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Neue Technik für kabellosen Energietransfer
Smartphones laden im Vorbeigehen

Ein Handy aufladen, ohne es ans Netzgerät anzuschließen – das ist schon für manche Modelle möglich. Forscher aus den USA haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem das in Zukunft noch deutlich einfacher werden könnte. Handys und sogar E-Autos könnten buchstäblich im Vorbeigehen aufgeladen werden.

Von Frank Grotelüschen | 15.06.2017
    Eine Ladestation zum drahtlosen Aufladen eines Telefons derMarke LG
    Eine Ladestation zum drahtlosen Aufladen eines Telefons. Eine neue Technik verspricht deutliche Verbesserungen. (Deutschlandradio )
    Steckt man das Ladekabel hinein, gibt manch ein Handy einen nervigen Ton von sich. Dabei muss ein Ladekabel oft gar nicht mehr sein, viele Smartphones lassen sich kabellos aufladen, indem man sie einfach auf eine spezielle Matte legt. Das Prinzip ähnelt dem einer elektrischen Zahnbürste: In ihrem Ständer steckt eine Spule, die ein wechselndes Magnetfeld erzeugt. In der Zahnbürste befindet sich ebenfalls eine Spule. Sie wandelt das Magnetfeld aus dem Ständer per Induktion in Strom um, und der speist dann die Batterie. Beim kabellosen Aufladen von Handys nutzt man einen weiteren Effekt: Und zwar schwingen Sende- und Empfangsspule auf einer Resonanzfrequenz, was die Energieübertragung deutlich effizienter macht. Doch die Technik besitzt ein Manko:
    "Der Nachteil bei den heutigen Systemen: Bewegt sich das Objekt, das man aufladen möchte, verändert sich die Effizienz des Ladevorgangs. Dem muss man dann mit einer speziellen Regelung entgegenwirken, was in vielen Fällen zu Problemen führt", sagt Shanhui Fan, Elektrotechnik-Professor an der Stanford-Universität.
    Einen Quanteneffekt ausgenutzt
    Die Regelung, von der er spricht, ist relativ aufwendig: Und zwar wird die Sendespule in der Ladematte durch Radiowellen mit Energie gefüttert. Die optimale Frequenz dieser Wellen hängt von der Entfernung zwischen Ladematte und Handy ab. Verschiebt man beide gegeneinander, ändert sich die Frequenz, und auch die Frequenz der energiezuführenden Radiowellen muss nachgeregelt werden – was in der Praxis nicht ohne Verluste geht. Die Stanford-Forscher ersetzen das Konzept mit den Radiowellen nun durch einen speziellen Verstärker. Indem er einen Quanteneffekt namens PT-Symmetrie ausnutzt, kann er sich ganz von selbst auf eine optimale Einstellung regeln. Und tatsächlich: Im Labor funktioniert das Konzept bereits: Shanhui Fan hat zwei scheibenförmige Spulen so angebracht, dass sie sich auf einer Stange hin- und herschieben lassen. Eine Scheibe fungiert dabei als Sender, die andere als Empfänger.
    "An den Empfänger haben wir eine LED angebracht. Nur wenn sie hell aufleuchtet, wird viel Energie übertragen, sonst nicht. Dann haben wir die beiden Scheiben gegeneinander verschoben. Bei der Standardmethode leuchtete die LED nur bei einer ganz bestimmten Distanz maximal auf. Bei unserer Methode dagegen blieb die LED über die gesamte Strecke von einem Meter immer gleich hell."
    Ein Auto lädt seine Batterie während der Fahrt nach
    Damit haben die Forscher ein paar Milliwatt übertragen, doch auch mehrere Dutzend Watt sollten problemlos möglich sein, sagt Fan. Nur: Wie effizient ist die Methode, wie viel Energie geht bei der Übertragung verloren? Bislang noch recht viel, sagt der Wissenschaftler – doch mit besseren Verstärkern sei eine Effizienz von mehr als 90 Prozent drin. Das wäre dann genug für manch interessante Anwendung:
    "Man könnte sich vorstellen, dass sich das Handy von selber auflädt, wenn man mit ihm herumläuft. Und denkbar wäre auch, Elektroautos während der Fahrt aufzuladen: Der Wagen rauscht über die Autobahn und lädt seine Batterie laufend nach. Das wäre natürlich sehr interessant, ist aber noch eine eher spekulative Anwendung unserer Technologie."
    Technische Fragen sind noch zu klären
    "It’s a really powerful method I think", meint Geoffroy Lerosey vom Institute Langevin in Paris, er war an der Studie nicht beteiligt. "Es ist, denke ich, eine sehr leistungsfähige Methode – sehr einfach und sehr robust. Zunächst war ich überrascht, wie einfach das gehen soll. Aber als ich mir die Sache dann näher anschaute, wurde mir schnell klar: Ja, das müsste funktionieren."
    Dennoch: Bevor sich die neue Technologie in Handys oder Elektroautos findet, ist manche Herausforderung zu meistern. Zum Beispiel:
    "Bislang haben die Forscher aus Stanford nur bewiesen, dass ihr System funktioniert, wenn man einfach nur den Abstand zwischen den Spulen verändert. Was aber passiert, wenn man den Winkel zwischen den Spulen variiert, etwa indem man die Empfängerspule von links nach rechts über den Sender bewegt? Ob das funktioniert, ist unklar und muss noch untersucht werden."
    Genau das aber wäre wichtig, um den Traum von Shanhui Fan wahr werden zu lassen – Elektroautos während der Fahrt mit Strom zu füttern.