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Neue Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern

Nach fast drei Jahren Funkstille sind Palästinenser und Israelis zur Wiederaufnahme direkter Friedensverhandlungen bereit. Dieser diplomatische Erfolg gebührt dem US-Außenminister, aber auch Europa hat den Druck auf Israel deutlich erhöht.

Von Christian Wagner | 20.07.2013
    Sie hatten ihn als dickköpfig bis naiv abgetan und hinter seinem Rücken den Kopf geschüttelt. Jetzt zwingt US-Außenminister John Kerry Israelis und Palästinenser doch noch an den Verhandlungstisch. Eine "Wiederaufnahme von Gesprächen" sei das, mit dem Ziel eines abschließenden Abkommens zwischen den Konfliktparteien.

    Die Vokabel "Frieden" vermeidet Kerry größtenteils, die Erwartungen sollen gar nicht erst zu groß werden, scheint es. Minuten später sitzt er schon im Flugzeug Richtung USA. "Nächste Woche oder so" sollen die Chefunterhändler Saeb Erekat für die Palästinenser und Zipi Livni für die Israelis in Washington zusammenkommen zu einem ersten vorbereitenden Gespräch. Das ist dann immerhin der erste offizielle Kontakt zwischen Israel und den Palästinensern seit rund drei Jahren.

    Für Livni ist die grundsätzliche Einigung auf Gespräche der ersehnte Erfolg, sie war im israelischen Parlamentswahlkampf die Einzige, die mit einem neuen Anlauf zur Beilegung des Nahostkonflikts geworben hatte. Und sie kann den Auftrag, mit den Palästinensern zu sprechen, erfüllen und an Statur gewinnen.

    Ansonsten hüllt sich die israelische Regierung noch in Schweigen, es ist noch Schabbat. Ohnehin hatte Kerry erklärt, die Einzelheiten für den Rahmen von Gesprächen müssten erst noch festgelegt werden. Ein großes Fragezeichen machen die ersten Online-Kommentare in Israel hinter Benjamin Netanjahu. Ob er tatsächlich bereit ist zu einem Abkommen? Oder will er nur ein paar Monate verhandeln und dann wieder alles platzen lassen?

    Seit gestern jedenfalls gibt es einen neuen Faktor: Die EU-Kommission hat wie angekündigt eine verschärfte Förderrichtlinie veröffentlicht. Kurz zusammengefasst will die EU ab dem kommenden Jahr eine schriftliche Garantie verlangen, dass mit ihrem Geld nicht die israelische Besatzung im Westjordanland zementiert wird und nicht die israelischen Siedlungen davon profitieren. Aber auch in den arabischen Ostteil Jerusalems, den Israel seiner Hauptstadt zugeschlagen hat, sollen keine Fördergelder aus Brüssel fließen, auch nicht in Projekte auf den annektieren Golanhöhen. Die EU-Botschafterin in Israel, Sandra de Waele, formuliert kurz und knapp:

    "Europa ist zunehmend frustriert, weil Israel seine Siedlungen immer weiter ausbaut. Das ist die Botschaft dieser Richtlinie."

    Die Siedlungen und die israelische Besatzungspolitik nicht zu fördern, war schon bisher europäische Praxis. Neu ist aber, dass jede israelische Einrichtung in einem EU-Förderantrag in Zukunft Stellung beziehen soll, ob sie etwas mit den strittigen Territorien zu tun hat oder nicht. Für den Fall falscher Angaben droht die EU sogar mit Strafmaßnahmen. Vize-Regierungschef Silvan Shalom hatte das als ungerechtfertigte, ja dumme Einmischung bezeichnet:

    "Die Europäer machen einen großen Fehler, wieder mal. Sie wollen im Friedensprozess immer eine große Rolle spielen. Aber das können sie nicht, weil sie im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern keine ausgewogene Haltung haben. Wenn die Europäer wirklich helfen wollen, sollten sie nicht mit solchen Entscheidungen kommen."

    Obwohl selbst Telefonate mit EU-Kommissionspräsident Barroso und der Außenbeauftragten Catherine Ashton erfolglos bleiben, hatte Zipi Livni, die Justizministerin und Nahostbeauftragte, noch vor Kerrys Erklärung gesagt, die Europäer könnten Israel noch einmal entgegenkommen.
    "Ganz klar: Die Europäer versuchen, Druck auf Israel zu machen. Aber ich habe mit den Europäern die Erfahrung gemacht, dass sie die Konfliktparteien lieber selbst entscheiden lassen - wenn wir verhandeln und sie davon überzeugt sind, dass wir es ernst meinen. Nach Jahren des Stillstands hat das Vertrauen gelitten, deshalb dieser Druck."

    Aus israelischer Sicht ist das Papier aus Brüssel ein Angriff auf die Definitions-Hoheit, was israelisches Staatsgebiet ist. Und das bestimmen wir, sagt Ministerpräsident Netanjahu, wenn er sich jedes "Diktat" zu den Grenzen des Landes verbittet. Sogar die Botschafter von Deutschland, Großbritannien und Frankreich wurden zum Gespräch gebeten, um ihnen den Protest persönlich zu übermitteln. Jetzt, nachdem es wieder einen gemeinsamen Verhandlungstisch gibt, wird Netanjahu schon sehr bald Farbe bekennen müssen, ob er bereit ist, über die Grenzen Israels und einen palästinensischen Staat zu verhandeln.