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Neue Universität in Luxemburg
Studieren zwischen stillgelegten Hochöfen

Keine Studiengebühren, dafür aber exzellente Forschungsvoraussetzungen: Am alten Stahlstandort Esch-Belval im Süden Luxemburgs eröffnet diese Woche die neue Universität. Ihr fällt eine doppelte Aufgabe zu: Sie muss den dringend benötigten akademischen Nachwuchs sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland für Luxemburg sichern.

Von Tonia Koch | 15.09.2015
    Werbung für die neue Universität in Luxemburg an einer Bushaltestelle
    Werbung für die neue Universität in Luxemburg: "Die Stadt empfängt die Universität von Luxemburg - wir freuen uns" (dpa/picture alliance/Romain Fellens)
    In Esch-Belval im Süden von Luxemburg haben Hochöfen und Stahlfabriken über Jahrzehnte für Wachstum und Beschäftigung gesorgt. Doch das ist Geschichte. Am alten Stahlstandort ist binnen zehn Jahren eine mehrsprachige Universität geschaffen worden, an dem die bislang verstreut liegenden Institute zusammengeführt wurden. Diese Woche ist Auftakt für die etwa 6.000 Studierenden.
    Zwischen zwei stillgelegten Hochöfen und dem imposanten Hochhaus einer Bank behauptet sich auf dem neuen Universitätsgelände Luxemburgs das "maison du savoir", das Haus des Wissens. Hierhin hat die Universitäts-Leitung ihre Studierenden zu Kaffee, Tee und Croissants eingeladen. Es sind viele Ausländer darunter, das Lehrangebot ist dreisprachig: Englisch, Deutsch und Französisch.
    "Mich reizt die Mehrsprachigkeit und es ist auch noch nahe von zu Hause."
    Hannah Marxen kommt aus Trier und studiert im ersten Semester Psychologie. Sie wohnt in einem der neuen Studentenwohnheime auf dem Campus in Belval. Die meisten aber pendeln, wie der Deutsch-Tunesier Ismael Bouabidi. Er wohnt ebenfalls in Trier:
    "Ich studiere Elektrotechnik und mache ein dreisprachiges Diplom, die Qualität ist auch gut hier."
    Oder Emma Beigné. Sie stammt aus Südfrankreich und fühlt sich sprachlich nur im Französischen zu Hause:
    "Ich wollte mal ein Land im Norden für mich entdecken."
    Luxemburger Studenten aus dem Ausland zurückholen
    Zum Semesterauftakt mischt sich auch der Rektor, Rainer Klump, unter die Studierenden. Er ist zu Beginn des Jahres von Frankfurt am Main an die Spitze der Universität Luxemburg gewechselt. Die Hochschule, sagt Klump, sei Teil der nationalen Entwicklungsstrategie:
    "Das Land hat ja die Vision, dass es weiter wachsen will und es wird dann besonders gut wachsen, wenn diese Zuwanderung von außen hoch qualifizierte Menschen umfasst und es den Menschen die Möglichkeit bietet, sich hoch qualifiziert auszubilden."
    Ohne ausländische Arbeitskräfte würde die luxemburgische Wirtschaft zusammenbrechen, bereits jetzt kommt etwa die Hälfte der Beschäftigten aus Frankreich, Deutschland, Belgien und den übrigen EU-Staaten. Der Universität fällt daher eine doppelte Aufgabe zu. Sie muss den dringend benötigten akademischen Nachwuchs sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland für Luxemburg sichern. Denn bis vor zehn Jahren glaubten die politisch Verantwortlichen, das Land sei zu klein für eine eigene Universität. Es sei besser, wenn junge Leute über den Tellerrand hinausschauten und woanders studierten. Das taten sie dann auch. Nur viele kehrten nicht mehr zurück. Das soll sich ändern.
    "Wir würden gerne Luxemburger, die zum Bachelor-Studium ins Ausland gehen, zum Master und zur Promotion wieder ins Land zurückholen. Ich denke, mittel- und langfristig werden etwas mehr als die Hälfte aus dem Ausland kommen und etwas weniger als die Hälfte Luxemburger sein. Ich denke, eine ganz gute Mischung."
    "Es sind traumhafte Bedingungen"
    Zur strategischen Ausrichtung der Universität gehört es auch, den Forschungsstandort Luxemburg auszubauen, um die derzeitige Abhängigkeit der Wirtschaft von den Banken und den Finanzdienstleistern zumindest ein wenig zu verringern. Selbstverständlich, ohne die vorhandenen Kompetenzen des Landes zu vernachlässigen, sagt Rainer Klump:
    "Das bedeutet, wir werden einen starken Schwerpunkt haben zu allem, was Digitalisierung angeht, Digitalisierung als Forschungsthema in der ICT, in der Informationstechnologie. Dann werden wir einen starken Schwerpunkt in allem setzten, was mit Europa zu tun, die Zusammenarbeit mit den europäischen Institutionen. Und dann haben wir eine Reihe von Themen, wo wir für die Entwicklungsstrategie des Landes Akzente setzen wollen und werden zum Beispiel den Bereich Logistik weiter ausbauen und wir werden auch den Finanzbereich weiter wissenschaftlich erforschen."
    Augenblicklich stehen der Universität jährlich 200 Millionen Euro zur Verfügung, davon 35 Millionen an Drittmitteln. Die finanzielle Ausstattung nennt Klump, der die Nöte deutscher Universitäten kennt, solide. Der ebenfalls aus Deutschland stammende Dekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Professor Georg Mein, ist weniger zurückhaltend:
    "Es sind traumhafte Bedingungen, die wir hier haben, also die Relation Professoren- Studenten ist eine ganz andere als an deutschen Massen-Universitäten, das ist der eine Punkt. Die Bedingungen für die Forschenden sind exzellent, wir haben ähnliche Bedingungen vielleicht nur noch an den Eliteuniversitäten in der Schweiz."
    Zu den guten Bedingungen zählt auch, das Luxemburg von den etwa 6.000 Studierenden keine Studiengebühren verlangt.