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Neue Sparkassengebühren
"Es geht nicht um eine Freibiermentalität"

Mit Blick auf die Pläne von etwa 40 Sparkassen, zusätzliche Gebühren für das Geldabheben am Kontoautomaten zu verlangen, beklagte Verbraucherschützer Klaus Müller fehlende Transparenz. Bankdienstleistungen müssten nicht kostenlos sein, aber Informationen für Kunden, ob und wann Kosten anfielen, seien oft willkürlich und "kreativ".

Klaus Müller im Gespräch mit Martin Zagatta | 01.04.2017
    Eine Hand nimmt Geld aus einem Geldautomaten.
    Wie Kunden von Sparkassen über Veränderungen informiert werden, das stehe zur Diskussion, sagte Verbraucherschützer Klaus Müller im DLF. (dpa/picture alliance/epa Peter Hudec)
    Martin Zagatta: Ist das ein Gebührenhammer: Ausgerechnet Sparkassen, mindestens 40 schon, verlangen jetzt für Bargeldabhebungen Gebühren, bis zu einem Euro heißt es und manche schon beim ersten Gang zum Geldautomaten oder an den Schalter. Umgehen kann man das bei diesen Geldinstituten nur, indem man sich für einen teureren Kontotyp entscheidet, aber ist das tatsächlich eine Abzocke, ein Gebührenhammer, wie jetzt geklagt wird, oder können die Sparkassen diese Dienstleistungen nicht länger kostenlos zur Verfügung stellen angesichts des Kostendrucks? Klaus Müller ist Deutschlands oberster Verbraucherschützer, als Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Müller!
    Klaus Müller: Guten Morgen!
    Zagatta: Herr Müller, ist diese heftige Kritik, die jetzt auf die Sparkassen herunterprasselt, ist die überhaupt berechtigt?
    Müller: Also sie ist insofern berechtigt, dass tatsächlich die Kreativität der Gebühren, dass wir drüber reden müssen, wie eigentlich Kunden von Sparkassen informiert wurden und ob sie hier nicht einer wirklichen Willkür, das heißt einer Möglichkeit von Sparkassen, ihnen Dinge mal eben schnell unterzujubeln, ausgesetzt wird.
    Vorweg: Natürlich sind auch Bankdienstleistungen nicht kostenlos, sie müssen auch nicht kostenlos sein, aber die Art und Weise, wie uns hier Preissteigerungen präsentiert werden, das hat unseres Erachtens mit Wahrheit und Klarheit in der Form nichts zu tun.
    "Das die Regelungen für ein Konto auch wirklich gelten"
    Zagatta: Aber Voraussetzung ist – das sagen Sie auch –, die Geldautomaten kosten ja Geld, die müssen aufgefüllt, die müssen gewartet werden, man kann da nicht erwarten, dass dieser Service kostenlos ist.
    Müller: Nein, das kann man nicht, aber es geht eben um weit mehr als jetzt nur die Gebühren für das Geldabheben, und es geht auch nicht nur um die Sparkassen, muss man sagen, sondern wir sehen das bei anderen Bankinstituten ähnlich oder vergleichbar, aber trotzdem, der Punkt ist, dass dieses jetzt teilweise schon länger der Fall war und jetzt sozusagen auch erst umgesetzt wird und in der Aufmerksamkeit der Verbraucher und Bevölkerung steht, in der Öffentlichkeit entsteht, ist ein Zeichen dafür, dass wir ein Problem mit der Transparenz haben. Es ist eben nicht so, dass die Banken – und wir haben ja eingangs auch die Zitate mancher Sparkassenfunktionäre erwähnt –, dass hier wirklich immer mit offenen Karten gespielt wurde, und zweitens, wir haben ein Problem, dass der Gesetzgeber zwar viele Möglichkeiten geschaffen hat, leichter mein Konto zu wechseln – darum wird es jetzt demnächst für viele Verbraucher auch gehen –, aber dass es eben ein Willkürverbot gibt an der Stelle, dass es eben ein Problem ist, dass ich mich nicht drauf verlassen kann, dass die Regelungen für ein Konto, zum Beispiel Gebühren, auch wirklich gelten und nicht die Bank relativ einseitig hier die Bedingungen verändern kann. Das kennen wir praktisch aus vielen anderen Geschäftsbereichen des Lebens eben nicht. Da muss ich gefragt werden, und auch darum wird es gehen.
