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Neue Fallen für Kohlendioxid

Umwelt. - Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid verlassen ein herkömmliches Kohlekraftwerk jährlich in Richtung Atmosphäre. Abhilfe versprechen indes Anlagen, die das Klimagas abfangen und entsorgen. Doch so einfach geht in der Praxis nicht, wie der Wissenschaftsjournalist Jan Lublinski im Gespräch mit Uli Blumenthal berichtet.

26.03.2007
    Uli Blumenthal: Ein Weg, Kohlendioxidemissionen zu senken, sind Anlagen mit höherem Wirkungsgrad. Eine andere Vision, die gerade sehr en vogue ist, klingt noch zukunftsfähiger: die "abgasfreie" Kohleverstromung. Das bei der Verbrennung der Kohle freiwerdende Kohlendioxid wird aufgefangen und dann tief in der Erde oder unter dem Meeresgrund gespeichert. Doch Studien des Wuppertal Instituts für Klima, Energie und Umwelt und des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung zeigen, dass das Prinzip "Aus den Augen aus dem Sinn" auch bei Kohlendioxid nicht so einfach funktioniert. Vorgestellt und diskutiert werden die Ergebnisse gerade auf der 71. Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Regensburg. Herr Lublinski, wie funktioniert diese Abscheidung des Kohlendioxids?

    Jan Lublinski: Sie können hinter dem Kraftwerk einfach noch eine kleine Chemiefabrik bauen und dann kommen da die Rauchgase heraus. Dann machen Sie einen chemischen Prozess, eine so genannte Amin-Wäsche, und damit waschen Sie das Kohlendioxid heraus. Das kennt man aus der Verfahrenstechnik, hat es aber in großtechnischen Anlagen bislang nicht erprobt. Die zweite Möglichkeit ist das so genannte Oxy-Fuel-Verfahren. Da achten Sie einfach darauf, dass Sie in das Kraftwerk nicht nur Luft hinein blasen, sondern in erster Linie auch reinen Sauerstoff, weil dann der Rohstoff viel besser verbrennt. Am Ende haben Sie dann nur CO2 im Wasser, das können Sie leichter auftrennen. Das ist eine Technologie, die jetzt in Schwarze Pumpe südlich von Berlin zum Einsatz kommen soll. Dort baut die Firma Vattenfall das erste Kraftwerk. Dritte Möglichkeit: Sie können schon vorher etwas tun, vor dem Kraftwerk, da können sie so eine Vorverbrennung machen und das Kohlendioxid teilweise schon vorher verbrennen. Dann vergasen Sie den Brennstoff und haben auch die Möglichkeit, das CO2 auf diese Weise in einem sehr komplizierten Prozess abzubrennen. Das wird teilweise schon eingesetzt, aber auch diese Technologie muss noch deutlich weiterentwickelt werden. Insgesamt muss man sagen, dass es ein richtiges CO2-freies Kraftwerk so nicht gibt. Im Moment ist man soweit, dass man 70 Prozent etwa abtrennen kann. Sie können keinesfalls alles CO2 abtrennen. Und dann ist immer noch die Frage, mit dem, was Sie abgetrennt haben, was machen Sie damit. Dieses CO2 müssen Sie unter die Erde pumpen. Auch das ist nur eine mittelfristige Lösung, wenn man das tatsächlich schafft, das CO2 unter Tage zu lagern.

    Blumenthal: Wie sieht die Energiebilanz eines CO2-reduzierten Kohlekraftwerks aus?

    Lublinski: Ein Braunkohlekraftwerk heute hat einen Wirkungsgrad von 45 Prozent, ein Gaskraftwerk etwa 60 Prozent. Das ist das Verhältnis von der Energie, die ich heraus bekomme im Verhältnis zu der Energie des Rohstoffes. Das reduziert sich natürlich, wenn ich CO2 abscheide, weil ich ja Energie reinstecken muss, um das CO2 herauszuholen. Das sind dann zehn Prozent, die ich dann verliere. Das heißt, ich muss deutlich mehr oder größere Kraftwerke bauen, um das wieder aufzufangen. Eigentlich ist die Entwicklung der letzten Jahre, die sehr viel gebracht hat an Wirkungsgrad, wird dadurch wieder aufgehoben, weil wir jetzt das CO2 abscheiden müssen. Das Ganze lohnt sich trotzdem für die Energieversorger, weil sie über das Kyotoprotokoll durchaus Geld verdienen können, indem sie CO2 abscheiden, dadurch, dass es einen Handel mit Verschmutzungsrechten gibt, den Emissionshandel. Und dann kann sich das Ganze tatsächlich lohnen.

    Blumenthal: Wie ist dann die Diskussion um Verhältnis neue Dinosaurier respektive Kohlekraftwerk oder Förderung der erneuerbaren Energien? Wie sieht die Bilanz lang- und mittelfristig für ein CO2-reduziertes Kraftwerk aus?

    Lublinski: Dazu muss man vielleicht erst einmal sagen, für Deutschland kommt die Technologie eigentlich ein Stück zu spät. Unsere Kraftwerke müssen bis 2020 erneuert werden, zumindest ein großer Teil, und bis dahin werden vermutlich die ersten Pilotanlagen laufen, aber die anderen Kraftwerke werden längst neu gebaut sein, und dann kann man da auch nicht mehr viel bewegen. Wichtig ist die Technologie jetzt erst einmal mittelfristig für andere Länder wie China zum Beispiel, wo man da unmittelbar CO2 einsparen könnte. Die Studie des Wuppertal-Instituts und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart und auch des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung macht jetzt sehr langfristige Rechnungen auf bis 2050: angenommen, wir wollen da 80 Prozent reduzieren an CO2, dann kommen die zu dem Ergebnis, dass es durchaus sinnvoll sein kann, in einer Kombination mit erneuerbaren Energien diese Technologie einzusetzen.