in einen Swingerklub. Ein Schock für die Hausherrin, für die Sex etwas Privates ist. Die Diskussion führt einerseits zum Ehekrach, weil ihr Mann sie als empfindlich, prüde und spießig bezeichnet, und andererseits zum Rauswurf der Gäste.

    Szenenwechsel: Auseinandersetzung zwischen einem gescheiterten Schauspieler und seinem älteren Lebenspartner, einem Zeitungsredakteur. Die beiden stehen vor dem in der vorigen Episode angesprochenen Literatursalon, und der Schauspieler, der mit einem Hofmannsthal-Hörbuch erfolgreich war, will nicht schon wieder rezitieren. Er hat Lampenfieber und flüchtet aus Protest. In den Swingerklub. Wo er das Paar aus der ersten Szene trifft, in ein Hotelzimmer einlädt und eigentlich nicht weiß, was er will. So kommt er mit der Frau auch ins Gespräch:

    Judith: "Ich glaube, du arbeitest am falschen Problem. Und du tust dir Leid."
    Hanno: "Entschuldigung."
    Judith: "Und hör endlich auf, dich dauernd zu entschuldigen. Warum nimmst du alles, was du sagst, sofort zurück?"
    Hanno: "Weil ich mir nicht sicher bin."
    Judith: "Bei was?"
    Hanno: "Bei mir. Ich bin mir meiner nicht sicher. Sagt man das so?"
    Judith: "Und was meinst du damit?"
    Hanno: "Ich bin falsch in meinem Leben."

    Hübners Stück heißt "Was tun." Ohne Satzzeichen, denn das ist keine Frage, sondern eine Beschreibung. Man tut irgendwas. Doch die Figuren in dieser lockeren Szenenfolge geraten bei ihrem selbstverständlichen Tun in
    unvorhergesehene Situationen: An die Stelle ihrer Handlungssicherheit treten orientierungslose Verunsicherung und Angst vor Nähe.
    Im Programmheft wird viel Theoretisches und Literarisches über narzisstische Störungen, über Begegnungen und Unglücklichsein aufgefahren. Doch Hübners Stück, das nicht zu seinen besseren gehört, duckt sich unter all diesen Erklärungen leichthin weg. Gebaut als verzahnte Episoden-Komödie (Andreas Dresens Film "Nachtgestalten" lässt grüßen), zeigt es allzu eindimensionale Figuren. Wenn die auf ihrem Weg zum alltäglichen Glück verunglücken, ist dies kaum tragisch, immer aber bühnenwirksam komisch. Zuweilen aber gelingen dem Autor auch Figuren, in deren Reden und Tun gesellschaftliche Haltungen deutlich werden. So in der Episode mit dem Gewerkschaftsveteran. Der hat zu einer Pressekonferenz mit einer Altenpflegerin eingeladen, die Missstände an ihrer Arbeitsstelle öffentlich gemacht hat, deshalb gefeuert wurde und auch vor Gericht unterlag. Doch außer einer Praktikantin kommt niemand. Und die denkt ganz anders als der aus der neuen Zeit gefallene alte Kämpfer. Zwei Generationen stoßen aufeinander:

    Karl: "Du wirst es weit bringen."
    Lusie: "Danke."
    Karl: "Ich war in deinem Alter noch nicht soweit. Keiner. Es war eine andere Zeit. Ihr seid heute so selbstsicher. Nüchtern. Nein, das trifft es nicht. Abgeklärt. Das ist es. Und das macht mir Angst. Das Abgeklärte."

    Abgeklärt aber ist hier eigentlich sonst keiner. Und auch in Abgründe schaut man nicht. Nur manchmal in Kühlschränke und Minibars, - worauf eine dunkle Musik ertönt und die Darsteller in albern bedeutungsvoll bedeutungslose Zuckungen verfallen:

    Regisseurin Barbara Bürk setzt vor allem auf das kabarettistische Potenzial von Hübners Figurenparade, und ihr großes Ensemble malt die Figuren mit liebevollem Witz aus. Man schaut den guten Schauspielern gern zu, doch, oder denn, weh tut hier nichts.

    Manchmal entgleist der Abend sogar in die Komödien-Klamotte. Denn der Regisseurin hat es die Komik der Lackstiefel und Fetisch-Klamotten in den Swinger-Szenen angetan. Wenn da ein Schauspieler seinen nackten Po im Stringtanga ins Publikum reckt, dann juchzt dieses. Der Schlussapplaus aber uferte zu Recht nicht sonderlich aus.