    "Wirklich unangenehme Fälle"
    Zagatta: Jetzt beklagen, genau wie Sie, viele der Kunden, der befragten Kunden, sie hätten das nicht gewusst, dass es diese Gebühren gibt, aber kann man das den Banken tatsächlich vorwerfen? Die informieren doch zumindest über ihre Geschäftsgebühren oder Geschäftsbedingungen. Wer sich dafür interessiert, der kann das wissen.
    Müller: Ja, aber sie tun das teilweise sehr, sehr kreativ. Der Finanzmarktwächter bei uns – das ist sozusagen die Abteilung der Verbraucherzentralen, die immer besonders genau nachguckt – sammelt schon lange wirklich unangenehme Fälle, und dazu gehören zum Beispiel Bankinstitute, die mir nicht ein ordentliches, verständliches Schreiben schicken, sondern mir das teilweise per Buchungstext in Rahmen eines Kontoauszugs bei einer Null-Euro-Überweisung mitteilen. Das ist natürlich keine wirklich faire Information, und ein Dilemma ist eben, dass noch die gesetzliche Grundlage so ist, dass ich nicht gefragt werden muss.
    In anderen Situationen, wenn ich zum Beispiel mein Strompreis erhöht wird oder jemand den Preis meines Brötchens erhöht, dann werde ich ja mit der Preiserhöhung gefragt, bin ich trotzdem noch einverstanden, das Produkt oder die Dienstleistung noch zu kaufen. Das kennen wir eben im Bankbereich in der Form nicht und haben da schlicht das Problem, dass mir die Bank dieses mitteilt, und, ja, wenn ich da vielleicht nicht wirklich alles lese, was irgendwie in meinem Postbereich kommt, dann ist dieses mir einfach nur mitgeteilt worden, und da reden wir jetzt demnächst mit dem Gesetzgeber, mit dem Deutschen Bundestag drüber, ob nicht die Fälle, die wir zur Zeit erleben, und tatsächlich die Wut, die das momentan auslöst bei Verbrauchern, ob wir nicht da im Rahmen der sogenannten Richtlinienumsetzung zu Zahlungsverkehr – PSD 2 für die Experten –, wir hier einen Schutz vor Willkür brauchen.
    "Sparkassenfunktionäre haben sich zu weit aus dem Fenster gelehnt"
    Zagatta: Herr Müller, noch vor einem halben Jahr hat der Chef des Sparkassenverbandes, Georg Fahrenschon zugesagt – ich zitiere das mal –, "Abhebungen an unseren Geldautomaten sind für Kunden kostenlos, und das wird auch so bleiben". Halten Sie ihm da jetzt zugute, dass sich der Kostendruck vielleicht noch einmal erhöht hat, oder hat er da die Kunden getäuscht?
    Müller: Also ich glaube, dass Herr Fahrenschon zurzeit ganz, ganz furchtbare Tage hinter sich hat und noch vor sich haben wird, weil er natürlich als Sparkassenpräsident den Sparkassen nicht sagen kann, was sie tun. Er hat sich da weit aus dem Fenster gelehnt. Das war mindestens unglücklich und ungeschickt an der Stelle, und ich glaube, er hat sich einfach verschätzt. Der hat sich verschätzt, dass viele Sparkassen und Bankinstitute eben nicht zuerst drüber nachdenken, wo kann man vielleicht mal selber was an den Kostenschrauben drehen. Also ein berühmtes Beispiel, nicht zuletzt bekannt von den Äußerungen des letzten SPD-Kanzlerkandidaten, Herrn Steinbrück, war ja immer mal die Frage, welche Gehälter haben zum Beispiel Vorstände von Sparkassen, wo können sie vielleicht selber für Kosteneinsparungen sorgen. Nein, sie geben das inzwischen extremst kreativ weiter an die Kunden.
