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Solides, bewegendes und gut gespieltes Justizdrama

Unterschiedliche Genre von unterschiedlicher Qualität: Bei Netflix startet die Romanverfilmung "Das Letzte, was er wollte" und im Kino die Krimifarce "The Gentlemen" sowie "Just Mercy"- ein solides, bewegendes und gut gespieltes Justizdrama. Die Bandbreite der Urteile reicht von akzeptabel bis ärgerlich.

Von Jörg Albrecht | 26.02.2020
Szene aus dem Gerichtssaal, der Angeklagte sitzt am Tisch und faltet die Hände
Ein schwarzer Anwalt, der 1989 die Equal Justice Initiative gegründet hat, steht im Mittelpunkt des Films "Just Mercy" (www.imago-images.de)
"Herb, alles in Ordnung?"
"Das Datum wurde festgelegt."
Dieses Datum ist der 18. August 1989. An dem Tag soll im US-Bundesstaat Alabama das Todesurteil gegen Herb Richardson vollstreckt werden. Bis zuletzt wird Richardsons Anwalt Bryan Stevenson versuchen, beim Obersten Gerichtshof der USA einen Aufschub zu erwirken. Vergeblich. Richardson wird um Mitternacht durch den elektrischen Stuhl hingerichtet. Ihn hat Bryan Stevenson nicht retten können, Dutzende andere Todeskandidaten dagegen schon.
Der schwarze Anwalt, der 1989 die Equal Justice Initiative gegründet hat, steht im Mittelpunkt des Films "Just Mercy". Der konzentriert sich auf einen seiner ersten Fälle: den von Walter McMillian, einem zum Tode verurteilten Familienvater, der einen grausamen Mord begangen haben soll, obwohl es Beweise für seine Unschuld gibt.
Subtilere Figurenzeichnung hätte gut getan
"Warum Sie das tun?"
"Warum ich Anwalt bin?"
"Nein. Warum Sie Anwalt hier in Alabama sind und diese Fälle übernehmen, für die Sie niemand bezahlt."
"Als ich ein Teenager war, wurde mein Großvater ermordet. Und da wurde mir klar, dass das außerhalb meiner Gemeinschaft niemanden interessiert. Denn für die war er nur ein weiterer Schwarzer aus dem Getto, der jetzt tot ist."
Seit mehr als 30 Jahren setzen sich Stevenson und sein Team für die Wiederaufnahme von Verfahren gegen zum Tode verurteilte Häftlinge ein. Gleichzeitig kämpfen sie gegen die Diskriminierung von Minderheiten durch Polizisten, Staatsanwälte und Richter.
"Just Mercy" ist ein solides, bewegendes und gut gespieltes Justizdrama. Da es an der Redlichkeit des von Michael B. Jordan verkörperten Protagonisten nicht den geringsten Zweifel gibt, hätten dem Film zwei Dinge gutgetan: eine weniger schematische Schilderung der Ereignisse sowie im Gegenzug eine subtilere Figurenzeichnung.
"Just Mercy": akzeptabel
Es war einmal ein Filmemacher namens Guy Ritchie. Der drehte vor 20 Jahren die herrlich durchgeknallten Krimikomödien "Bube, Dame, König, grAS" und "Snatch", geriet danach in die Fänge von Madonna und dann in die von Hollywood, wo er seitdem als Allzweckwaffe für Blockbuster-Kino dient. Mit "The Gentlemen" kehrt Guy Ritchie jetzt zu seinen Wurzeln zurück.
"Wenn es so ein fettes Kuchenstück ist – wieso verkaufst du es dann?"
"Ich habe mir den Ruf eines Mannes erworben, der es auf die harte Tour geschafft hat."
Matthew McConaughey als Drogenbaron Mickey Pearson. Einst als junger Mann aus den USA nach England gekommen, plant Mickey in Rente zu gehen und seine zweite Lebenshälfte als Teil der feinen Londoner Gesellschaft zu genießen. Dazu will er sein mehrere hundert Millionen Pfund schweres Marihuana-Imperium verkaufen. Mickeys Plan weckt Begehrlichkeiten bei einer illustren Schar zwielichtiger Typen, darunter Kleinkriminelle und Gangsterbosse wie der Chinese Dry Eye.
Rassistische, juden- und schwulenfeindliche Sprüchen
"Sind die Augen plötzlich nicht mehr so trocken, was? Du wirst hier nicht so rausgehen, wie du reingekommen bist, du entenfressender Schwanzlutscher!"
Mit rassistischen, juden- und schwulenfeindlichen Sprüchen von gestern will Guy Ritchie seinen schrägen, bewusst politisch unkorrekten Humor unterstreichen, mit expliziter Gewalt, skurrilen Gestalten und verschlungenen Erzählsträngen an die alten Zeiten anknüpfen. Doch das alles wirkt im Jahr 2020 abgestanden und überholt wie ein fader Tarantino-Abklatsch.
"The Gentlemen": enttäuschend
"In letzter Zeit ist einiges geschehen."
Das verspricht direkt zu Beginn der Verfilmung von Joan Didions Politthriller "Das Letzte, was er wollte" die Stimme aus dem Off, die einer von Anne Hathaway gespielten US-amerikanischen Journalistin gehört: Viel, sehr viel wird passieren in den kommenden zwei Stunden.
"Von einem Ort zum anderen, immer die größte Suite, Mehrkanaltelefon, alle Daten runterladen, nach Prag senden, ein paar Konferenzanrufe erledigen, den Bossen auf die Finger schauen, in die Nachrichtenwelt eintauchen, Rohfassungen lesen …"
Verschwurbelte und komplett spannungslose Verfilmung
Doch wovon redet diese Frau, die Elena McMahon heißt und die in den frühen 1980er-Jahren für die Washington Post arbeitet? Bereits nach wenigen Minuten schaut man dem chaotischen Geschehen konsterniert zu. Diesem verschachtelten Politkrimi fehlt es an einer ordnenden Hand. Selbst wer sich zur Vorbereitung einen kurzen historischen Exkurs in die Mittelamerika-Politik der Reagan-Administration gönnt, blickt ratlos auf das, was die Protagonistin da treibt. Zum einen ist Elena McMahon investigativ unterwegs, zum anderen führt sie für ihren dementen Vater einen Waffendeal in Nicaragua aus. Beides bringt sie in Gefahr.
"Pennsylvania-Avenue-Reporterin mit einem moralischen Kompass, die sich vom Wahlkampf zurückzieht, um dann eine ganze Ladung Munition aus Südamerika zu liefern. Muss doch lesenswert sein."
"Meinen Sie?"
Dass auch die Buchvorlage von Joan Didion lesenswert ist, mag man kaum glauben, wenn man diese unbeholfene, verschwurbelte und komplett spannungslose Verfilmung von Dee Rees sieht.
"Das Letzte, was er wollte" – zu sehen auf Netflix: ärgerlich