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Neuer ESA-Generaldirektor Aschbacher
Europas Raumfahrt auf neuen Wegen

Seit März ist Josef Aschbacher Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Der österreichische Geophysiker konnte sich gegen die starke Konkurrenz aus Frankreich, Deutschland und Italien durchsetzen. Nun will er Europas Raumfahrt dynamischer, kommerzieller und risikofreudiger machen

Von Dirk Lorenzen | 07.04.2021
Bald ESA-Generaldirektor? Josef Aschbacher ist bisher der Mann für die Erdbeobachtung
Seit dem 1. März 2021 ist der Österreicher Josef Aschbacher Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA (ESA)
"Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als Neil Armstrong am Mond gelandet ist. Ich war ein kleiner Knirps damals im Alter von sieben Jahren.
Josef Aschbacher, geboren im Sommer 1962 im kleinen Ort Ellmau in Tirol, ist ein wahres Apollo-Kind.
"Und das war einfach faszinierend. Ich habe meine Eltern ständig genervt mit allen möglichen Fragen. Meine Eltern haben dann gesagt: Um Gottes Willen, das können wir nicht alles beantworten. Hier ist ein Buch, das sie von der Pfarrbibliothek ausgeliehen haben, um meinen Wissensdurst zu stillen. Wie ist es möglich, dass jemand auf den Mond fliegen kann? Unvorstellbar. Faszinierend. Und ich wollte ganz einfach mehr darüber wissen."
Zwar hätte er der Tradition gemäß den elterlichen Bauernhof übernehmen sollen. Doch der Weltraum ließ ihn nicht mehr los, und so entschloss sich Josef Aschbacher zu einem Studium in Innsbruck. Da ging es aber nicht um den Mond und den fernen Weltraum, sondern um die Kombination von Erdverbundenheit und Raumfahrt.
"Als ich mein Studium ausgewählt habe, habe ich genau den Studienzweig ausgewählt, wo Weltraumforschung möglich ist. Das war die Meteorologie und Geophysik, weil wir hier einen sehr berühmten, sehr bekannten Professor hatten, Professor Bolle, der auch international sehr anerkannt war und der sehr viel in dem Bereich Weltraum gearbeitet hat, in diesem Fall die Verwendung von Satelliten für die Erkundung unseres Planeten."
08.05.2019, Berlin: Jan Wörner, Generaldirektor der ESA, spricht während der Digitalkonferenz "re:publica". Foto: Soeren Stache/dpa | Verwendung weltweit
Wörner: Stärkere Zusammenarbeit zwischen EU und ESA notwendig
Am 30. Juni endet für Jan Wörner offiziell die Amtszeit als Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Als größte Herausforderung für die Zukunft der ESA bezeichnet er im DLF-Interview die weitere Kommerzialisierung und Privatisierung der Raumfahrt sowie die verstärkte Interaktion der ESA mit der EU.

Der Nutzen steht für Aschbacher im Vordergrund

1990, gleich nach seinem Abschluss, begann Josef Aschbacher am ESA-Institut für Weltraumforschung in Frascati – und widmete sich während seiner gesamten Laufbahn der Erdbeobachtung. Dreißig Jahre später ist aus dem Nachwuchsforscher, der mit Mikrowellenstrahlung von Satelliten aus die Atmosphäre und den Erdboden untersucht hat, der ESA-Generaldirektor geworden. Seine Faszination für die Forschung ist auch als Raumfahrtmanager ungebrochen, betonen viele Beobachter – so auch Andreas Lindenthal, derzeit bei der Raumfahrtsparte von Airbus, früher lange beim Unternehmen OHB:
"Was ihn, wenn ich das mal so als Satellitenbauer sagen darf, auszeichnet, ist, dass er kein Satellitenbauer ist. Also er redet nicht im Detail über die technische Konfiguration eines Satelliten, eines Instruments oder gar einer Komponente, sondern für ihn ist es wichtig: Welche Daten stehen mir zur Verfügung? Welche Leistungsfähigkeit haben diese Daten? Da kann es um Genauigkeit gehen, da kann es um Häufigkeit, um die Wiederholbarkeit von Datenerhebung gehen, damit man eine Entwicklung beobachten kann. Also dieser Fokus, den er mitgebracht hat auch aus seiner beruflichen Tätigkeit: Der Nutzen steht im Vordergrund."
Oft gibt es absurd detaillierte Vorgaben für den Bau von Satelliten, fast bis zur Farbe der Schrauben. Josef Aschbachers Sache ist das nicht. Ihn interessiert, dass der Blick aus dem All immer vielfältiger wird, um zu erkennen, in welchem Zustand Böden und Vegetation sind, wie es um Flüsse und Ozeane steht und wie der Klimawandel unseren Planeten verändert. Eine offenbar prägende Zeit für Josef Aschbacher waren seine sieben Jahre ab 1994 am Joint Research Centre der Europäischen Kommission im norditalienischen Ispra. Er war unmittelbar beteiligt, als das inzwischen weltweit führende Erdbeobachtungsprogramm Copernicus von ESA und EU begründet wurde. Neue Ideen für Instrumente und Messverfahren, auch von Josef Aschbachers Team in Ispra, brachten den Durchbruch. Denn allein die Begeisterung für die Erde reicht nicht, berichtet sein damaliger Bürokollege Gunter Schreier, der heute für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet.

ESA muss Kommerzialisierung der Raumfahrt vorantreiben

"Auf der anderen Seite der Münze ist natürlich die Innovation. Das treibt einen wie Josef Aschbacher natürlich auch an. Da hat er ja mit seinem Phi Lab in Frascati einen innovativen Think Tank, dass man sagt, man möchte nicht nur den großen industriellen Primes ihre Bühne geben, sondern gerade Startups und Querdenkern, die sagen, wir machen jetzt mal Satellitentechnologie ein bisschen anders. Wir nutzen Artificial Intelligence und andere Technologien. Ich glaube, diese beiden Geschichten gehören zusammen."
Daher könnte Josef Aschbacher, trotz oder vielleicht gerade wegen seiner drei Jahrzehnte Berufserfahrung bei ESA und EU, auch für den New Space, die neue, etwas unkonventionellere Art der Weltraumfahrt stehen. Jetzt muss er zeigen, dass die alte europäische Raumfahrt-Agentur und neuer Weltraum wirklich zusammenpassen. Für mindestens vier Jahre führt er die ESA – und doch hat er im All nicht alles erreicht, was er wollte.
"Ich beneide Franz Viehböck. Ich kenne ihn persönlich sehr gut. Ich habe seine Mission mit großer Spannung verfolgt. Das wäre schon ein Traum von mir gewesen."
Franz Viehböck war 1991 als bisher einziger Österreicher im Weltall, für eine Woche an Bord der russischen Raumstation MIR. Der Astronaut hatte sich gegen viele Mitbewerber durchgesetzt, auch gegen den heutigen ESA-Chef.

"Ich habe mich beworben. Allerdings, ich will das nicht entschuldigend sagen, aber ich war damals noch im Studium. Ich war eigentlich zu jung. Man erwartet von den Bewerbern, dass sie ein abgeschlossenes Studium haben und zum Teil sogar etwas Berufserfahrung und das hatte ich damals noch nicht."
Da passt es, dass die ESA gerade die erste Astronautenauswahl seit 13 Jahren durchführt – und so wird Josef Aschbacher Ende 2022 wohl sechs Menschen nominieren, die seinen Traum vom All verwirklichen. Eines allerdings darf auch ein ESA-Generaldirektor nicht: Sich selbst als Astronauten auswählen.