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Neue App im Corso-Test
"Resi News" liefert Nachrichten im Chat-Format

Die heißesten Neuigkeiten von Freunden gibt es im Messenger-Chat über WhatsApp, Telegram oder Threema - nun kommen journalistische Nachrichten aus der Welt dazu. Die App "Resi News" verbindet Chatten und Informieren – doch das überzeugt nicht immer.

Von Michael Meyer | 10.08.2016
    Nachrichten ganz entspannt: "Resi News" will vor allem junge Nutzer mit Meldungen ansprechen
    Ein Jugendlicher betrachtet Inhalte auf seinem Smartphone. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    "Resi News": Hey – hier sind die neusten News: Hast du gestern die Geschichte von dem Chinesen mitgekriegt, der eigentlich als Urlauber in Deutschland war, dann aber fälschlicherweise zum Flüchtling wurde?
    Nutzer: Nein – wovon sprichst du?
    "Resi News": Die Dülmener Zeitung hatte gestern als erstes über den Fall berichtet, und damit eine Welle an viralen Facebook-Posts losgetreten. Zu schön klingt die Idee, dass ein einfacher Tourist in den Mühlen des deutschen Asylsystems steckenbleibt.
    Nutzer: Ja, und?
    "Resi News": Das Dumme ist: Die Geschichte stimmt so offenbar nicht ganz. Die Rhein-Neckar-Zeitung recherchierte einfach mal, und fand einige Unstimmigkeiten.
    Nutzer: Welche denn?
    "Resi News": Der Chinese soll zum Beispiel nicht fälschlicherweise einen Asylantrag ausgefüllt haben, weil er den Fragebogen falsch verstanden hat. Stattdessen füllte er ihn mit einem Dolmetscher aus.
    So klingen Nachrichten auf "Resi News", der App mit Meldungen im Chat-Format, wie etwa beim Messanger-Dienst "WhatsApp" – nur mit dem Unterschied, dass hier alles in Pink und nicht in Grün gestaltet ist. Wem Nachricht nicht gefällt, der klickt weiter auf den Button:
    Nutzer: Gibt’s sonst noch News?
    Die Macher von "Resi News" peppen die Nachrichten-Konversation auf mit vielerlei GIFs - kurzen Bewegtbildern, die mal lustig, mal weniger lustig daherkommen. "Nachrichten, die Spaß machen", so das Motto der App. Und so kommen die Meldungen auch daher: Wenn von Sigmar Gabriels manchmal etwas eitlem Verhalten die Rede ist, sieht man in einem GIF einen jungen Tänzer posen. Wenn es um die steigende Zahl abgelehnter Asylbewerber geht, zeigt der Clip einen Mann, der eine junge Blondine schubst. Diese GIFs wirken zum Teil peinlich und aufgesetzt, aber sie sollen die optische Aufmachung der News eben interessanter machen.
    "Für Leute, die ein leichtes Interesse an News haben"
    "'Resi' eignet sich jetzt nicht für Leute, die ein Thema bis zum Letzten durchdringen wollen", sagt Martin Hoffmann. Er war früher Leiter der Social-Media-Redaktion von welt.de und hat die Nachrichten-App entwickelt. "'Resi' ist eher ein Anknüpfungspunkt für Leute, die ein leichtes Interesse an News haben, die mitreden wollen: Worum geht es da draußen in den Gesprächen zwischen anderen Leuten? Aber es ist jetzt keine Sache, die man mit einem "Zeit"-Dossier vergleichen kann – also für das Eintauchen in ein Thema bis zum letzten Stück ist 'Resi' natürlich nicht geeignet, das ist glaube ich auch klar."
    Für richtige Info-Freaks sind solche Nachrichtenschnipsel nichts. Martin Hoffmann zielt auf Mediennutzer unter 25 Jahren: "Es gibt da draußen ganz, ganz viele Leute, die wenig Berührungspunkte mit Nachrichten haben, die schalten nicht abends die 'Tagesschau' ein, die haben keine Tageszeitung abonniert, die folgen nicht mehr in Social Media großen Medienmarken. Für genau solche Leute ist diese App gemacht."
    Conversational Journalism ist im Trend
    Eine Zielgruppe, die viele Medienmacher erreichen wollen. In den USA ging fast zur gleichen Zeit "Quartz" online, eine App, die ähnlich funktioniert wie "Resi News". Der einzige Unterschied ist, dass "Quartz" auch noch eine Website betreibt. Der so genannte Conversational Journalism ist im Trend. Doch wird sich dieser kommunikationsgesteuerte Journalismus durchsetzen? Christoph Raetzsch, Journalistik-Dozent an der Freien Universität Berlin, bezweifelt das:
    "Für mich sieht es im Moment so aus, als würde man einfach schauen, dass der Inhalt angeteast wird, dass er in immer kleinere Einheiten zerlegt wird und man auch versucht, mehr darüber zu erfahren: Was interessiert Nutzer? Macht natürlich auch immer die Gefahr auf, dass man sich zu sehr daran orientiert, was die Nutzer einem sagen, was sie wollen, was nicht unbedingt immer das sein muss, was auf lange Sicht dann auch erfolgreich ist. Für mich ist im Moment nicht erkennbar, ob daraus eine neue Form von Journalismus entsteht oder ob das letztlich nur ein neuer Vertriebsweg ist."
    "Resi News" und "Quartz" treiben das Konzept des Conversational Journalism zwar auf die Spitze – aber auch andere Nachrichtenformate gehen stark auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer ein: "heute+" beim ZDF etwa bezieht die Fragen seiner Zuschauer mit ein in die Sendung. In einem Live-Stream eine Stunde vor der Hauptausgabe um Mitternacht werden Zuschauer-Fragen zu aktuellen Themen erwähnt, diskutiert, gepostet – und manchmal auch in einem erklärenden Beitrag thematisiert.
    Der Nutzer rückt sehr stark in den Mittelpunkt
    Medienforscher Christoph Raetzsch sieht einen entscheidenden Vorteil von erklärendem, auf Interaktion setzendem Journalismus: Der Nutzer rückt sehr stark in den Mittelpunkt. "Ich denke schon, dass das auch Nutzer interessiert, die sonst vielleicht mit Nachrichten keine Berührungspunkte haben oder eben gar keine Sozialisation in dieser Form haben, die eben in digitale Medienumgebungen sozialisiert wurden, bevor sie jemals irgendein Nachrichtenmedium, abseits vom Fernsehen vielleicht, in der Hand hatten oder dem gefolgt sind."
    Das Fazit:
    "Resi News" ist mehr eine "Spaß-App", die Nachrichten unterhaltsam aufbereitet und Fragen beantwortet, die man sonst sich nicht traut, zu stellen. Die Meldungen werden stark vereinfacht, Hintergründe gibt es kaum. Als alleiniger Nachrichtenlieferant ist die App nicht geeignet. Wer aber Spaß hat an einer anderen, manchmal durchaus auch witzigen Art, Neuigkeiten aus der Welt zu erfahren, sollte die App ausprobieren.