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Neue Konzepte bei der Lehrerfortbildung
Begeistern für die wunderbare Welt der Naturwissenschaft

Physik bei James Bond, KI und Astronomie - Themen der Tagung "Schule MIT Wissenschaft", die neue Wege bei der Lehrerfortbildung geht. Renommierte Wissenschaftler - darunter ein Nobelpreisträger - engagieren sich, um Lehrer zu motivieren, ihr Schüler für Naturwissenschaften zu begeistern.

Von Benjamin Dierks | 11.11.2019
Formeln stehen auf einer schlecht gewischten Tafel am 29.10.2012 in Berlin in einer Vorlesung "Mathematik für Chemiker" im Walter-Nernst-Haus auf dem Campus Adlershof der Humboldt-Universität.
An die Tafel geschriebene Formeln schrecken viele Schülerinnen und Schüler ab. Eine Fortbildung für Lehrkräfte zeigt, wie man das Interesse für die Naturwissenschaften wecken kann. (picture-allicance / dpa / Jens Kalaene)
"Machen wir doch einfach ein Experiment. Wir haben hier eine Kammer. Halt das Ding mal fest. Und da ist eine Büchse. Das ist wie eine Konservenbüchse, innen schwarz gemacht, und dann sind da so Dioden drin."
Ludger Wöste hält eine runde Dose in der Hand, die mit einer Ölabsaugpumpe verbunden ist, und zeigt sie seinen Zuhörern, die in losen Stuhlreihen vor ihm sitzen. Wöste ist Physikprofessor an der Freien Universität Berlin und entwickelt dort neue Lehrkonzepte.
"Mach mal ein bisschen hin und her. Man sieht, jetzt atmet die Kammer. Mach mal zu. Jetzt ziehen. Und da, seht Ihr, ein bisschen was war passiert…"
Wöste lässt einen Zuhörer an der Pumpe ziehen und in der Dose bildet sich feiner Nebel. Mit seiner Konstruktion will Wöste die Entstehung von Wolken und deren Wirkung aufs Klima demonstrieren. Der Professor unterrichtet nicht nur an der Uni, sondern oft auch in Schulklassen. Heute aber macht er seine Experimente mit Lehrerinnen und Lehrern aus ganz Deutschland, die Physik, Chemie, Mathe oder Biologie unterrichten.
"Ich mache hier mit Euch - und deshalb duze ich Euch auch alle - denselben Kursus wie mit den Schülern, das bin ich jetzt halt so gewohnt."
Begeisterte Lehrkräfte können ihre Klassen auch begeistern
Wöstes Workshop ist Teil der Lehrerfortbildung "Schule MIT Wissenschaft", die am Wochenende in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin stattgefunden hat. Teilgenommen haben rund 100 Lehrer. Projektleiter Rainer Linden kritisiert, dass es in Deutschland zu wenig fachliche Fortbildung für Lehrer gebe, er will diese Lücke schließen:
"Weil wir merken, es gibt großen Bedarf in den naturwissenschaftlichen Berufen und viel zu wenige, die das ergreifen wollen. Wir wollen mit dieser Fortbildung Lehrkräfte auf einen neuen Stand bringen, dass sie das ihren Schülern weitervermitteln können. Wir wollen aber auch diese Lehrkräfte so begeistern, dass sie eben auch ihre Schüler begeistern können."
Dafür fahren Linden und seine Kollegen einiges auf. Neben renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland sprechen eine Forscherin und ein Forscher des berühmten Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT, und sogar ein Nobelpreisträger, der Physiker Georg Bednorz. Der hofft, dass er mit seinem Vortrag über Supraleiter nicht nur Fachkollegen erreicht.
"Ich versuche das so verständlich wie möglich zu bringen, vor allen Dingen, wenn das Publikum so gemischt ist. Da muss man manchen Sachen grundlagenmäßig erklären und Beispiele für die Realität bringen. Und wenn da der eine oder andere abgehängt wird, ist ja nicht so schlimm."
Enger Kontakt zur Wissenschaft für Lehrende positiv
Der Physiklehrer Dennis Adams aus dem Sauerland ist mitgekommen und will seine Schüler auch gleich daran teilhaben lassen: "Einem Nobelpreisträger zuhören zu dürfen und den auch zu sehen, ist schon begeisterungswert. Und Supraleiter, sehr interessant, kann man gut in den Physikunterricht hineinbringen, mache ich direkt am Montag."
Die Gymnasiallehrerin Isabell Stahlhut aus Stadthagen bei Hannover ist froh, dass sie in so engen Kontakt mit Forschern kommt: "Was passiert in der Wissenschaft tatsächlich neu, aktuell, kriegen wir sonst wenig mit, wenn wir uns nicht auf eigenen Wegen, eigenen Kanälen zusätzlich informieren."
Und Realschullehrerin Melanie Mademann aus Hildesheim ist zuversichtlich, dass sie die Schüler gewinnen kann, mit dem, was sie aus Berlin mitbringt: "Wenn sie erstmal den Punkt überwunden haben, dass es auch mit Anstrengung verbunden ist, zu forschen, dann ist die Begeisterung erst mal da und dann hören die auch nicht mehr auf."
Warum Bond seinen Martini geschüttelt und nicht gerührt trinkt
Die Themen auf der Tagung reichen von Künstlicher Intelligenz über Astronomie bis hin zur Stammzellforschung. Und für Cineasten gibt es sogar einen Vortrag über die Physik in James-Bond-Filmen. Wenn die Lehrer also trotz allem Probleme haben sollten, die Schüler für die wunderbare Welt der Naturwissenschaften zu begeistern, können sie ihnen jetzt zumindest erklären, warum 007 seinen Martini geschüttelt trinkt und nicht gerührt.