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Neue Kraft für Elektroflitzer

Technik. - Lithium-Akkus versorgen viele tragbare Geräte wie Handys, doch Kurzschlüsse und Brände brachten sie in Verruf, weshalb sie für Autos ausscheiden. Auf dem Europäischen Chemiker-Kongress in Turin ging es deshalb auch um neue Batteriekonzepte für Elektroautos.

Von Hellmuth Nordwig | 30.09.2008
    Im Prinzip ist das Leichtmetall Lithium ideal für Batterien. Mit Wasser reagiert es explosionsartig. Genau dieses Energiepotenzial wird in einer Batterie sozusagen gezähmt und auf kontrollierte Weise genutzt. Denn wenn geladene Lithiumteilchen von einem Pol der Batterie zum anderen wandern, fließt Strom - langsam, aber sicher, darauf kommt es an. Sonst gibt es einen Kurzschluss. Genau das kann in den Akkus für Camcorder oder Handys passieren. Dort wandert Lithium in Graphit oder einer Flüssigkeit. Jean-Yves Sanchez vom Nationalen Polytechnik-Institut in Grenoble entwickelt deshalb eine sichere Alternative zu diesen Materialien.

    "Wenn wir Polymere oder glasartige Materialien verwenden, können wir Lithium auf sichere Weise verwenden und zugleich seine hohe Kapazität nutzen."

    Mit Polymeren, also kettenförmigen Molekülen aus immer gleichen Bausteinen, und ebenso mit Gläsern experimentieren Batterieforscher schon seit einiger Zeit. Auch in diesen Materialien können Lithiumteilchen wandern - aber eben nicht so schnell, dass die Gefahr eines Kurzschlusses besteht. Glas eignet sich allerdings nur für kleinere Batterien, es ist nicht stabil genug, und auch Polymere haben einen Nachteil: Sie sind oft so regelmäßig aufgebaut, dass sie zu Kristallen verklumpen. Zwischen ihnen bleiben die Lithiumteilchen sozusagen stecken. Außerdem halten die Polymere keine mechanischen Belastungen aus, etwa wenn der Akku zu Boden fällt. Jean-Yves Sanchez hat jetzt in der Natur ein Material gefunden, das Abhilfe schaffen soll.

    "Wir haben kürzlich einen Verbundwerkstoff gefunden, der auf Nanofasern aus Zellulose basiert. Er ist mechanisch viel stabiler, ungefähr 100 Mal so beständig. Daraus können wir dünne Folien herstellen. Ursprünglich haben wir die Fasern aus einer Meerespflanze isoliert. Ähnliche Fasern, die fast so gut sind, aber viel leichter zu gewinnen, bekommen wir aus Sisal und der Futterrübe."

    Die Zellulosefasern aus den Pflanzen sind nur vier Nanometer dick. Wenn sie mit dem Polymer vermischt werden, bilden sie eine Art Gitter, zwischen dessen Maschen die Lithiumteilchen hindurchschlüpfen können. Die Autoindustrie hat ebenfalls das Potenzial der Lithiumbatterien erkannt und will sie in Elektrofahrzeugen einsetzen. Hier ist der Sicherheitsaspekt besonders wichtig. Die Faser-Polymere aus Grenoble sind daher für Autos besonders interessant.

    "Die französische Firma Bolloré entwickelt ein völlig neues Elektrofahrzeug, das so genannte "blaue Auto". Es wird speziell für den Elektroantrieb entworfen. Sie machen es also nicht wie viele andere, die ein Auto nehmen, das schon existiert, und einfach eine Batterie einbauen."

    Der Vorteil: Elektromotor und -antrieb sind deutlich leichter als die entsprechenden Komponenten herkömmlicher Fahrzeuge. Das soll die 200 bis 300 Kilogramm Gewicht der Batterie wieder wettmachen. Besonders interessant ist, dass der Elektroantrieb mit einem weiteren alternativen Antriebskonzept kombiniert werden kann, nämlich einer Brennstoffzelle. Auch dieser Ansatz wird für die Autos der Zukunft verfolgt, und aus Japan kommt nun ein neues Hybridfahrzeug, das eine Batterie und eine Brennstoffzelle an Bord hat.

    "Wir arbeiten mit Nissan zusammen, die einen Prototyp eines solchen Autos gebaut haben. Sie verwenden eine Lithium-Ionenbatterie und als zweiten Antrieb eine Brennstoffzelle. Beide haben ihre Vorteile: Die Brennstoffzelle kann schnell betankt werden, während die Batterie erst geladen werden muss. Wenn der Fahrer aber kurzzeitig eine hohe Leistung des Autos wünscht, etwa beim Überholen, dann ist der Elektroantrieb günstig."

    Außerdem kann die Batterie aufgeladen werden, während das Fahrzeug den Brennstoffzellenantrieb nutzt. Welche Materialien letztlich in den Autobatterien der Zukunft eingesetzt werden, ist aber noch offen. Doch für Elektroautos wird das Leichtmetall Lithium wohl unverzichtbar sein.