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Im Verborgenen und Dunklen

„Colette“ und „Die Frau des Nobelpreisträgers“ sind Porträts von Künstlerinnen, die besser als ihre Männer sind, aber dennoch in deren Schatten leben - zumindest bis zur Revolte. Von der Revolte eines irischen Kriegsheimkehrers gegen die Briten im Jahr der irischen Hungersnot 1847 erzählt „Black 47“.

Von Hartwig Tegeler | 02.01.2019
    Denise Gough und Keira Knightley im Film Colette
    Denise Gough (l.) und Keira Knightley im Film "Colette" (imago stock&people)
    Der Ehemann und Verleger, Pseudonym "Willy", hat ein Problem:
    "Wir müssen mehr produzieren."
    Aber auch eine Idee:
    "Du, du könntest schreiben?!"
    "Meine Schulgeschichten?"
    "Das wäre dann Willys nächster Roman."
    Und so schreibt seine Gattin Sidonie-Gabrielle Colette – gespielt von Keira Knightley - von 1896 an die "Claudine"-Bestseller, ohne dass ihr Name als Autorin auftaucht.
    "Auf Claudine!"
    Ein sattes Bild des Fin de Siècle in Paris
    Doch mit dem immer größer werdenden Erfolg wird die aus dem ländlichen Frankreich stammende junge Frau im turbulenten Paris der Wende zum 20. Jahrhundert Teil der intellektuellen Elite. Und sie emanzipiert sich immer mehr von ihrem Ehemann. Der Film "Colette" erzählt von einer Bestseller-Autorin, die – wie eine Freundin sagt – etwas ganz Besonderes erschaffen hat:
    "Sie haben etwas Bedeutsames getan, denn Sie haben einen neuen Typus erfunden, denn Sie haben all den jungen Mädchen zwischen Kind und Frau-Sein eine Stimme gegeben. Sie sollten sich dazu bekennen."
    Wash Westmorelands Film ist frei von der Biopic-Unsitte, das Leben einer Person von Datum zu Datum abzuhaken. Ohne sich im Dekor zu verlieren, zeichnet "Colette" ein sattes Bild des Fin de Siècle im Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Und Keira Knightley spielt die junge, wilde, sinnliche und freiheitsliebende Colette wunderbar sinnlich und nachdenklich, sexy und klug.
    "Colette" von Wash Westmoreland – herausragend.
    In Björn Runges Film "Die Frau des Nobelpreisträgers" bekommt Joan, die brillant schreibt, als junge Schriftstellerin von einer Freundin Grundsätzliches zu hören:
    "Lassen Sie es."
    "Wie bitte?"
    "Wissen Sie, wo Ihre Bücher landen werden?"
    Im Mülleimer. Und Joan lässt es: das Schreiben. Zumindest scheint es so. Am Anfang dieser Geschichte klingelt das Telefon. Stockholm ist dran. Die Akademie. Joe Castleman – gespielt von Jonathan Pryce – bekommt den Literatur-Nobelpreis verliehen. Mit Sohn und Frau Joan reist der Frischgebackene zur Preisverleihung:
    "Ohne diese Frau wäre ich nichts."
    Und betreibt auf Partys Konversation. Doch nach diesem Satz hier ...
    "Oh, meine Frau schreibt, Gott sei Dank, nicht."
    ... bröckelt die Fassade der harmonischen Schriftsteller-Ehe. Und langsam offenbart sich in Björn Runges Film das Geheimnis, das die Ehe zwischen dem Schriftsteller und seiner Frau seit Jahrzehnten prägte. seitdem sich Joe und Joan in den 1960er-Jahren kennenlernten. Er einigermaßen erfolgreicher Schriftsteller; sie seine begabte Studentin. Später wird sie jemand fragen:
    "Wollte er, dass Sie weiterschreiben?"
    "Ja, aber wie gesagt habe ich mich dazu entschlossen, es nicht zu versuchen."
    Emanzipation von alten Vorstellungen
    Doch jetzt funktionieren die alten Lügen nicht mehr. Auch, weil die unerträgliche Gier ihres Mannes, gelobt und geliebt zu werden, bei Joan das Fass zum Überlaufen bringt. Joan als alte Frau wird grandios gespielt von Glenn Close; die junge Joan von Annie Starke, ihrer realen Tochter. Was für ein Besetzungsglück für Regisseur Björn Runge, der ein differenziertes und eindrucksvolles Porträt einer Frau zeichnet, die im Schatten des Erfolges ihres Mannes lebt. Aber, nun ja, belassen wir es bei Joes merkwürdig verlogenem und gleichzeitig realem Satz:
    "Ohne diese Frau wäre ich nichts."
    Wie Wash Westmorelands Film "Colette" geht es auch bei Björn Runge um die Emanzipation von alten Vorstellungen und darum, dass Joan das alte Spiel, das sie Jahre freiwillig-unfreiwillig mitspielte, nun nicht mehr spielen will.
    "Die Frau des Nobelpreisträgers" von Björn Runge – herausragend.
    "Was ist mit den Kartoffeln passiert?"
    "Die Stengel vergilbten über Nacht. Der Acker wurde schwarz."
    Als der Deserteur Martin 1847 aus dem Krieg in Afghanistan in seine irische Heimat zurückkehrt, hat die Kartoffelfäule die Ernte vernichtet. Eine große Hungersnot ist ausgebrochen. Doch während Millionen Iren sterben, exportieren die britischen Kolonialherren große Mengen verbliebener Nahrungsmittel.
    "Jeder stirbt an Hunger. Und Sie wollen Ihr Korn verkaufen?"
    Das tut der britische Lord in Lance Dalys Film "Black 47". Martin will mit dem Rest seiner Familie in die USA auswandern, aber die britischen Herren machen ihm einen Strich durch die Rechnung:
    "Dies ist die finale Aufforderung, das Haus zu verlassen. Ihr Unterkunft wird unbewohnbar gemacht."
    Alte Wut zwischen Briten und Iren
    Nun nimmt Martin blutige Rache. Das Irland des 19. Jahrhunderts inszeniert Regisseur Lance Daly in seinem Film "Black 47" in einem kühlen Blaugrau; es wirkt ausgemergelt wie die Menschen, die hier verhungern. Um den blutigen Rächer zu fangen, heuern die Briten einen alten Kameraden Martins an. Damit versammelt "Black 47" viele Western-Motive und Bilder, aber die Geschichte, die Lance Daly in seinem dunklen Film erzählt, liefert keine Helden, die am Ende in den Sonnenuntergang reiten. Im Gegenteil – und das macht diesen dunklen Film so eindrucksvoll. Die einzige Hoffnung, die der sterbende Martin ausdrückt ...
    "Sich zu wehren bringt nichts. Geh nach Amerika."
    Ob sie tatsächlich das Zeug zu einer Utopie hat? Man merkt "Black 47" eine Wut an, die vom 19. Jahrhundert bis zum heutigen Tag das Verhältnis zwischen den Briten und den Iren prägt.
    "Black 47" von Lance Daly - bei uns als DVD, Blu-ray und Video-on-Demand herausgekommen - empfehlenswert.