Donnerstag, 28. März 2024

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Neue Indie-Games
Schwerkraft, Melancholie und dunkle Träume

Indie-Games sind das pulsierende Herz der Computerspielszene – täglich werden Dutzende von ihnen veröffentlicht. Aber welche Titel lohnen sich? Der Plattformer „Gravitas“, das Survival-Adventure „Widowers Sky“ und das Puzzlespiel „Darq“ im Test.

Von Tim Baumann | 09.09.2019
Auf dem Bild ist ein Screenshot aus dem Computerspiel "Darq" zu sehen.
Ein Screenshot aus dem Computerspiel "Darq" (Unfold Games)
"Gravitas" von Galaxy Shark Studios
Aus den Kabinenlautsprechern tönt Fahrstuhlmusik, als die Raumfähre an der G.O.R.G. andockt. In Ego-Perspektive verlassen die Spieler das Shuttle und treten ein in eine Welt der Kunst – oder zumindest dessen, was der würfelförmige fliegende Leiter des interstellaren Museums ...
"Call me: The Curator"
... dafür hält. Denn in der "Galery of Refined Gravity", wo sich die Handlung des Spiels "Gravitas" abspielt, werden nicht etwa Plastiken oder Ölgemälde ausgestellt, sondern Kletteraufgaben, die die Besucher des Museums zu meistern haben. So müssen beispielsweise gigantische Würfel zu einer Brücke über einen Fluss angeordnet werden. Hierfür erhält die Spielfigur einen Handschuh, mit dem Sie die Schwerkraft verändern kann. Durch das Lösen der räumlichen Puzzles arbeiten sich die Spieler von Ausstellungsraum zu Ausstellungsraum vor.
Eine Hommage an das Spiel "Portal"
In "Gravitas" muss die Ausstellung aber nicht nur erlebt, sondern vor allem überlebt werden. Denn der Maschinenkurator der Galerie ist nicht unbedingt das, was man als zurechnungsfähig beschreiben würde:
"I call this work: Now you can die!"
Das Konzept, in einem Puzzle-Plattformer die Angriffe einer verrückten, aber dennoch irgendwie niedlich-exzentrischen KI überleben zu müssen, das ist freilich nicht ganz neu: Denn die texanischen Galaxy Shark Studios haben mit ihrem Erstlingswerk "Gravitas" ganz bewusst eine Hommage an die "Portal"-Reihe geschaffen. Die kommt grafisch zwar nicht an das Vorbild heran, aber das Gameplay ist flüssig und herausfordernd, und der mitunter recht alberne Humor von "Gravitas" sorgt vor dem Monitor für ein gelegentliches Kichern. Wer "Gravitas" ausprobieren möchte, kann das ohne Risiko tun – der Puzzle-Plattformer aus den USA ist nämlich kostenlos.
"Widower's Sky" von Whaleo Studios
Wie weit die Ankündigung eines Spiels und das tatsächliche Spielerlebnis auseinandergehen können, zeigt indes das langerwartete "Widower's Sky" des kanadischen Whaleo Studios. Das verspricht vollmundig einen Genre-Mix aus Puzzle-, Survival- und Actionelementen, wunderschönen Landschaften, einer belebten Welt und einen immersiven Soundtrack vor der Hintergrundgeschichte um einen Vater, seinen Sohn und ihren Hund, die nach dem Tod der Mutter auf einem fremden Planeten ums Überleben kämpfen.
"Forest Fires kept us up at night, kept us warm. Everything in a blue smoke."
Kontraintuitiv und extrem sperrig
Tatsächlich versagt "Widower's Sky" aber auf der Ebene des Gameplays. Das Spiel erklärt weder, was zu tun ist, noch wie – die Steuerung ist kontraintuitiv und extrem sperrig, die Kamera schwenkt wild umher, und so verkommt die Spielerfahrung zu einem hilflosen Umherstolpern in der Landschaft. Die Grafik ist zwar dank der Unity Engine recht hübsch anzuschauen und vermittelt in ihrer surrealen Gestaltung tatsächlich das Gefühl, auf einem fremden Planeten zu sein. Aber weder die Optik noch die traurige Spielmusik können darüber hinwegtäuschen, dass "Widower's Sky" weit davon entfernt ist, ein gutes Spiel zu sein.
"Darq" von Unfold Games
Ganz anders verhält es sich mit "Darq" – das düstere Puzzle-Spiel, das sich hinten mit einem Q schreibt, versetzt die Spieler in die Rolle von Lloyd, einem dürren, kahlköpfigen Jungen, der in wiederkehrenden Alpträumen gefangen ist. Um wieder erwachen zu können, muss er in jedem Alptraum Rätsel lösen. Diese Rätsel sind höchst vielfältig und folgen über das gesamte Spiel hinweg einer stetigen Lernkurve, sind aber immer gut zu bewältigen.
Die Level sind abwechslungsreich gestaltet – mal streift Lloyd durch eine Mischung aus Kanalisation und Maschinenraum, dann wieder erkundet er ein düster anmutendes Theater oder die verregneten Straßen einer verlassenen Kleinstadt. Der Clou in "Darq" ist allerdings, dass sich die Spielfigur zwar nur auf einer Rechts-Links-Achse bewegen kann, sich aber die Räume in verschiedene Richtungen drehen lassen.
So können die Spieler auch an Decken und Wänden entlanggehen, um versteckte Objekte zu finden. Zusammen mit der düsteren Atmosphäre entsteht so der Eindruck, sich in einem von Regisseur Tim Burton konstruierten Zauberwürfel zu befinden.
Zudem wartet "Darq" mit wenigen, ausgesuchten Schockmomenten auf, die, gerade weil sie so spärlich eingesetzt werden, für dauerhafte Anspannung vor dem Monitor sorgen. Dazu trägt auch das exzellente Sounddesign bei, dem viel Raum gegeben wird – denn das Entwicklerstudio Unfold Games verzichtet über das gesamte Spiel hinweg vollständig auf Musik. All das macht "Darq" zu einem herausragenden Spielerlebnis.