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Neuer Halt für kraftlose Spermien

Raucher werden inzwischen mit deutlichen Warnungen auf die Risiken des Tabakkonsums hingewiesen. Unter den Hinweisen, die von den Herstellern abwechselnd auf die Packungen zu drucken sind, ist auch folgender: Rauchen kann die Spermatozoen schädigen und schränkt die Fruchtbarkeit ein. US-Forscher berichten nun, dass ausgerechnet ein Marihuana-ähnlicher Wirkstoff verlorene Spermien-Funktionen wiederherstellen kann.

Von Martin Winkelheide | 25.10.2006
    Spermien sind alles andere als taub für Signale aus ihrer Umgebung, sagt Lani Burkman von der Universität Buffalo:

    " Spermien können körpereigene Stoffe erkennen und Stoffe aus der Umwelt. Die körpereigenen Verbindungen sind sehr wichtig, weil sie den Spermien helfen, damit bei einer Befruchtung alle Schritte richtig ablaufen. "

    Nikotin aus dem Zigarettenrauch ist ein Umweltgift. Aber auch auf diesen Stoff reagieren Spermien.

    " Nikotin wirkt so ähnlich wie das köpereigene Acetylcholin. Und Acetylcholin ist ein wirklich wichtiger Botenstoff. Er steuert viele Funktionen im menschlichen Körper - überall. "

    Acetylcholin bindet an speziellen Stellen von Zellen - den Rezeptoren. An diese Rezeptoren bindet auch das Nikotin. Wenn Männer lange Zeit und viel rauchen, dann verhalten sich ihre Spermien so, als wären sie ständig großen Mengen von Acetylcholin ausgesetzt.

    " Die Spermien schwimmen dann sehr schnell. Das ist nicht unbedingt gut. Denn sie verbrauchen viel Energie und sind erschöpft, bevor sie die Eizelle erreichen. "

    Und sollte es den Spermien dennoch gelingen, bis zur Eizelle zu schwimmen, wartet dort das nächste Problem.

    " Das Spermium muss an der Hülle der Eizelle fest andocken. Und genau das schaffen vom Nikotin geschwächte Spermien schlecht. Bei zwei von drei Rauchern haften die Spermien nicht sehr gut an der Eizelle. "

    Keine Haftung - keine Befruchtung: Die Spermien schaffen es nicht, in die Eizelle hinein zu kommen. Viele Stoffe hat Lani Burkman ausprobiert, in der Hoffnung Spermien wieder bindungsfähig machen zu können. Eine Substanz erwies sich als besonders wirksam. Ihr Name: 1446. Die Zahl steht für ein künstlich hergestelltes Cannabinoid. Eine Verbindung, die Inhaltsstoffen im Marihunana ähnelt.

    " Das THC im Marihuana geht ins Gehirn und löst dort die euphorischen Gefühle aus. Der neue synthetische Wirkstoff macht das nicht - er gelangt gar nicht ins Gehirn. Dafür beeinflusst 1446 bei Spermien den Rezeptor, an den das Acetylcholin bindet - und dies wahrscheinlich sehr gezielt. "

    Im Labor erwies sich die Substanz als sehr wirksam. Spermien von Rauchern, die zuerst gewaschen und dann in einer Lösung mit 1446 gebadet wurden, schwammen weniger hektisch, und sie konnten fester an einer Eizelle andocken. Aber was bedeutet das für Raucher mit Kinderwunsch? Wenn schon rauchen, dann vielleicht beides, Zigaretten und Marihuana? Lani Burkman winkt ab.
    " Wenn Männer beide Drogen rauchen, dann funktionieren die Spermien trotzdem nicht gut. Sie dürfen nicht vergessen: Wenn Sie Marihuana rauchen, dann nehmen sie mindestens 40 sehr verschiedene Cannabinoide im Körper auf. "

    In sieben bis zehn Jahren, glaubt Lani Burkman, könnte es Tabletten, Cremes oder Pflaster geben, die den Wirkstoff 1446 enthalten und helfen könnten, die verlorenen Funktionen von Spermien wieder herzustellen. Das wirksamste Rezept für Raucher mit Kinderwunsch aber, so Lani Burkman von der Universität Buffalo, ist ein anderes: Hören Sie auf zu rauchen. Denn von den Gesundheitsproblemen, die das Rauchen verursacht, dürfte die eingeschränkte Zeugungsfähigkeit das kleinste sein.