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Neuer Klimawächter für den Orbit

Klimaforschung. - Viel wird über die Rolle des Kohlendioxids als Verursacher der Klimaerwärmung geredet, doch dabei tritt in den Hintergrund, dass sein globaler Kreislauf längst noch nicht verstanden ist. Mehr Licht in dieses Rätsel soll eine neue Sonde der Nasa bringen: Orbiting Carbon Observatory.

Von Dagmar Röhrlich | 17.11.2008
    Ein Kohlenstoffoberservatorium in der Umlaufbahn wird das Orbiting Carbon Observatory sein, kurz OCO genannt. Warum es gestartet wird, fasst Scott Denning von der Colorado State University so zusammenfassen:

    "Wir haben ein ganzes Bündel von Prognosen, wie viel Kohlendioxid in 100 Jahren in der Luft sein wird, und wir können nicht wirklich abschätzen, welches der Wahrheit am nächsten kommt. Denn das hängt zum einen davon ab, was wir Menschen anstellen, aber auch davon, wie viel die Pflanzen und das Meer aufnehmen können, also wie sich die biogeochemischen Systeme verhalten."

    Dem will man mit OCO auf die Spur kommen. Durch die Verbrennung von Kohle, Gas und Öl setzen wir jedes Jahr mehr als 30 Milliarden Tonnen Kohlendioxid frei, weitere 5,5 Milliarden Tonnen stammen aus dem Verbrennen von Biomasse in der Landwirtschaft und Kaminen, aus Waldbränden oder Brandrodungen. Deshalb erreicht der Kohlendioxidgehalt in der Luft wahrscheinlich die höchsten Werte seit 20 Millionen Jahren:

    "Am Ende des 21. Jahrhunderts erwarten wir 900 ppm Kohlendioxid in unserer Atmosphäre. Das reicht sehr weit über die natürlichen Schwankungen hinaus. Wir begehen also unkontrolliertes Experiment."

    Um zu verstehen, wie sich die Ökosysteme in Zeiten des Klimawandels verhalten, müsste man erst einmal genau verstehen, was heute passiert. Aber der genaue Verbleib des menschengemachten Klimagases lässt sich schwer nachvollziehen. Es taucht weniger in der Luft auf als erwartet. Die Frage ist, wo dieser fehlende Kohlenstoff bleibt. Das Meer ist eine der Senken: Etwa die Hälfte des fehlenden Kohlendioxid löst sich im Wasser oder wird vom Phytoplankton aufgenommen:

    "Fast dieser gesamte Kohlenstoff befindet sich dann in den oberen paar Metern Meerwasser, also im warmen Wasser, das aufschwimmt wie ein Korken. Aber erst wenn es gelingt, diesen Kohlenstoff in die Tiefsee zu schaffen, kann er in der Atmosphäre keinen Schaden mehr anrichten. Die Meere können das Kohlendioxid allerdings nur so schnell aufnehmen, wie es die Durchmischungsprozesse über die Meeresströmungen zulassen."

    Hier kommt der Klimawandel ins Spiel: Wie wird sich die Senke Meer angesichts steigender Wassertemperaturen entwickeln, oder weil sich die Winde verändern oder die Niederschlagsmuster? Und was passiert mit der zweiten großen Kohlenstoff-Senke, den Landpflanzen?

    "Die Landseite ist komplizierter. Die Landpflanzen nehmen etwa ein Viertel unserer Kohlendioxidemissionen auf. Das bedeutet, dass die Landpflanzen derzeit schneller wachsen als sie absterben. Die Erde wird sozusagen grüner. Das liegt daran, dass wir die Wälder mit Kohlendioxid und dem Stickstoff aus der Luftverschmutzung und der Landwirtschaft regelrecht düngen. Außerdem verlängern sich durch den Klimawandel die Wachstumsperioden, so dass in der Arktis jetzt Büsche und kleine Bäume statt Kräutern und Moosen wachsen."

    Werden uns die Pflanzen also helfen, mehr und mehr Kohlendioxid aus der Luft zu holen? Das erscheint zweifelhaft. Anna Michalak von der University of Michigan:

    "Wir haben in Experimenten untersucht, wie unsere Bäume unter dem Einfluss der Kohlendioxiddüngung wachsen. Wir fanden heraus, dass sie zunächst für fünf oder zehn Jahre schneller wuchsen, aber dann wieder zu ihren alten Wachstumsraten vor Beginn des Experiments zurückkehrten. Bei der Kohlenstoffdüngung könnte es sich also um einen vorübergehenden Effekt handeln."

    Der Satellit OCO soll nun messen, wie sich diese Senken durch unsere dauerhaften Kohlendioxid-Infusionen in die Luft verändern - und was das für die Zukunft bedeutet, denn die Forscher erwarten große Überraschungen:

    "Wir müssen diese Senken verstehen, denn nur dann können wir vorhersagen, wie sie im der Zukunft funktionieren, und dann kann man Strategien für das Management entwickeln, damit wir mit dem Klimawandel besser fertig werden."