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Neue Elemente durch Kernfusion
Nachspielen, was im Inneren von Sternen passiert

Chemische Elemente entstehen im Inneren von Sternen wie unserer Sonne. Durch Kernfusion werden leichte Kerne dort zu schwereren regelrecht zusammengebacken. Das lässt sich im Labor schwer nachspielen. Einige Forscher in Darmstadt haben es trotzdem gemacht.

Von Frank Grotelüschen | 01.07.2019
Das Innere eines verkupferten, röhrenförmigen "Unilateral-Beschleunigers" (Unilateral Accelerator), von Physikern schlicht UNILAC genannt, ist am 25.01.2013 bei der Gesellschaft für Schwerionen-Forschung (GSI) in Darmstadt zu sehen.
Teilchenbeschleuniger bei der Gesellschaft für Schwerionen-Forschung in Darmstadt (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
"Schauen Sie sich den Goldring an, den wir am Finger tragen – woher kommt das eigentlich?"
Vielleicht vom Juwelier? Nun – mit einer derart profanen Antwort gibt sich Christoph Langer nicht zufrieden. Der Physiker der Uni Frankfurt möchte wissen, wie Gold und auch andere schwere Elemente überhaupt im Universum entstehen konnten. Denn eines scheint klar: Ganz am Anfang kann es sie noch nicht gegeben haben.
"Wir wissen mittlerweile: Nach dem Urknall sind vor allen Dingen Wasserstoff und ein bisschen Helium entstanden. Alles was schwerer ist, muss später entstanden sein, viel später."
Elemente sind gebackener Sternenstaub
Grundsätzlich kennt die Fachwelt des Rätsels Lösung: Sauerstoff, Kohlenstoff, sämtliche Metalle – im Grunde sind sie purer Sternenstaub.
"In den Sternen finden kernphysikalische Prozesse statt. Was da passiert, sind Fusionsreaktionen von leichten Kernen, die immer mehr fusionieren und schwerere Atomkerne entstehen lassen."
Explodiert ein Stern am Ende seines Lebens, werden die frischgebackenen Elemente ins All geschleudert, wo sie dann neue Sterne bilden können – und auch Planeten wie die Erde. Wie aber läuft diese Elemententstehung im Detail ab, und stimmen die heutigen Theorien? Um das zu beantworten, bilden die Physiker die Elemententstehung im Labor nach: Mit Teilchenbeschleunigern schießen sie einen Strahl aus Atomkernen mit einiger Wucht auf eine Art Zielscheibe. Dabei treffen einzelne Atomkerne aufeinander, und die Fachleute schauen nach, ob sie – wie im Inneren eines Sterns – zu größeren Kernen verschmelzen.
"Sie brauchen wirklich sehr hohe Energien"
"Wenn wir das aufeinander schießen, passiert vielleicht einmal so eine Reaktion. Dafür brauchen wir hochkomplexe Anlagen, hochkomplexe Computer-Algorithmen, die das dann herausfischen können, und womit wir am Ende unsere Modelle anpassen können."
Allerdings ließen sich bislang längst nicht alle Fusionsreaktionen per Beschleuniger nachbilden, zumindest nicht effektiv. Der Grund:
"Um diese Strahlen herzustellen, brauchen Sie sehr hohe Energien – wirklich sehr hohe Energien. Im Stern finden diese Reaktionen aber bei viel geringeren Energien statt. Das heißt Sie müssen den Strahl erst beschleunigen, um ihn herzustellen, und ihn am Ende wieder ganz runterbremsen."
Xenon auf Wasserstoff geschossen ergibt Cäsium
Dieses Herunterbremsen war bislang ein Problem. Christoph Langer und seine Kollegen konnten es nun lösen – und zwar mit einem hundert Meter großen Ringbeschleuniger in Darmstadt. Ihn konnten die Fachleute so modifizieren, dass er von einem Be- zu einem Entschleuniger wurde – und zwar überaus effektiv.
"60 bis 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit, und dann gehen sie runter auf ein paar Prozent der Lichtgeschwindigkeit."
Damit konnten die Physiker eine bislang unbeobachtete Reaktion vermessen: Sie erzeugten einen Strahl aus Xenon-Kernen, bremsten ihn ab und schossen ihn auf Wasserstoff, auf Protonen. Das Resultat: Ab und zu schnappte sich ein Xenonkern eines der Protonen und mutierte zu Cäsium – ein Prozess, der auch im Inneren von Sternen auftreten dürfte. Jetzt wollen die Fachleute ihre neue Methode auch auf andere Elemente übertragen. Besonders interessant: Welche Rolle spielen radioaktive Kerne bei der Elemententstehung?
"In explosiven Szenarien wie Supernova-Explosionen oder in Neutronenstern-Verschmelzungen, dort werden vor allen Dingen radioaktive Kerne gebildet. Genau das wollen wir jetzt tun. Das ist bisher sehr wenig geschehen und experimentell sehr schwierig. Und der Speicherring bietet uns jetzt die Möglichkeiten, das zu machen."