Das Feature

Die Zersplitterung der Zeit

Henning Klüver · 14.09.1999
Das Schlimmste, was im Gefängnis passiert, ist die "totale Zersplitterung der Zeit" - sagt Adriano Sofri. Der linke Publizist ist rechtsgültig zu 22 Jahren Haft verurteilt - zusammen mit zwei anderen ehemaligen leitenden Mitgliedern der außerparlamentarischen Partei "Lotta Continua" (Der Kampf geht weiter). Die drei sollen für einen Mordfall aus dem Jahr 1972 verantwortlich sein.
1988 wurden Sofri und Genossen zum erstenmal festgenommen, bis zum endgültigen Urteil neun Jahre später hat es neun Prozesse gegeben. Dabei blieb die Prozeßführung in der Öffentlichkeit umstritten, die Verurteilung beruhte allein auf - sich zudem widersprechenden - Aussagen eines Kronzeugen.

Adriano Sofri, der bisher vergeblich seine Unschuld zu beweisen suchte, kämpft jetzt vom Gefängnis aus für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Eine Begnadigung lehnt er kategorisch ab. Namhafte Intellektuelle vom Kunsthistoriker Carlo Ginzburg bis zum Literaturnobelpreisträger Dario Fo setzten sich für Sofri ein.