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Neuer Innenminister Salvini
Italiens Migrationspolitik auf die harte Tour

Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini will Milliarden Euro in der Flüchtlingspolitik einsparen. Bis zu 600.000 Einwanderer sollen das Land verlassen, jede Region soll ein Abschiebezentrum erhalten. Das Land muss sich auf einen harten Migrations-Kurs einstellen.

Von Jan-Christoph Kitzler | 05.06.2018
    Salvini bei der Vereidigung der neuen Regierung Anfang Juni
    Italienischer Hardliner: Innenminister Matteo Salvini (imago / Xinhua)
    Matteo Salvini, Italiens neuer Innenminister, ist kein Diplomat. Dabei hat er sich fest vorgenommen, weitere Verträge mit Ländern auszuhandeln, aus denen Migranten nach Italien kommen, zum Beispiel mit Tunesien. Doch schon gleich nach Amtsantritt hat er dort mit markigen Worten für Verstimmung gesorgt: Tunesien würde willentlich Strafgefangene exportieren, sagte Salvini. Tunesiens Regierung hat daraufhin den italienischen Botschafter einbestellt. Vielleicht muss Salvini erst noch aus dem Modus des Wahlkämpfers in den des Ministers kommen – andererseits: mit solchen Aussagen ist ihm in diesen Tagen sogar auf Sizilien der Applaus gewiss:
    "Für die illegalen Migranten ist das schöne Leben vorbei"
    "Wichtig ist, dass für die illegalen Migranten weniger Geld ausgegeben und weniger Zeit investiert wird. Für die illegalen Migranten ist das schöne Leben vorbei. Bereitet Euch darauf vor, die Koffer zu packen!"
    In der "Baobab Experience", einem improvisierten Flüchtlingslager gleich neben einem der großen Bahnhöfe von Rom, haben die meisten gar keine Koffer. Rund 300 Menschen, meist ohne Papiere, leben hier in Zelten, die die Pfadfinder gebaut haben. Sie stehen auf Palletten, damit der Regen nicht alles wegschwemmt. Matteo Salvini hat öfter gesagt, bei solchen Orten helfe nur die Planierraupe, dabei wurde das Lager schon 20 Mal geräumt, musste immer wieder umziehen. Aber für die, die hier wohnen, ist das ein trotzdem ein sicherer Ort. Viele sind auf der Durchreise, es gibt einige sogenannte "Dublinati", die wegen des Dublin-Abkommens aus Ländern wie Deutschland zurückgeschickt wurden nach Italien und die nun wieder hier gestrandet sind. Andrea Costa, der eigentlich historische Fenster restauriert aber hier alles koordiniert, sagt: viel schlimmer könne es mit dem Innenminister Salvini auch nicht werden:
    "Diese Aussagen beunruhigen uns. Aber ich fürchte, das ist nur eine Verschlechterung einer Migrationspolitik, die schon in den letzten Jahren falsch war, sowohl in Europa als auch in Italien. Diese Menschen hier leben auf der Straße – nur Freiwillige helfen ihnen, und das schon seit drei Jahren, als die Lega noch nicht an der Regierung war."
    Er schürt Ängste vor Verbrechen, Terror und Krankheiten
    Salvini will jetzt Milliarden einsparen, 500 bis 600.000 Menschen abschieben. In jeder Region soll es ein Abschiebezentrum geben. Er kriminalisiert hunderttausende, schürt Ängste vor Verbrechen, Terror und Krankheiten. Andrea Costa, der erlebt wie in seinem Zeltlager Menschen aus ganz verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Religionen meist friedlich zusammenleben, sagt, Salvini habe nichts verstanden:
    "Wir fänden es gut, wenn die Politik verstehen würde, dass Investitionen in die Aufnahme von Migranten die beste Art sind, um in Sicherheit zu investieren. So nimmt man dem organisieren Verbrechen seine Handlanger. Mafia, Camorra, 'Ndrangheta, die in Italien so mächtig sind, nutzen diese Menschen, denn wenn Du keine Papiere hast, dann bekommst Du nur bei der Mafia Arbeit. Wer in die Aufnahme investiert, entzieht auch dem Fundamentalismus den Boden und dem potentiellen Terrorismus."
    Nie hatten sie hier so viele Menschen in den Zelten, wie in diesem Winter. Auch deshalb ist sich Andrea Costa in einem Punkt mit Matteo Salvini einig: Europa muss gemeinsam handeln. Allerdings nicht so, wie Italiens neuer Innenminister das will – der die EU vor dem heutigen Treffen der Innenminister unter Druck setzt:
    "Anstatt Italien zu helfen, wollen sie uns noch mehr belasten und uns für bis zu zehn Jahre zehntausende weitere Migranten schicken. Wir sagen nein zur Reform des Dublin-Abkommens und der Asylpolitik. Denn so werden die Mittelmeerländer Italien, Spanien, Griechenland, Zypern und Malta bestraft und allein gelassen. Es braucht eine europäische Antwort."
    Abschottung, Abschreckung und Abschiebung
    Für den neuen italienischen Innenminister Salvini ist klar, wie diese Antwort aussehen muss: in Form von Abschottung, Abschreckung und Abschiebung.
    Dabei ist Folter in Libyen, von wo aus immer noch die meisten aufbrechen, an der Tagesordnung. Es gibt Berichte von regelrechten Hinrichtungen. Und es gibt auch weitere Tote auf dem Mittelmeer. Gerade erst am Wochenende war ein Schiff gesunken – die Internationale Organisation für Migration befürchtet, dass über 110 Menschen ertrunken sein könnten. Aufgebrochen waren sie in Tunesien, also aus dem Land, dem Salvini unterstellt, es exportiere Strafgefangene.