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Die Schrecken der Massengräber

Über Leichen geht ein kolumbianischer Clan in „Birds of Passage – Das grüne Gold der Wayuu“. Der Animations- und Dokumentarfilm „Another Day of Life“ erinnert an die Toten der Dekolonisation in Angola. „Friedhof der Kuscheltiere“ ist zum 30. Jubiläum eine weitere Neuverfilmung des Stephen-Kings'-Buchs.

Von Jörg Albrecht | 03.04.2019
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"Friedhof der Kuscheltiere" - vor 30 Jahren spielte Fred Gwynne die Rolle des Jud Crandall in der ersten Verfilmung von Regisseurin Mary Lambert (imago stock&people (United Archives))
Am Anfang ein Initiationsritus. Das indigene Volk der Wayuu aus dem Norden Kolumbiens feiert nach jahrhundertealter Tradition den Wandel eines Mädchens zur Frau. Zaida, die Tochter von Clanchefin Úrsula – die Wayuu sind matriarchal geprägt – Zaida kann jetzt verheiratet werden. Mit dem eher mittellosen Rapayet gibt es auch schon einen Bewerber, den Úrsula allerdings für ungeeignet hält. Doch sollte Rapayet den geforderten Preis für die Braut zahlen können, steht der Hochzeit nichts im Wege.
Úrsula: "Weißt du, warum man mich respektiert?"
Rapayet: "Weil du mit den Träumen sprichst."
Úrsula: "Nicht deshalb. Weil ich für meinen Clan und meine Familie zu allem fähig bin. Selbst wenn du das Brautgeld zusammenbringst – die Geister werden mich vor dir warnen."
Vergleiche mit Francis Ford Coppolas "Der Pate"
Zur Überraschung von Úrsula wird Rapayet die hohen Forderungen aber erfüllen können. Möglich gemacht hat dies ein Geschäft mit einer Gruppe von US-amerikanischen Touristen. Rapayet und sein bester Freund haben den Hippies 50 Kilogramm Marihuana verkauft.
Rapayet: "Sieh dir das an, Rafa, es ist ein Wahnsinnsgeschäft! Marihuana ist das Glück der Welt."
Rafa: "Nicht der Welt. Ihr Glück."
In "Birds of Passage – Das grüne Gold der Wayuu" schildern die kolumbianischen Regisseure Cristina Gallego und Ciro Guerra die Anfänge des organisierten Drogenhandels in ihrer Heimat, einige Jahre vor den Aktivitäten der berüchtigten Cali- und Medellín-Kartelle.
Die Handlung, die im Jahr 1968 einsetzt, wird sich über mehr als ein Jahrzehnt erstrecken, was ihr epische Züge verleiht und völlig zu Recht Vergleiche mit Francis Ford Coppolas "Der Pate" eingebracht hat. "Birds of Passage" erzählt in teils dokumentarischen, teils surrealen Bildern vom Aufstieg und Niedergang einer Familie, von Gier, Loyalität und Verrat. Auf beeindruckend kraftvolle Weise verschmelzen hier Motive des Gangsterdramas und Westerns mit Einblicken in die indigene Kultur der Wayuu, insbesondere in deren Totenkult.
"Birds of Passage – Das grüne Gold der Wayuu": empfehlenswert
"In Angola wird ein neues Afrika geboren. Ausgeschlossen, dass ich da nicht dabei bin."
Von dort - wo Mitte der 1970er-Jahre als Folge der Entkolonialisierung gerade ein ganzes Land in einen Bürgerkrieg stürzt - von dort will Ryszard Kapuściński über die Hintergründe des Konflikts berichten, in den sich längst auch die Weltmächte eingemischt haben. Und das nicht aus der noch halbwegs sicheren Hauptstadt Luanda. Der polnische Journalist, der 2007 gestorben ist und auf dessen Erlebnissen der Film basiert, will in den Süden Angolas reisen – direkt an die Frontlinie der verfeindeten Parteien. Unterstützung erhofft sich Kapuściński dabei von einem angolanischen Freund.
"Ich brauche keine Genehmigung, wenn du mich dahin bringst."
"Du bist absolut verrückt."
"Ist mein voller Ernst, mein Freund."
"Da unten kann man Freund und Feind nicht unterscheiden. Die tragen nämlich nicht mal Uniformen. Das ist wie russisches Roulette, Ricardo."
"Komm mit mir, Artur!"
Eine ungewöhnliche Mischung
Diese und alle anderen Spielszenen in "Another Day of Life" von Raúl de la Fuente und Damian Nenow sind animiert. Die Trickpassagen, die den größten Teil des Films ausmachen, werden immer wieder durch dokumentarisches Material und Interviews mit Kapuścińskis damaligen Weggefährten ergänzt. Diese ungewöhnliche Mischung hat ihren Reiz. Verhandelt werden die Rolle eines Journalisten in Krisengebieten und die Grenzen der objektiven Berichterstattung. Zu sehr allerdings wird aus Kapuściński, der übrigens immer mehr vom Reporter zum Literaten und Erzähler geworden ist, eine Filmfigur, die mit ihrem Abenteurergeist eher einem Werk aus Hollywood entsprungen sein könnte.
"Another Day of Life": zwiespältig
"Was ist los?"
"Es geht um Church."
"Vermuten wir, dass Church weggelaufen ist."
"Er ist letzte Nacht vor meinem Fenster gewesen."
"Vielleicht hast du das geträumt."
Doch Ellie träumt nicht: Ihre Katze Church ist zurückgekehrt. Aus dem Freigänger ist ein Wiedergänger geworden. Denn Church war mausetot. Ellies Vater Louis hat ihn selbst begraben auf dem "Friedhof der Kuscheltiere". Wie also ist es möglich, dass der Kater doch noch lebt? Die Antwort hat der freundliche ältere Herr von nebenan, der von einer dunklen Macht zu berichten weiß.
"Da draußen ist etwas. Etwas, das Dinge zurückbringt."
Grelle Effekte statt Einblicke in die Psyche
Allerdings verändert. Aus dem Miezekätzchen ist ein aggressiver, fauchender Stubentiger geworden. Nur wenig später wird Ellie von einem Lastwagen tödlich erfasst. In seiner Trauer und Verzweiflung fasst Louis einen folgenschweren Entschluss.
"Es ist keine dieser üblichen Gruselgeschichten."
Doch, genau das ist "Friedhof der Kuscheltiere" leider: eine gewöhnliche Gruselgeschichte mit den schon aus der ersten Verfilmung bekannten Zutaten, aber immerhin besseren Darstellern. Statt in die Psyche der von Trauer und Hilflosigkeit gezeichneten Figuren vorzudringen, dominieren hier eindeutig die grellen Effekte. Die sind aber wenigstens unterhaltsam.
"Friedhof der Kuscheltiere": akzeptabel