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Von Aufsteigern und Gipfelstürmern

Von Aufstiegen handeln die Kinoneustarts in dieser Woche: Zum vierten Mal in der Geschichte Hollywoods ist „A Star is Born“ verfilmt worden. Einen Extremkletterer begleitet der Dokumentarfilm „Durch die Wand“. Den Werdegang eines berühmten Malers zeichnet das Drama „Werk ohne Autor“ nach.

von Jörg Albrecht | 02.10.2018
    (L-R) BRADLEY COOPER as Jack and LADY GAGA as Ally in the drama A STAR IS BORN, from Warner Bros. Pictures, in association with Live Nation Productions and Metro Goldwyn Mayer Pictures, a Warner Bros. Pictures release. Los Angeles CA PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xNealxPrestonx 33659_006THA
    Bradley Cooper als Jack and Lady Gaga als Ally in "A STAR IS BORN" (imago stock&people)
    "Musik besteht nur aus zwölf Tönen innerhalb einer Oktave. Die Geschichte ist immer gleich. Und sie wird wieder und wieder erzählt."
    Ein ähnliches Ordnungsprinzip wie in der Musik existiert beim Film zwar nicht, aber auch im Kino wird die gleiche Geschichte immer und immer wieder erzählt. "A Star is Born", die Geschichte vom Mädchen aus der Provinz, das mit Hilfe eines alternden, alkoholkranken Stars ins Rampenlicht rückt, ist dafür das perfekte Beispiel.
    Der Traum von der Selbstverwirklichung auf der einen und der Kampf mit den inneren Dämonen auf der anderen Seite sind zeitlose Themen. Als Mainstreamkino verkauft "A Star is Born" diese Themen über eine Liebesgeschichte, als Charakterstudie dagegen bleibt auch die Neuauflage des Stoffs stets an der Oberfläche kleben. Doch das ist überhaupt nicht schlimm. Denn der Film besticht durch seine Atmosphäre und die Chemie zwischen Lady Gaga als auf- und Bradley Cooper als untergehendem Stern.
    "Schreibst du eigentlich auch Songs?"
    "Ich singe meine eigenen Songs nicht. Ich fühle mich einfach nicht wohl dabei."
    "Warum fühlst du dich nicht wohl dabei?"
    "Weil wirklich fast alle, mit denen ich in der Musikbranche in Berührung gekommen bin, sagen, ich hätte eine zu große Nase, und dass ich es deshalb nicht schaffe."
    "Deine Nase ist wunderschön."
    Lady Gaga - ungeschminkt
    In diesen Momenten verschmelzen Fiktion und Wirklichkeit. Lady Gaga, die selbst als entrückte Kunstfigur Weltkarriere gemacht hat, dürften die meisten in diesem Film zum ersten Mal ungeschminkt erleben. Skeptikern, die bei den Schauspielversuchen von Sängerinnen schon mal die Augen gerollt haben, sei gesagt: Lady Gaga ist in ihrer ungewohnten Natürlichkeit großartig, agiert mit Bradley Cooper auf Augenhöhe.
    "Tell me something, boy, aren´t you tired trying to fill that void?"
    "Bin ich das?"
    "Das bist du."
    Es gibt sie – diese Filme, in denen die Handlung auf eine DIN-A-4-Seite passt und die einen dennoch in ihren Bann ziehen, weil sie den Figuren auf fast magische Weise nahekommen.
    "A Star is Born": empfehlenswert
    Tommy Caldwell hängt mit seinem Kletterkumpel 400 Meter hoch in der Wand des El Capitan, einem Monolithen im Yosemite Park, als John Branch von der New York Times anruft.
    "Hello?!"
    Branch fragt Caldwell, wie es denn da oben so läuft und warum er das überhaupt tun würde.
    "Why are you doin this?"
    Adrenalinjunkies
    Das, was Caldwell da tut, hat bislang noch niemand geschafft. Der Freikletterer will die 1000 Meter hohe Dawn Wall des El Capitan bezwingen.
    "A climb watched by the world!"
    Dokumentarfilme, die mit atemberaubenden Aufnahmen von halsbrecherischen Kletterpartien aufwarten, gibt es viele. Auch "Durch die Wand" hat solche Bilder, die mitunter Zweifel am Verstand der Akteure aufkommen lassen, im Angebot. Aber die Regisseure Josh Lowell und Peter Mortimer haben nicht nur eine weitere Adrenalin-Doku gedreht. Was ihren Film so besonders macht: "Durch die Wand" erzählt viel Biographisches.
    In die Bilder vom zweiwöchigen Aufstieg auf den El Capitan mischen sich Abstecher zu den entscheidenden Momenten im Leben des heute 40-Jährigen. Vor allem das Scheitern seiner Beziehung wird zum Ausgangspunkt für Caldwells waghalsiges Vorhaben, die schwierigste Kletterpassage der Erde zu bewältigen.
    "I don´t know what is wrong with me, but I love this shit."
    "Durch die Wand": empfehlenswert
    "Die machen es einem fast zu leicht."
    "Nicht mehr lange."
    Im Februar 1961, also wenige Monate vor dem Bau der Berliner Mauer, ist die Flucht per S-Bahn aus der DDR relativ unspektakulär, wie die beiden Flüchtenden – der Künstler Kurt Barnert und seine Frau Ellie – erleichtert feststellen. So unspektakulär, dass Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck wenigstens einen Hauch von Dramatik in seinen dritten Spielfilm "Werk ohne Autor" einzubauen versucht, indem er einen Polizisten kurz rufen lässt:
    "Halt! Stehenbleiben!"
    Die Szene spiegelt das Problem von "Werk ohne Autor": Fast nie geschieht hier etwas Aufregendes. Die Geschichte des von Tom Schilling gespielten Kurt Barnert, die sich an der Vita des Künstlers Gerhard Richter entlanghangelt, spannt zwar einen epischen Bogen, doch für eine Filmbiographie – zumal eine über dreistündige – ist das alles dünn.
    Drama ohne Dramatik
    Dramatik verspricht nur der Handlungsstrang, der den Schwiegervater von Barnert in den Fokus rückt.
    "Leptosome, Melancholiker, Sohn eines Mannes, der sich das Leben nimmt, weil er ein paar Treppen putzen musste. Das ist nicht die Erbmasse, die ich unseren Nachkommen wünsche."
    Hinter dem Schwiegervater verbirgt sich nicht nur ein hartherziger Mann. Er ist im Dritten Reich auch Euthanasiearzt gewesen und hat unter anderem dafür gesorgt, dass Barnerts Tante in die Gaskammer geschickt wurde. Doch selbst hier von Spannung keine Spur. Zu plakativ und überzeichnet sind die Figuren, zu kunsthandwerklich und behäbig, oft auch eitel die Inszenierung.
    Nahezu jeder deutsche Film der letzten Monate wäre ein besserer Kandidat für die nächste Oscar-Verleihung gewesen.
    "Werk ohne Autor": enttäuschend