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Heimlicher Dreh in Teheran

Zum ersten Mal kommt diese Woche ein Film des iranischen Regisseurs Mohammad Rasoulof in Deutschland ins Kino. "Manuscripts Don't Burn" ist ohne staatliche Genehmigung entstanden und zum großen Teil heimlich in Teheran gedreht worden. Auch neu im Kino: die Beziehungskomödie "Dating Queen" und die Dokumentation "ThuleTuvalu".

Von Jörg Albrecht | 12.08.2015
    Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof auf dem 66. Filmfestival von Cannes
    Mohammad Rasoulof hat mit "Manuscripts Don't Burn" einen beklemmend intensiven Politthriller gedreht. (picture alliance / dpa / Sebastien Nogier)
    "Manuscripts Don't Burn" von Mohammad Rasoulof
    "Wo ist es?", fragt der Mitarbeiter vom iranischen Geheimdienst. Gemeint ist das Manuskript eines Schriftstellers, das er bei dem Mann vermutet, den er und ein Kollege in ihre Gewalt gebracht und verschleppt haben. Als der Entführte antwortet, dass er nichts von einem Manuskript wisse, machen die beiden Agenten Ernst. Sie stülpen ihm eine Plastiktüte über den Kopf.
    So drastisch und direkt hat es bislang noch kein iranischer Filmemacher gewagt, die Folter, Morde und Einschüchterungsmethoden des Regimes in Teheran gegenüber kritischen Künstlern zum Gegenstand eines Spielfilms zu machen. "Manuscripts Don't Burn" erzählt keine parabelhafte Geschichte, ist kein Film, der mit dem Stilmittel der Allegorie arbeitet und sein eigentliches Thema verschleiert. Regisseur Mohammad Rasoulof legt aber nicht nur schonungslos die Machenschaften der iranischen Führung und ihrer Handlanger offen. Er beschwört auch den ungebrochenen Widerstand der Regimekritiker, die trotz der Repressalien nicht aufgeben.
    Er wolle - so einer der Autoren - sein Buch unbedingt veröffentlichen. Auch ohne Genehmigung. Und das nicht im Internet, sondern als gedruckte Ausgabe. Er wolle es anfassen, er wolle spüren, dass es lebt.
    Das gilt auch für Mohammad Rasoulofs Film. Dem Regisseur ist ein beklemmend intensiver Politthriller gelungen, der keine Effekthascherei benötigt, um zu erschüttern. Einzige Kritik: Manchmal - in den Gesprächen der Intellektuellen - hätten es auch ein paar weniger deutliche und belehrende Worte getan.
    Um seine Darsteller und die Filmcrew zu schützen, hat Mohammad Rasoulof darauf verzichtet, ihre Namen zu nennen. Wenn der Abspann läuft, bleibt die Leinwand schwarz.
    "Manuscripts Don't Burn": empfehlenswert
    "Dating Queen" von Judd Apatow
    "Ich habe heute Nacht bei dem Arzt geschlafen. - Oh mein Gott! Warst du komatös besoffen, oder so? - Nein, das ist ja die Sache. Ich war so was von nüchtern. - Also du hast minimal getrunken? - Kaum was."
    Sonst schaut Amy tiefer ins Glas, wenn sie sich auf die Jagd nach One-Night-Stands macht. Die Journalistin für ein Männermagazin ist ein überzeugter Single. Schon als Kind ist ihr vom Vater eingetrichtert worden, dass Monogamie unrealistisch sei.
    Geschichten, die von Frauen handeln, die sich anfangs nicht binden wollen, nur um am Ende dann doch vor dem Traualtar zu landen, gibt es wie Sand am Meer. Geschichten über Frauen, die kräftig bechern, derb über Sex reden und keinen Kerl von der Bettkante stoßen, sind dagegen eine Seltenheit auf der Leinwand. An den sterilen und letztlich verlogenen sogenannten romantischen Komödien mit austauschbaren Hollywood-Schönheiten aber hat der Filmemacher Judd Apatow kein Interesse. In der Schauspielerin und Komikerin Amy Schumer hat Apatow die perfekte Verbündete gefunden. Sie spielt die Hauptrolle in "Dating Queen" und hat auch die Idee zu dem Film gehabt.
    "Wollen wir zwei heute zu Abend essen? ... Ich schreibe über dich. Du bist mein Thema. Ich glaube, es ist besser, wir verhalten uns ab jetzt professionell. - Okay. Wir sollten uns öfter sehen. Wir fühlen uns zueinander hingezogen."
    Das muss sich auch Amy eingestehen, als sie auf Aaron trifft und sich die erste Beziehung ihres Lebens anbahnen könnte. Judd Apatow und Amy Schumer zelebrieren genüsslich das Spiel mit Rollenbildern und -klischees in einer raschen Folge von mal mehr, mal weniger witzigen Szenen. Das hat oft nicht mehr als Sketch-Charakter. Und daraus, dass der hedonistische Lebenswandel der antiromantischen Heldin das Ende des Films nicht erleben wird, braucht gar nicht erst ein Geheimnis gemacht zu werden.
    "Dating Queen": akzeptabel
    "ThuleTuvalu" von Matthias von Gunten
    Wegen des veränderten Klimas habe sich die Jagd verändert. Die Tiere kämen nicht mehr in denselben Monaten wie früher. Sie passten sich an. Deshalb müssten auch sie sich anpassen. Die Frage sei nur, ob sie das können.
    Lars ist 65 und Jäger. Der vierfache Vater kommt aus Thule im Norden Grönlands. Am anderen Ende der Welt - im Inselstaat Tuvalu mitten im Pazifik - lebt der 42-jährige Fischer Patrick. Ein gemeinsames Schicksal verbindet sie miteinander - die beiden Männer und Orte, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Es ist der Klimawandel, dessen Folgen die Bewohner von Thule und Tuvalu als erste spüren werden.
    Patrick erinnert sich, wie er zum ersten Mal vom Klimawandel gehört habe, als er noch zur See gefahren ist. Jemand habe zu ihm gesagt, dass Tuvalu das Land sei, das als erstes von einem Anstieg des Meeresspiegels betroffen wäre. Damals habe er das nicht glauben können.
    In Grönland schmilzt das Eis und Tuvalu droht im Meer zu versinken. So bedroht die Erderwärmung vor allem die Menschen, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Anders als in dem von Fakten dominierten Film "Eine unbequeme Wahrheit" nähert sich der Schweizer Matthias von Gunten dem Thema Klimawandel emotional. Er lässt in seiner eindringlichen und berührenden Dokumentation die Bilder und vor allem die Menschen sprechen.
    "ThuleTuvalu": empfehlenswert