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Lügen, Lebens- und Liebeswelten

Wenn John le Carré den Kalten Krieg oder danach die keineswegs weniger gefährliche globalisierte Welt unter dem Blickwinkel seiner Spione erkundet, ist Spannung garantiert. Das gilt auch für den jetzt verfilmten Roman "Verräter wie wir". Außerdem ab morgen zu sehen: Das Kino-Debüt von Bernadette Knoller, Tochter von Detlev Buck, und eine Parabel über das Liebesleben in Beirut.

Von Hartwig Tegeler | 06.07.2016
    Regisseurin Bernadette Knoller (Tochter von Detlev Buck) und Schauspielerin Inga Busch bei der Präsentation ihres Films "Ferien".
    Regisseurin Bernadette Knoller, Tochter von Detlev Buck, und Schauspielerin Inga Busch. (imago stock&people)
    Und dann denkt man, es kann nicht noch schlimmer kommen:
    "Oh Gott, was ist denn hier passiert? - Ja, mir ist eine tote Taube auf meine Waffel gefallen. - Das ist mir auch etwas peinlich, das ist mir noch nie passiert."
    Aber das mit der Taube ...
    "Kann ich mal eine Serviette haben?"
    ... passiert erst viel später in "Ferien", wenn Vivian, die angehende Staatsanwältin, schon auf die ostfriesische Insel Borkum geflohen ist. Auszeit, bloß Ruhe haben, keine Karriereanforderungen. Auf Borkum lernt Vivian ziemlich schräge Typen kennen, fängt an, wieder zu sich zu finden. Und dann taucht ihr Vater auf und damit der alte Druck. Du sitzt hier fest, sagt Papa zu Vivian.
    "Was will man denn hier machen? - Man kann hier eine Menge machen."
    "Ferien" hat eine wunderbare Besetzung: Detlev Buck, realer Vater von Regisseurin Bernadette Knoller, ist im Film Vater von Hauptfigur Vivian. Die wird gespielt von Britta Hammelstein, bekannt geworden als Ermittlerin in den Till-Schweiger-"Tatorten". Im übrigen ist "Ferien" ein Film, der das Wort skurril, durchgedreht und -geknallt mit lässiger Hand neu durchdekliniert. Bitte: Allein wegen des Satzes wie dem folgenden, den der 13-jährige Eric zu Vivian sagt, möchte man sich bei "Ferien" wegschmeißen vor lachen:
    "Willst mal sehen, wie ich nicht schwimmen kann."
    "Ferien von Bernadette Knoller - empfehlenswert.
    "Weißt du, wie die Kinder auf die Welt kommen? - Wie?"
    Nicht schlecht diese Variante von Aufklärung in der libanesischen Liebes-Komödie "Liebe Halal":
    "Es gibt einen Wurm, der heißt Sperma, der kommt aus dem Mann und bewegt sich Stück für Stück fort bis hin zur Frau." – "Heißt das etwas, Papa hat Würmer."
    Nein, hat Papa nicht. Aber doch einige Probleme haben er und die anderen Menschen in dem muslimischen Viertel von Beirut mit der Liebe, dem Sex und der Eifersucht beziehungsweise hormoneller Überlastung. Sagt die Ehefrau zum durchaus geliebten Ehemann:
    "Was denkst du? Wollten wir uns nicht eine zweite Frau holen? – "Wozu?" – "Damit sie mir etwas abnimmt, wenn ich müde bin."
    Dass der Mensch auch in der muslimischen Welt strenge moralische Regeln mit Geschick, Lust und Cleverness - wie eben die sexuell überforderte Frau, deren Mann jeden Abend "will" - überwinden kann und auch überwinden sollte, das spielt Regisseur Assad Fouladkar mit gehörigen Augenzwinkern an seinen Figuren durch. Und man kann wunderbar mitlachen über deren und die eigenen Unzulänglichkeiten, die sich auch bei diesen gar nicht mehr so ganz fremd erscheinenden Menschen aus einer anderen Kultur und einer anderen Religion spiegeln.
    "Liebe Halal" von Assad Fouladkar - empfehlenswert.
    "Kennen Sie den Inhalt des USB-Sticks?"
    Es geht immer um die Verunsicherung in einer Welt, die auch nach dem Ende des Kalten Krieges nicht friedlicher geworden ist.
    "Nein, ich dachte, ich übergebe ihn und dachte, damit hat es sich. Ich dachte, das wäre es dann."
    Und wie es sich bei einer John-le-Carré-Geschichte gehört, ist der englische Geheimdienst auch in Susanna Whites Verfilmung von "Verräter wie wir" marode wie eh und je. Der ehemalige MI5-Chef ...
    "Unser ehemaliger Boss."
    ... ist in dunkle Machenschaften mit der russischen Mafia verstrickt.
    "Die Russen-Mafia geht uns gar nichts an. - Geduld, Billy!"
    Nun will der oberste Geldwäscher dieser russischen Gangster ins Vereinigte Königreich fliehen.
    "Er sagt, seine Kinder würden sonst getötet."
    Im Gepäck ein USB-Stick mit den geheimen Mafia-Konten.
    "Ist es alles, was Sie haben. - Ja. - Hat er Ihnen kein Geld angeboten? - Oh doch, aber ich habe abgelehnt."
    Und in all diesem Kuddelmuddel: der britische Professor Perry - Ewan McGregor -, den der russische Mafioso-Geldwäscher Dima - Stellan Skarsgård - bittet, dem britischen Geheimdienst doch bitte den Stick zu geben.
    "Ich habe geglaubt, das Richtige zu tun."
    "Verräter wie wir", der Agententhriller über einen Normalbürger, den es in die Verstrickungen zwischen Politik, Verbrechen und Geheimdiensten verschlägt, ist spannend, verschlungen. Es geht dem Genre gemäß um Lüge und Verrat. Aber Susanna Whites Geschichte nach John le Carrés Roman von 2010 hat einen Haken. Ewan McGregor, der USB-Überbringer, spielt den Professor, der nach einem Seitensprung mit einer Studentin Probleme mit seiner Gattin hat. Dass einer wie er sich mal eben zum toughen Hilfs-Spion entwickelt, ...
    "Meine Frau sollte da nicht reingezogen werden." – "Tut mit leid. Soll sie draußen warten?" – "In was reingezogen?" – "Ich habe etwas hergebracht." – "Was?" – "Ich weiß es nicht."
    ... die Metamorphose dieser Figur also kann nicht wirklich überzeugen, sondern sie wirkt immer ein wenig wie behauptet. Da kann Ewan McGregor brillant spielen, wie er will. Anton Corbijn und sein Hauptdarsteller, Philip Seymour Hoffman, hatten es vor drei Jahren in der grandiosen John-le-Carré-Verfilmung "A Most Wanted Man" leichter, weil Philip Seymour Hoffman als Geheimdienstmann respektive Bauernopfer im Krieg gegen den Terror die um einiges komplexere Figur darstellen durfte. "Verräter wie wir" kann da leider nicht ganz mithalten.
    "Verräter wie wir" von Susanna White - empfehlenswert.