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Neuer Moscheeverband in Niedersachsen
Distanz zu Ditib

Reicht der lange Arm des türkischen Präsidenten Erdogan bis in die Moscheegemeinden? - Nach den Querelen um den niedersächsischen Ditib-Landesverband hat sich ein neuer Moscheeverband gegründet. Er will unabhängig von der Politik agieren. Nicht allen Muslimen gefällt das.

Von Hilde Weeg | 01.02.2019
    Ein Mann betet in einer Moschee.
    Unabhängig von der politischen Situation und auch vom Geld der Herkunftsländer möchten sich viele Muslime auf den Kern Religion konzentrieren (dpa)
    "Ich glaube nicht, dass wir anderen Verein brauchen. Das Wort Blödsinn – bleibt dabei."
    Ali Ihsan Ünlü ist seit November der neue Vorsitzende des Ditib-Landesverbands Niedersachsen. Blödsinning findet er die Gründung des neuen Islamverbands und fürchtet die Spaltung der muslimischen Gemeinschaft in Niedersachsen. Ünlü ist Arzt, in Deutschland aufgewachsen, engagiert sich seit fast 20 Jahren ehrenamtlich für den Moscheeverband und war von 2007 bis 2011 im Bundesvorstand von Ditib. Über dem Fernseher in seinem Wohnzimmer hängt eine Uhr mit dem Bild der Kölner Ditib-Moschee und darüber das Bundesverdienstkreuz. Seine niedersächsische Ditib der verlängerte Arm der türkischen Regierung?
    Ünlü wehrt ab: "Wir wollen uns nicht in die Politik hineinziehen lassen. Wir sind Muslime in Deutschland, in Niedersachsen. Wir stehen für die Belange der Muslime und werden weiter die Arbeit leisten. Da kann man mich nicht für die Politik der türkischen Regierung und deutschen Regierung verantwortlich machen."
    Ditib weiterhin unter Beobachtung
    Zwei Dinge laufen gerade nicht gut für die Ditib in Niedersachsen. Zum Einen wurde ein neuer Islamverband gegründet und zum anderen hat die Landesregierung ihre Zusammenarbeit überprüft. Nach 20 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit. Die wichtigsten Verbände sind Ditib und Schura, die jeweils rund 90 Moscheegemeinden im Land.
    "Also, es sind alle Seiten, alle Bereiche vertreten und offen für alle."
    Die Offenheit des Ditib-Verbandes wird aber zunehmend in Frage gestellt.
    Die Position der niedersächsischen Landesregierung fasst Sprecherin Kathrin Riggert so zusammen: "Man muss sagen, dass sich die bisherige Zusammenarbeit im Wesentlichen bewährt hat. Man muss ehrlich sagen, es gibt aktuell keine Zuversicht, dass die Ditib unabhängig von Einflüssen der Türkei agieren wird. Es wird in allen Ressorts kritisch beobachtet, wie sich die weitere Zusammenarbeit gestaltet, da haben wir schon einen sehr kritischen Blick drauf."
    Konsequenzen in der Gefängnisseelsorge
    Das CDU-geführte Justizministerium geht einen Schritt weiter: Die drei hauptamtlichen, von der Türkei bezahlten Ditib-Imame dürfen nun keine Gefängnisseelsorge mehr übernehmen. Vorsorglich, wie Staatssekretär Stefan von der Beck erklärt:
    "Wir wollen keine hauptamtlichen Mitarbeiter des türkischen Religionsministeriums in unseren Haftanstalten diese Arbeit tun lassen."
    Unter den Häftlingen seien auch Kurden oder Anhänger der Gülen-Bewegung, für diese sei man auch fürsorgepflichtig. Beschwerden gab es bisher nicht. Die ehrenamtliche Betreuung und die Kooperation mit der Schura werden fortgesetzt. Ausschlaggebend für die Kündigung des offiziellen Ditib-Vertrags war der Rücktritt des früheren Ditib-Landesvorstands im Dezember 2018:
    "Genau aus diesem Grund: Sie haben nämlich gesagt, die Einflussnahme des türkischen Religionsattachés auf das, was sie hier machen, die ist zu groß, dem wollen wir uns nicht weiter aussetzen‘, da war unsere Überlegung natürlich, wenn selbst der alte Ditib-Vorstand diese Entscheidung getroffen hat, dann werden wir für uns auch Konsequenzen daraus ziehen müssen."
    Die politische Entwicklung führte schon seit längerem dazu, dass auch der Vorstand des Moscheeverbands Schura, Avni Altiner, sich distanziert hat. Altiner hat nun einen neuen, unabhängigen Verband gegründet hat: Elf Gemeinden und zwei Jugendvereine nenen sich nun "Muslime in Niedersachsen", mit sechs Männern und sechs Frauen im Vorstand. Das Ziel:
    "Wir wollen, was wir errungen haben, noch befestigen. Wir wollen eine normale Stimme in Niedersachsen sein. Dass die Muslime sich in Niedersachsen auf den Kern Religion konzentrieren, mehr nicht."
    Unabhängigkeit als vorrangiges Ziel
    Altiner möchte unabhängiger werden von der politischen Situation und auch vom Geld der Herkunftsländer. Von den christlichen und jüdischen Gemeinden kommen positive Signale. Die Gespräche mit der Politik fangen gerade erst an:
    "Wir reichen unsere Hände, bieten Zusammenarbeit an und erwarten, dass sie auch ihre Hände ausstrecken. Jetzt haben wir gute Meldungen, dass sie das auch machen und das erfreut uns."
    In den sozialen Netzwerken wird Altiner von vielen Muslimen nun teils heftig kritisiert:
    "Ich werde persönlich als Spalter bezeichnet, in den sozialen Medien rückt man mich in die Nähe der Gülen-Leute zu stellen, das sind schlimme Kampagnen."
    Zum neuen Verein möchte man sich bei der Landesregierung noch offiziell äußern. Kathrin Riggert:
    "Wir werden das beobachten, aber bewerten können wir das jetzt noch nicht."