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Neuer Deutsche-Bank-Chef
Bodenständiger Westfale mit Fingerspitzengefühl

Vom Azubi zum Chef: Nach vielen Stationen bei der Deutschen Bank hat Christian Sewing nun den höchsten Posten erreicht. Er genießt einen guten Ruf - auch bei Arbeitnehmervertretern. Doch nach den Unruhen der vergangenen Wochen erwarten ihn große Herausforderungen.

Von Mischa Ehrhardt | 09.04.2018
    Christian Sewing, neuer Chef der Deutschen Bank, bei der Hautpversammlung des Geldhauses im Februar 2018
    Christian Sewing hat eine Karriere wie am Schnürchen bei der Deutschen Dank hinter sich - aber angeblich nicht geplant (imago stock&people)
    Als passionierter Tennisspieler hat Christian Sewing vielleicht versucht, sich am Wochenende den Davis-Cup-Krimi zwischen Spanien und Deutschland anzusehen. Allerdings dürften, wenn er überhaupt die Ruhe dazu hatte, seine Gedanken schon abgedriftet sein zu seiner neuen Aufgabe.
    Er habe seine Karriere nie geplant, ließ Sewing in einem Interview vor einem Jahr wissen. Das war, als er zum Vize-Chef der Bank gekürt worden war. Im Rückblick allerdings wirkt seine Karriere wie am Schnürchen ausgerichtet: 1989 hat Sewing in einer Filiale der Deutschen Bank in Bielefeld seine Karriere begonnen - als auszubildender Bankkaufmann. Berufsbegleitendes Studium, Junior Firmenkundenbetreuer im kanadischen Toronto, Kreditleiter in Japan, Risikomanager in London: Sewing hat viele Stationen in der Bank passiert, um die ungeplante Karriere nun mit dem Chefsessel krönen zu können.
    Bei Arbeitnehmervertretern wohlgelitten
    Dabei gilt der Westfale als bodenständig. So auch seine erste Nachricht an die rund 100.000 Mitarbeiter der Bank am heutigen Morgen. Mit Blick auf die Spekulationen rund um die Neubesetzung des Chefpostens der Bank in den vergangenen Wochen schrieb er:
    "Die vergangenen Wochen waren mit erheblicher Unruhe verbunden. Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen, wie besorgt Sie waren und sind. (…) Zwei Interessengruppen werden nun ganz besonders in meinem Fokus stehen: Das sind unsere Kunden und das sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen."
    Fingerspitzengefühl wird Christian Sewing nachgesagt. Das hat er in den vergangenen Monaten im Umgang mit Arbeitnehmervertretern bewiesen. Denn unter seiner Ägide haben die Bemühungen gestanden, die Postbank in den Konzern zu integrieren. 200 Filialen und tausende Stellen sind auf diesem Weg weggefallen. Trotzdem ist er als Verhandlungspartner bei Arbeitnehmervertretern wohl gelitten. So konnte Christian Sewing bei der Vorlage der Bilanz der Deutschen Bank im Februar sagen:
    "Wir haben ein Freiwilligenprogramm aufgesetzt im Dezember, wir haben große Einigkeit mit den Arbeitnehmervertretern über die nächsten Schritte. Alles on track für 2018."
    Nüchterne Sicht auf die Probleme
    Viele andere Dinge aber sind bei weitem noch nicht "on track", also auf dem richtigen Weg bei der Deutschen Bank. So wird der Familienvater von vier Kindern all seine Geduld und Beharrlichkeit aufbringen müssen, um die Bank wieder in ruhigere Fahrwasser zu steuern. Als Gewächs aus dem eigenen Hause mit seiner Karriere als Vorstand für Privat- und Firmenkunden wird er den Fokus wahrscheinlich auf den hiesigen Markt richten. Mit seiner früheren Position als Risikomanager aber ist er auch mit den Chancen und den Abgründen des Investmentbankings gut vertraut. Alles in allem beweist Sewing eine nüchterne Sicht auch auf die Probleme der Bank, wenn er in seinen Brief an die Mitarbeiter schreibt:
    "Die Herausforderungen für uns alle sind groß. (…) Es gibt nichts, worauf wir uns ausruhen können. (…) Wir müssen klarer und schneller entscheiden. Wir müssen besser zusammenarbeiten, wir müssen den Teamgeist in den Mittelpunkt stellen."
    Sewing bringt gute Voraussetzungen mit, diese Ankündigung auch umzusetzen. Leicht allerdings dürften die nächsten Schritte in seiner ungeplanten Karriere nicht werden.