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Neue Ansätze im Kampf gegen SARS

Anderthalb Jahre sind seit dem ersten Ausbruch des "Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms" (SARS) vergangen. Anderthalb Jahre in denen bislang weltweit etwa 8.500 Fälle dieser lebensgefährlichen Lungenkrankheit bekannt geworden sind. In Lübeck trafen sich jetzt erstmals rund 300 Wissenschaftler zu einer umfassenden internationalen "SARS-Konferenz". Dabei ging es um den aktuellen Stand der Forschung und über Möglichkeiten zur Behandlung und Vorbeugung.

Von Michael Wieczorek | 11.05.2004
    Im Kampf gegen das SARS-Virus haben die Mediziner noch nicht genug in der Hand, meint Prof. Rolf Hilgenfeld vom Institut für Biochemie der Universität Lübeck:

    Eigentlich ist es nach wie vor so, dass wenn SARS-Patienten, wenn sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden, behandeln wir sie wie wir Pest-Patienten behandelt hätten vor 400 Jahren, d.h. totale Isolation.

    SARS ist noch lange nicht besiegt. Das zeigt nicht zuletzt der aktuelle Fall in Peking. Dort haben sich ausgerechnet zwei Mitarbeiter eines Instituts für Virusforschung infiziert. Zwar soll es aus mangelnden Sicherheitsvorkehrungen heraus passiert sein. Ein anderer Grund aber könnte in den Tücken des Virus selbst liegen. Das SARS-Virus gilt nämlich als besonders widerstandsfähig und wandelbar:

    Dieses Virus ist sehr stabil. Man hat das Virus gefunden in Luftfiltern in der U-Bahn von Hong Kong und man weiß, dass es auf Plastikoberflächen mehrere Tage überleben kann, das ist ungewöhnlich für Viren. Z.B. das AIDS-Virus HIV ist längst nicht so stabil.

    Das besonders Tückische an diesem Virus sei, dass es nicht nur die Lunge befällt. SARS gilt mittlerweile als eine systemische Krankheit, d.h. das Virus befällt auch andere Körperorgane wie die Nieren oder das Gehirn. Seit Neuestem ist bekannt, dass es auch in den Schweißdrüsen vorkommt. Mediziner müssen daher mehr Infektionswege in Betracht ziehen als bisher:

    Das Virus ist auch deswegen tückisch, weil es sich verändert. Es passt sich an der Situation in der jeweiligen Umgebung. Wir wissen ja, dass das Virus von einem Tier kommt – wir wissen noch nicht, welches Tier die ursprüngliche Quelle ist – aber es ist klar, dass das Virus zunächst bei der Übertragung von den Tieren auf den Menschen im Herbst 2002 nicht sehr infektiös war und die ersten Betroffenen haben es zum größten Teil überlebt!

    Zu seiner aggressivsten Form ist SARS erst im menschlichen Körper mutiert. In den ersten infizierten Personen liegt daher ein Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente:

    Man findet Antikörper gegen das SARS-Virus in Personen, die offenbar mit ihm in Berührung gekommen sind, z.B. viele der Händler auf den Tiermärkten in Südchina, die haben Antikörper gegen das SARS- Coronavirus und sind offenbar geschützt. Die haben sich das Virus natürlich eingefangen von diesen Tieren, z.B. dem Larvenroller, die dort verkauft werden.

    Viel mehr wissen die ca. 200 Forscher aus aller Welt, die nach Lübeck angereist waren, erst einmal nicht. Dennoch wird rund um den Globus versucht, dem Virus auf die Schliche zu kommen. Einen ersten großen Schritt machten die Lübecker Wissenschaftler im vergangenen Jahr. Ihnen gelang es, den Bau des Schlüsselenzyms aufzudecken, die Protenase, die die Bausteine für das neue Viruspartikel zurechtschneidet und so die Vermehrung des SARS-Virus möglich macht. Ein Grund, warum nun Lübeck zum internationalen Tagungsort avancierte:

    Wir selber haben ja im Mai 2003 einen ersten Hemmstoff vorgeschlagen und in der Tat zeigte sich, dass dieser eine Anti-SARS-Aktivität hat (in Zellkultur) und der wird jetzt in der Pharmaindustrie verbessert und könnte durchaus zu einem Medikament werden...

    ...könnte! Denn es klingt makaber, aber die Bemühungen könnten schlicht daran scheitern, dass 8500 SARS-Fälle, von denen gerade mal 800 tödlich ausgingen, noch lange kein Markt für die teure Entwicklung neuer Medikamente sind. Ganz anders z.B. Grippe, an der in Deutschland im Winter ’95 etwa 30.000 Menschen starben. Trotzdem ist die Furcht vor SARS größer und das steigert den Forschungseifer:

    Man hat gewisse Erfolge bei der Behandlung mit Interferon, man gibt Steroide, um das Immunsystem herunter zu regulieren, weil ein Großteil des Schadens in der Lunge wird gar nicht durch das Virus selber verursacht, sondern durch das Überschießen der Entzündungsreaktion. In den USA hat man es geschafft, in Mäusen eine Immunantwort zu erreichen. Auch einige Erfolge aus der traditionellen chinesischen Medizin – wir kooperieren mit einem Kollegen in Schanghai, der über eine solche Substanzbank verfügt mit 45.000 Stoffen aus der traditionellen chinesischen Medizin.

    Noch sind es viele erste Ansätze, keine fertigen Medikamente. Dennoch: Sie lassen hoffen.