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Neue Höhen für die Jazztrompete

Der Jazzmusiker Roy Eldridge hat den Tonumfang der Trompete entscheidend erweitert. In nur wenigen Takten konnte er in seinen Soli den Tonraum von den tiefsten Tiefen bis in stratosphärische Höhen durchlaufen und dabei packende musikalische Geschichten erzählen. Vor einem Jahrhundert wurde er geboren.

Von Günther Huesmann | 30.01.2011
    "Wenn man eines Tages den East River in New York ausbaggern wird, dann wird man im Flussbett eine ganze Schicht Trompeten finden. Denn als Roy Eldridge in die Stadt kam, überfiel jeden Trompeter das Gefühl, das eigene Instrument versenken zu müssen. Niemand konnte mit diesem Tonumfang oder dieser Geläufigkeit spielen", "

    erzählte ein anonymer Musiker. Roy Eldridge gehörte zu den glanzvollsten Jazzsolisten der dreißiger Jahre in USA. In der von Rassentrennung geprägten Zeit war er der erste Afroamerikaner, der regelmäßig in den Trompeten-Sections der berühmten weißen Big Bands spielte und als Top-Solist Karriere machte.

    Er phrasierte, wie er sprach: Mit einem kratzigen Ton, rau wie jemand, der vergessen hat seinen Hustensaft zu trinken. Roy Eldridges Soli sprühten vor Aufregung - sie waren Meilensteine der Extrovertiertheit, vermittelten spontan die Lebensfreude und das Hochgefühl der Swing-Ära.

    Geboren am 30. Januar 1911 in Pittsburgh, lernte er zunächst Klavier und Schlagzeug, bevor er Trompeter wurde. Einen seiner ersten Jobs hatte er mit 16 in einer Karnevals-Band, in der er - damals eine Sensation - Coleman Hawkins' rasend schnelles Stück "Stampede" auf der Trompete spielte.

    ""Mehr als die Trompeter liebte ich die Saxofonisten. Spieler wie Coleman Hawkins und Benny Carter. Ihre Soli versuchte ich, auf die Trompete zu übertragen. Deshalb habe ich einen Stil entwickelt, der sich von anderen Trompetern unterscheidet."

    1931 ging Roy Eldridge nach New York. Wegen seiner flüssigen Spielweise bekam er hoch dotierte Jobs in den Bands von Teddy Hill und Fletcher Henderson. 1936 notierte das Magazin "Down Beat", er spiele "schneller und höher als Louis Armstrong".

    Einem musikalischen Wettstreit ging Roy Eldridge nie aus dem Weg. Er gehörte zu den konkurrenzfreudigsten Musikern des klassischen Jazz. Seine Soli waren keck und frech. Ekstatisch trieben sie Höhepunkten entgegen, in denen Eldridge immer wieder seinen Sinn für rhythmische Überraschungen bewies. Legendär sind seine "high notes", seine Töne im höchsten Register.

    "Ich war niemals ein screamer, ein Schreihals, ich spielte immer Musik in der hohen Lage."

    Roy Eldridge hat auf die frühen Bebop-Trompeter einen enormen Eindruck gemacht. Mit 17 hörte Dizzy Gillespie ihn im Radio, eine lebensverändernde Erfahrung. Dizzy nannte ihn den "Messias unserer Generation".

    1941 wurde Eldridge Mitglied im Orchester von Gene Krupa. 1943 stieg er zum Starsolisten in der Artie Shaw Big Band auf. Doch obwohl Shaw gegen die Rassentrennung im Musik-Business kämpfte, konnte er seinen Trompeter nicht vor Diskriminierung schützen. Mal wurde Eldridge in Restaurants nicht bedient, mal musste er sich als Portier ausgeben, um in ein für Weiße reserviertes Hotel zu kommen.

    "Es war so großartig auf der Bühne - aber sobald du sie verlassen hattest, war es manchmal nicht einmal möglich, einen Hamburger zu bekommen."

    Nach einer Tournee mit Artie Shaw erlitt er einen Nervenzusammenbruch. Auch musikalisch brachen harte Zeiten für ihn an. Die Bebopper hatten das Zepter im Jazz übernommen und übertrumpften ihn. 1950, nach einer Europatournee mit Benny Goodman, blieb er verbittert in Paris. Dort wurde er vergöttert. Nach 18 Monaten zurück in den USA, trat er als Solist in der Konzertreihe "Jazz at the Philharmonic" auf. Bis 1980, als er einen Schlaganfall erlitt, blieb Roy Eldridge ein prägender Spieler des Mainstream-Jazz. Zeitlebens wog der kleine Roy Eldridge kaum mehr als 55 Kilo, aber sein musikalischer Hunger wirkte unstillbar. So kam er auch zu seinen Spitznamen:

    "Ich spielte ständig. Wenn die Band die Bühne verließ, ging ich aufs Männerklo und spielte dort weiter. Einmal stand ich spielend auf dem Bandstand, als Otto Hardwicke sagte: Jedes Mal, wenn man dich sieht, hast du das Horn in deinem Gesicht stecken. Ich sollte dich Little Jazz nennen."