Freitag, 19. April 2024

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Neue Medikamente
"Unheimlich gute Waffen im Kampf gegen Ebola"

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht in der Entwicklung von zwei neuen Medikamenten gegen Ebola einen deutlichen Fortschritt. Das sei aber kein Zauberstab, sagte WHO-Pressesprecher Christian Lindmeier im Dlf. Wichtig sei jetzt, die Bevölkerung über Symptome und Schutzmaßnahmen aufzuklären.

Christian Lindmeier im Gespräch mit Arndt Reuning | 14.08.2019
Eine Mitarbeiterin der Weltgesundheitsorganisation WHO spritzt eine Impfung in den Oberarm eines Patienten im kongolesischen Ort Mbandaka
Im Kongo sind bereits fast 1.900 Personen an Ebola gestorben. Die Impfung und zwei neue Medikamente geben Hoffnung. (AFP / Junior D. Kannah)
Arndt Reuning: Vor gut einem Jahr ist in der Demokratischen Republik Kongo das Ebolafieber ausgebrochen. Seitdem sind mehr als 2.800 Menschen an der Infektion erkrankt, fast 1.900 Personen sind ums Leben gekommen. Nun scheint es neue Hoffnung zu geben: In einer Studie mit 700 Patienten haben sich zwei von vier experimentellen Medikamenten als hochwirksam erwiesen. Ob das nun wirklich den Durchbruch bedeutet im Kampf gegen Ebola, wollte ich wissen von Christian Lindmeier, dem Pressesprecher der WHO in Genf. Zunächst einmal habe ich ihn gefragt, wie gut die beiden Hoffnungsträger in der Studie denn abgeschnitten haben.
Christian Lindmeier: Je frühzeitiger jemand sich in Behandlung begibt, also wenn jemand in den ersten drei Tagen kommt und eines von den beiden Medikamenten bekommt, die jetzt sich als erfolgreich erwiesen haben, dann ist die Erfolgsrate bei ungefähr 90 Prozent. Das geht dann sukzessive runter, diese Erfolgschance, je länger man wartet, um sich in Behandlung zu begeben. Und wenn man spät oder später kommt sind diese Erfolgschancen nur noch bei ungefähr 40 Prozent.
"Das Wichtigste ist und bleibt immer noch der menschliche Faktor"
Reuning: Diese beiden neuen Medikamente, die sich nun als Favoriten herauskristallisiert haben, wie wirken die denn im Körper?
Lindmeier: Ja, das sind Medikamente, die natürlich als Antikörper wirken und die weitere Verbreitung des Ebola-Virus oder auch die Auswirkungen des Ebola-Virus auf den Körper eindämmen und verhindern und damit Heilungschancen des Körpers möglich machen.
Reuning: Sie haben es ja bereits erwähnt: Diese Medikamente müssen schnellstmöglich verabreicht werden nach einer Infektion. Wie sieht es denn eigentlich aus mit einer Schutzimpfung? Was ist da im Moment möglich bei Ebola?
Lindmeier: Ja das ist eben das Interessante: Wir haben im Moment wirklich zwei unheimlich gute Waffen im Kampf gegen Ebola, muss man sagen. Zum einen den Impfstoff, der im Moment als eindosiger Impfstoff im Kongo ausgegeben wird an alle, die als Risikopatienten oder als Kontakte von infizierten Personen bekannt sind, oder auch an Arbeiter im Gesundheitssystem: an Ärzte, Doktoren, Krankenschwestern. Und zum anderen natürlich diese zwei Medikamente, die sich jetzt als Spitzenreiter herauskristallisiert haben. Das sind zwar hervorragende Waffen, aber, und das ist das Wichtige: Es ist kein Zauberstab. Das Wichtigste ist und bleibt immer noch der menschliche Faktor. Denn zum einen müssen Leute identifiziert werden, die sich eventuell mit etwas anstecken. Es muss die Bevölkerung so sensibilisiert sein, dass es bekannt ist, wenn jemand in der Umgebung und der Familie an Ebola erkrankt ist, dass man zum ersten Mal besondere Schutzmaßnahmen trifft, um sich nicht selbst anzustecken. Um das mal in Zahlen zu binden: Wir haben seit Anfang der Ebolakrise letztes Jahr im Kongo über 190.000 Leute geimpft, also eine enorme Menge. Und das hat sicher dazu beigetragen, dass es nicht schon viel schlimmer geworden ist, als es bis jetzt überhaupt geworden ist.
"Es ist eine sehr instabile Region"
Reuning: Andererseits haben es die Helfer im Kongo mit einer politisch schwierigen Situation zu tun. Es gibt Rebellenkämpfe im Norden des Landes. Und auch medizinisches Personal ist wiederholt angegriffen worden. Gesundheitszentren wurden unter Beschuss genommen. Ist denn die Verfügbarkeit von Medikamenten allein schon ausreichend, um Ebola im Kongo einzudämmen und möglicherweise zu besiegen?
Lindmeier: Es gibt im Moment 14 Ebola-Behandlungszentren, und die sind ausreichend mit sowohl Impfstoff als auch Medikamenten versorgt. Aber das, was Sie ansprechen, ist natürlich das, was ich vorhin ungefähr unter "menschlicher Faktor" hineingebracht habe: Es ist zum einen mal eine sehr instabile Region. Betroffene Personen können nicht unbedingt sich frei bewegen, andere wiederum werden vertrieben und sind damit nicht leicht zu finden, sollten sie sich angesteckt haben. Wir haben einen Konflikt. Wir haben ein instabiles System. Wir haben ein Gesundheitssystem, das nicht unbedingt allererster Klasse ist. Wir haben ja viele andere Krankheiten, die sich leider in der Region dort auch ausbreiten: Malaria, die wesentlich mehr Todesopfer fordert als Ebola übrigens, Cholera und andere Krankheiten. Hier muss viel getan werden. Und Ebola ist leider nur eine der gefährlichen Krankheiten dort.