    Noch mal: Es geht nicht um eine Freibiermentalität, wo alles kostenlos sein muss, sondern darum, wie ehrlich und fair gehe ich hier mit den Kunden um. Es sind auch nicht alle Sparkassen betroffen, es sind auch nicht alle Banken betroffen, und darum muss man ganz deutlich sagen, hier haben die Sparkassenfunktionäre in der Tat zu weit aus dem Fenster gelehnt. Das fällt ihnen jetzt mit echt blauen Flecken auf die Füße, und da hilft nur eins: Sich überlegen, will ich das wirklich zahlen, oder will ich meinen Anbieter wechseln. Das geht heutzutage ziemlich leicht und einfach.
    Zagatta: Das empfehlen Sie im Prinzip.
    Müller: Absolut. Es ist so, genau wie wenn ich irgendwo auf dem Marktplatz eingehe und plötzlich feststelle, das Pfund Kartoffeln soll deutlich mehr kosten als ich gewohnt bin und bereit bin zu zahlen, dann habe ich heute die Möglichkeit, und das geht wirklich vergleichsweise leicht im Vergleich zu früher, weil es Dienstleistungen gibt, die dafür sorgen, dass zum Beispiel das Überweisen für Miete, für Strom und vieles andere vergleichsweise leicht auf ein neues Konto zu übertragen ist. Ja, ich als Verbraucher bin jetzt derjenige, der sich wieder drum kümmern muss, und insofern hilft nur, wenn ich mich so drüber ärgere, wie das viele Menschen zurzeit tun, dann muss ich meine Bank und Sparkasse wechseln, und es gibt nach wie vor Anbieter, die das wesentlich kostengünstiger oder aber von der Kostenstruktur einfacher und leichter und transparenter machen, weil ich einmal im Monat einen Beitrag zahle, was, wie gesagt, legitim ist, und es gibt nach wie vor Anbieter, die tun das kostenlos.
    "Künftig muss bei Bankdienstleistungen gelten, ich werde zuerst gefragt"
    Zagatta: Für viele ältere oder sehr alte Menschen kommt das ja online gar nicht infrage. Die wollen da an den Bankschalter. Können Sie als Verbraucherschützer denn mit gutem Gewissen tatsächlich eine solche Empfehlung abgeben, den Sparkassen den Rücken zu kehren? Das trägt doch jetzt auch wieder zum Filialsterben weiter bei.
    Müller: Ja, das ist jetzt eine Frage, was war zuerst da an der Stelle. Zuerst haben einfach viele Verbraucher ihr Bankverhalten geändert, und ich finde, das ist eine Entscheidung, die ist legitim, und die kann man auch nicht kritisieren. In der Tat ist es ein Problem, dass Menschen, die Bankschalter wollen, brauchen, haben möchten, dafür eben einen Preis zahlen werden. Und noch mal: Niemals haben Verbraucherzentralen gesagt, Bankdienstleistungen müssen kostenlos sein, aber muss es tatsächlich eine Kreativitätswelle an verschiedensten Bankentgelt und Gebühren sein. Darauf ist eben die Wutwelle die Antwort.
    Die Frage ist, wie transparent gehe ich damit um, dass ich hierfür Geld brauche, wie erkläre ich das eigentlich, zweites Problem, und das dritte Problem ist eben, ich kann mich gar nicht drauf verlassen, dass ich gefragt werde, bevor mehr Geld von mir verlangt werden soll. Das ist eben das Problem des Willkürschützers, und darum sagen wir, eine nötige Konsequenz dieses Verhaltens der Banken und Sparkassen ist, künftig muss auch bei Bankdienstleistungen gelten, ich werde zuerst gefragt, ich muss zustimmen, dass ich hier tatsächlich mehr Geld zahlen muss, man soll mir das nicht einfach nur unterjubeln können.
    Zagatta: Klaus Müller, der Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes. Herr Müller, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Müller: Ich danke Ihnen, und schönen Samstag noch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.