Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Neue Hüfte, neues Knie
Qualitätssicherung bei künstlichen Gelenken

Etwa 400.000 künstliche Gelenke setzen Mediziner in Deutschland jedes Jahr ein. Bei manchen Patienten folgen darauf Schmerzen und weitere Operationen. Um das zu verhindern, muss nicht nur beim Implantat - sondern in allen Bereichen auf Qualität geachtet werden.

Von Christina Sartori | 13.12.2016
    Modell eines künstlichen Kniegelenks
    Die Struktur einer Klinik ist mit entscheidend dafür, ob Hüft- und Kniegelenkoperationen gelingen. Hier das Modell eines künstliches Kniegelenks. (imago/Garcia)
    Eine Knie- oder Hüftgelenksoperation ist keine Kleinigkeit, das steht fest. Aber für Menschen, die sich gerne mit Freunden zum Wandern treffen oder die gerne reisen, bedeutet ein neues Gelenk oft einen großen Gewinn an Lebensqualität. Wer sich dagegen weniger bewegt, wer lieber ein Buch liest, als in den Wald zu gehen, für den ist der Gewinn durch die Operation geringer. Das sollte vor der Operation im Gespräch zwischen Arzt und Patient geklärt werden, empfiehlt Prof. Carsten Perka, Direktor des ärztlichen Zentrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité in Berlin:
    "Auch darum geht es vor der Operation, zu bestimmen, jede Operation hat ein Risiko. Ist die zu erreichende Lebensqualitäts-Verbesserung für den konkreten Fall wirklich etwas, was die Operation lohnenswert macht?"
    Drei Prozent der Patienten haben Schmerzen nach der Operation
    Im Idealfall kann der Patient nach der Operation besser laufen, als vorher. Und hat weniger Schmerzen. Etwa 90 Prozent der eingesetzten Prothesen halten länger als 15 Jahre, die Komplikationsrate liegt bei weniger als drei Prozent. Gute Zahlen, aber für diese knapp drei Prozent bedeutet das: Sie haben Schmerzen, vielleicht sogar schlimmer als vor der Operation und können nicht besser gehen als vorher. Oft ist eine Infektion die Ursache. Deren Behandlung, weiß Carsten Perka, ist äußerst schwierig und aufwendig:
    "Sie erfordern eine ganz spezielle Diagnostik, um erst einmal festzustellen: Wer ist verantwortlich für die Infektion? Es gibt Erreger die sind sehr schwer zu bestimmen. Die Therapie erfordert nicht nur chirurgisch, sondern vor allen Dingen internistisch, was die Antibiotika-Therapie angeht, sehr viel Sachkunde. Das heißt, ich brauche mindestens einen erfahrenen Mikrobiologen, einen erfahrenen Chirurgen und einen erfahrenen Infektiologen, um erfolgreich zu sein. Und letztendlich ist dann auch die technische Herausforderung hervorzuheben: Mit Spezialimplantaten, weil oftmals Gewebe, Knochen zerstört ist."
    Komplikationsrate allein sagt wenig aus
    Niemand möchte nach der Operation mehr Beschwerden haben, als vorher. Deswegen suchen manche Patienten vor der Operation nach einem Krankenhaus, dessen Komplikationsrate möglichst niedrig ist, im Vergleich zu anderen Kliniken. Doch man sollte nicht nur auf dieses Ergebnis gucken, warnt Prof Henning Windhagen, Leiter der orthopädischen Klinik an der medizinischen Hochschule Hannover im Annastift.
    "Weil das mit dem Ergebnis zu einfach klingt. Wenn man eine gute Ausgangslage hat, sprich einen gesunden Patienten, wird das natürlich häufiger besser, als wenn man einen hat, der schon etwas erkrankt ist."
    Patienten mit Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, Übergewicht oder auch Raucher, haben ein höheres Risiko für Komplikationen und sind schwieriger zu behandeln. Ebenso wie Patienten, deren Kniegelenk wieder ausgewechselt werden muss. Gerade spezialisierte Kliniken bekommen häufiger solche Fälle, sagt Henning Windhagen. In ihrer Statistik äußert sich das negativ.
    Struktur einer Klinik ist wichtig für das Ergebnis
    "Das Problem mit der Ergebnisqualität ist, dass die Kliniken, die sich sehr viel um komplizierte Fälle kümmern, und auch um die Wechsel – dass die dann in den Statistiken schlechter aussehen, als die, die sich nur um die einfachen und unkomplizierten Fälle kümmern."
    Wichtiger, als das nur auf das Ergebnis, also die Zahl der Komplikationen zu gucken, sei es daher, auf die Struktur einer Klinik zu achten, rät Henning Windhagen:
    "Dazu gehört nicht nur der Operateur und das Implantat, sondern auch ganz viele Aspekte, wie Anästhesie, Labor. Das heißt, die Grundstruktur ist viel komplexer und muss gut sein und das nennen wir Strukturqualität."
    Um es Patienten leichter zu machen, eine Klinik zu finden, die diese und andere bestimmte Qualitätskriterien erfüllt, vergibt die Deutsche Gesellschaft Endoprothetik das Siegel "Endocert".
    "Es gibt ein Siegel der Fachgesellschaft und das ist die sogenannte Endocert Initiative. Das sind die Endoprothetik Zentren. Und wenn man dahin geht, kann man sicher sein, dass die Strukturen vernünftig sind und für eine gute Endoprothesen-Implantation sinnvoll aufgebaut sind."
    Auch müssen die Chirurgen eine Mindestanzahl von Prothesenoperationen nachweisen, also viel Erfahrung besitzen. Wer sich also vorher informieren möchte, dem kann dieses Siegel sicherlich weiterhelfen.