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Neue Strategien gegen Virusinfektionen

Rund 20 Prozent aller Krebsformen werden durch Infektionserreger - meistens Viren - ausgelöst. Was Forscher aber immer noch Kopfzerbrechen verursacht ist die Frage, warum manche Viren an manchen Zellen andocken und warum sie andere links liegen lassen. Wie lässt sich eine solche Andockstelle finden, und wie könnte man therapeutisch gegensteuern?

Von Alexandra Gerlach | 24.03.2009
    Bis auf den letzten Platz gefüllt ist der große Hörsaal der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, als am letzten Mittwoch Prof. Harald zur Hausen spricht.

    Zur Hausen ist der Held der Virologen. Dabei galt der 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin geehrte deutsche Wissenschaftler vom Krebsforschungszentrum Heidelberg über lange Zeit als einsamer Rufer in der Wüste. Bereits vor mehr als 30 Jahren vermutete zur Hausen einen Zusammenhang zwischen Infektionen mit humanen Papilloma-Viren und Gebärmutterhalskrebs, einer der häufigsten Krebsarten bei Frauen. Durch seine Forschung ist es gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, der inzwischen sehr erfolgreich engesetzt wird.

    Viren begleiten den Menschen sein ganzes Leben lang, nicht immer machen sie ihn zwangsläufig krank. Viren sind keine Lebewesen, sondern eine Zusammenballung aus Eiweiß, Salzen und etwas Erbinformation. Sie suchen sich einen Wirt, docken an Zellen an und können damit den gesamten Organismus durcheinander bringen beziehungsweise Zellen absterben lassen. Das gilt nach den Worten des Leipziger Virologen Professor Uwe Liebert als gesichert.

    "Aber was unter der Oberfläche stattfindet, das sind diese ganz feinen molekularen Mechanismen, die kennen wir noch nicht. Die können wir auch deshalb nicht kennen, weil wir noch nicht einmal die Zelle insgesamt verstanden haben. Wir wissen einfach nicht, wie eine Zelle tatsächlich aufgebaut ist, wie sie funktioniert, wie Eiweißkörper mit Erbinformationen Wechselwirken und wie sie sich gegenseitig beeinflussen."

    Viren seien wie "Piraten, die ein Schiff entern und dann versenken", sagt der Direktor des Leipziger Instituts für Virologie. Im Schatten der schlagzeilenträchtigen Erreger für HIV oder die Vogelgrippe treiben andere, auf den ersten Blick harmlose Viren, ihr Unwesen, die immer wieder schwere Erkrankungen auslösen, so wie etwa Schnupfenviren, die schwere Lungenentzündungen zur Folge haben, oder sogenannte Rotaviren, die Durchfall auslösen.

    Die Wissenschaftler registrieren immer neue Viren, manche kommen aus weit entfernten Regionen zu uns nach Deutschland. Nach Ansicht des Münchner Virologen Professor Ulrich Koszinowski müsste deshalb sogar das gesamte Impfsystem gegen die ebenso alltäglichen wie gefürchteten Influenza-Viren verändert werden, um die Menschen wirksam zu schützen:

    "Ja, wir haben ja gesagt, die Impfstoffe haben gewirkt, wir haben die richtige Selektion, aber wir haben auch Glück gehabt. Hätten wir wirklich Pech, und hätten wir, wie es passiert ist vor vier Jahren, dass die Influenza-Viren sich wirklich im Menschen hätten heimisch machen können, dann hätten wir keinen Impfstoff gehabt und hätten über lang Zeit keinen produzieren können, denn diese Viren sind so virulent, dass sie die normalen produzierenden Zellen schon abtöten, sodass man gar keinen guten Impfstoff machen kann."

    Die Gefahr einer Pandemie, also einer weltumspannenden Virus-Epidemie, sei nach wie vor nicht gebannt. Darin sind sich die Virologen einig. So gilt ihr besonderes Augenmerk jenen Viren, die unter Umständen vom Tier auf den Menschen übergehen könnten, so wie etwa das Vogelgrippe-Virus. Zwar sei es äußerst selten, dass ein Virus den Wirt wechsele, sagt Professor Uwe Truyen, von der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig:

    "Aber wenn es passiert, dann kann es eben richtig furchtbare Folgen haben, wie zum Beispiel bei der Influenza, der sogenannten Spanischen Grippe, von der man heute weiß, dass das damals schon ein Virus war, was vom Vogel auf den Menschen kam und dann in einer furchtbaren Pandemie Millionen von Menschen getötet hat."

    Schon deshalb geht Truyen in seinen Forschungen auch der Frage nach, ob das für Schafe, Ziegen und Kühe gefährliche Bauzungenvirus auch auf den Menschen übergehen könnte.