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Neue Runde

Bei seiner Gründung war er bejubelt und gefeiert worden: Der bundesweit erste Studiengang für Islampädagogik an der Uni Münster. Der dafür eingestellte Professor Sven Mohammed Kalisch konnte sich bundesweiter Beachtung erfreuen - bis zu dem Tag, als er öffentlich die Existenz des Propheten Mohammed wissenschaftlich anzweifelte. Das NRW-Wissenschaftsministerium zog Kalisch schließlich von der Lehrerausbildung ab. Jetzt steht der Ersatz in den Startlöchern.

Von Heike Zafar | 22.04.2009
    Fünf Islamforscher, allein zwei aus Wien, haben es in die letzte Runde geschafft: Von heute an wird sich entscheiden, wer den Zuschlag für die Professur für Islampädagogik an der Uni Münster bekommt. Kein gewöhnliches Besetzungsverfahren, es geht um mehr: Seitdem der bisherige Stelleninhaber, Professor Sven Mohammad Kalisch seine Zweifel an der Existenz des Propheten Mohammed öffentlich kundgetan hat, ist das Institut ein Fall für den Staatsschutz: Das Centrum für religiöse Studien residiert inzwischen sogar an einem geheimgehaltenen Ort, so Unisprecher Norbert Frie:

    "Im Zuge der auch in den Medien lebhaft geführten Diskussionen hat es Drohungen gegeben, besonders im Internet. Es hat unschöne Kommentare auch in einigen Zeitungen gegeben. Das hat zu einer gewissen Verunsicherung geführt und zu einer Bedrohung der dort tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Es st die Polizei auch eingeschaltet worden. Das hat dazu geführt, dass wir uns entschlossen haben, die Unterbringung dieses Lehrstuhls innerhalb der Uni zu verändern. Wir möchten die neue Adresse außerhalb der Uni nicht nennen, es ist aber sichergestellt, dass die Studierenden sehr wohl wissen, wo der Bereich untergebracht ist."

    Im neuen Gebäude weist kein Schild auf das Centrum für religiöse Studien hin, es gibt Sicherheitsschlösser, der Eingang wird mit Kameras überwacht: Professor Kalisch ist zur Zielscheibe für Anfeindungen geworden. Nicht nur die islamischen Verbände, auch Studenten machen gegen ihn mobil. Vor einigen Wochen tauchte an der Uni eine Liste mit 22 Unterschriften auf, die Studierenden drohen darin mit Boykott und Exmatrikulation, falls sie weiter bei Kalisch studieren müssen.

    "Es gibt viele Studenten, die fühlen sich unmittelbar angegriffen, wenn es um solche kritischen Thesen geht und haben mit Sicherheit auch Angst, wenn sie an dem Lehrstuhl hier studieren und ausgebildet werden, dass sie später nach Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums unter Kalisch, keinen Job mehr bekommen. Dass diese Studenten irgendwelche Zukunftsängste haben, das kann ich sehr gut verstehen.

    Natürlich möchte man seinen Abschluss noch zu Ende bringen, und da es keine anderen Alternativen gibt, ist man gezwungen, an den Veranstaltungen teilzunehmen."

    Damit haben die islamischen Verbände erreicht, was sie wollen: Kalischs Mohammed-kritische Äußerungen blieben nicht ohne Folgen. Für Erol Pürlü, bis vor kurzem Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland ist es selbstverständlich, dass der ungeliebte Professor nicht weiter Islamlehrer ausbilden soll.

    Bei der Besetzung der neuen Professur für Islampädagogik hätten die muslimischen Verbände gerne ein Mitspracherecht gehabt, doch das wurde ihnen - zu ihrer großen Enttäuschung nicht gewährt.

    "Der neue Bewerber sollte sich mit der Glaubensüberzeugung der Mehrheit der Muslime in Deutschland identifizieren können. Er sollte sich auch vorstellen können, mit islamischen Organisationen zusammenarbeiten zu können."

    Die Berufungskommission der Universität werde unabhängig entscheiden, betont Uni-Sprecher Norbert Frie:

    "Es hat in dem gesamten Besetzungsverfahren keinerlei Einfluss gegeben, keine Beteiligung von islamischen Verbänden. Der einzige Unterschied ist, wenn das Rektorat sich entschieden hat wird das Ministerium mit den islamischen Verbänden Kontakt aufnehmen, sie informieren und dann wird die Berufung erfolgen."

    Wissenschaftsminister Pinkwart hatte zuvor erklärt, er setze auf das "Einvernehmen mit den islamischen Verbänden", nicht zu verwechseln mit einem Kniefall, die Freiheit von Forschung und Lehre sei nicht gefährdet. Zur Zeit will er sich nicht zu dem laufenden Verfahren äußern, es sei Sache der Uni Münster, über die Besetzung der Professur zu entscheiden, erklärt sein Sprecher. Offen ist allerdings, was passiert, wenn der Auserwählte den islamischen Verbänden nicht passt oder - wie Kalisch – später durch seine Forschungen in Ungnade fällt. Professor Kalisch will sich da nicht einmischen, sein Fazit:

    "Das Risiko, dass ein paar Bekloppte, wenn ich das mal so sagen darf, da meinen, so etwas machen zu müssen, besteht immer. Das ist Berufsrisiko. Das Berufsrisiko des Theologen besteht darin, als Ketzer verbrannt zu werden."