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Neuer Regierungschef im Saarland
Ein Unbekannter in großen Fußstapfen

Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Posten als Regierungschefin im Saarland aufgegeben und wird CDU-Generalsekretärin in Berlin. Nicht alle ihre Wähler finden das gut. Zumal kaum jemand ihren Nachfolger kennt.

Von Tonia Koch | 01.03.2018
    Stephan Toscani (CDU), Präsident des Landtags des Saarlandes, nimmt Tobias Hans (CDU) (r) den Amtseid als Ministerpräsident ab.
    Tobias Hans zum neuen Ministerpräsidenten gewählt (dpa-Bildfunk / Oliver Dietze)
    Landtagspräsident Stephan Toscani gibt das Abstimmungsergebnis zur Wahl des saarländischen Ministerpräsidenten bekannt: "Es wurden 51 Stimmen abgegeben, davon 40 Ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen, keine Enthaltungen."
    Am Ende fehlte Tobias Hans eine einzige Stimme aus dem Regierungslager von CDU und SPD. Aber bei der satten Mehrheit, über die die Koalition im saarländischen Landtag verfügt, ist das nur eine Schramme, mehr nicht.
    Für ihn selbst, den frisch gekürten Ministerpräsidenten, sei es ein Ansporn, sagt Hans: "Und wenn es einen gibt, den ich im Moment noch nicht überzeugt habe, dann werde ich das tun im Verlauf der Legislatur."
    Die Wahl von Tobias Hans setzt den Schlusspunkt unter die landespolitische Karriere von Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie entschwindet nach Berlin – das ist nicht ohne Risiko für sie.
    Bürger fühlen sich im Stich gelassen
    "Ich gehe nach Berlin ohne Netz und doppelten Boden, ich habe kein Bundestagmandat. Aber das Risiko ist es wert, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Partei dieses Engagement auch braucht, gerade in einer Zeit, in der irgendwie jeder in der Republik nur noch darüber diskutiert, was er wo auch immer werden könnte. Und deswegen ist es an der Zeit zu sagen, es geht nicht darum, ob ich irgendwann irgendetwas werde, sondern es geht darum, die CDU als Partei für die Zukunft aufzustellen."
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht mit Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Ministerpräsidentin im Saarland, und designierte CDU-Generalsekretärin nach ihrer Rede beim 30. Parteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) auf der Bühne.
    "Die Arbeit kann beginnen" - Kanzlerin Merkel ist zufrieden mit den Ergebnissen des CDU-Parteitags (dpa)
    Die langjährige Ministerpräsidentin stellt die Partei vor das Regierungsamt. Und dieser Schritt wird unterschiedlich wahrgenommen. Ein Teil der Bevölkerung fühlt sich im Stich gelassen:
    "Das finde ich nicht richtig, denn die Saarländer haben doch sie gewählt und nicht irgendjemand anderen."
    "Nein, das ist nicht richtig, sie wurde gewählt für das Saarland und nicht, um nach Berlin zu gehen."
    Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass die Wählerinnen und Wähler Annegret Kramp-Karrenbauer mit mehr als 40 Prozent Zustimmung eindrucksvoll im Amt der saarländischen Ministerpräsidentin bestätigt haben.
    Der Aufgabe als Generalsekretärin gewachsen
    Auch für die saarländische CDU-Basis, die sich anlässlich eines Sonderparteitages zusammen gefunden hatte, ist das ein Wermutstropfen:
    "Man kann ihr natürlich vorwerfen, dass sie das Land im Stich lassen würde, das sehe ich persönlich eher nicht so, ich denke, dass sie auf Bundesebene auch gebraucht wird."
    "Sie hat meiner Meinung nach die Schwierigkeit erkannt, die dort herrscht, und will vielleicht für ein klärendes Wort dort sorgen."
    "Fürs große Land, für Deutschland ist es wohl das Beste, es tut mir weh, aber ich denke, es ist gut so."
    Einig sind sich jedoch die Enttäuschten wie die CDU–Mitglieder, dass sie das Zeug dazu hat und der Aufgabe als Generalsekretärin der CDU gewachsen ist.
    "Ja sicher, das traue ich ihr ohne weiteres zu."
    "Das kann sie auf jeden Fall, das ist ein hervorragender Schritt zum richtigen Zeitpunkt. Das tut Deutschland gut. Sie kann viel bewegen in der Bundespolitik."
    "Frau Kramp-Karrenbauer kann das sehr gut, weil sie eine Begabung hat, sie kann Menschen für sich gewinnen, sie ist eine Visionärin, würde ich teilweise sagen, und von daher denke ich, sie kann was bewegen."
    "Der Kanzlerin sehr ähnlich"
    Auch SPD-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger, die mit ihr bereits seit 2014 eine Große Koalition an der Saar geführt hat, weiß, dass Annegret Kramp-Karrenbauer in aller Regel zurückhaltend, aber bestimmt agiert.
    "Sie ist vom Format her der Kanzlerin durchaus sehr ähnlich und hat von daher eine sehr moderierende Rolle und versucht am Ende sicherlich einige Dinge immer wieder zusammen zu führen."
    Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU - l) und Anke Rehlinger, SPD, präsentieren in Saarbrücken den unterzeichneten Koalitionsvertrag.
    Zurückhaltend, aber bestimmt - so beschreibt Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) die ehemalige Landeschefin (dpa / picture alliance / Oliver Dietze)
    Dass die eher unscheinbare CDU-Politikerin auch für Paukenschläge sorgen kann, hat sie nicht erst mit dem jüngsten Coup, Generalsekretärin der CDU in Berlin werden zu wollen, unter Beweis gestellt. 2012 ließ sie die Jamaika-Koalition im Saarland platzen. Es sei nicht mehr gegangen mit dem unzuverlässigen Personal der FDP.
    Da ist was dran, aber im Grunde waren die Querelen bei der FDP nur der willkommene Anlass, das schwarz-gelb-grüne Koalitions-Experiment zu beenden. Denn die CDU drohte unter die Räder zu kommen, weil die Grünen das politische Geschehen inhaltlich dominierten und die saarländischen Konservativen die Richtung verloren hatten.
    Und auf Bundesebene müsse der Partei eben auch die Richtung gewiesen werden, davon ist Annegret Kramp-Karrenbauer überzeugt: "Ich glaube, dass die Stabilität des politischen Systems vor allen Dingen und gerade jetzt auch von der Stabilität der Volksparteien abhängt, deswegen war es mein persönlicher Wunsch, die Funktion in der Partei zu übernehmen."
    Nachfolger Tobias Hans - für viele der große Unbekannte
    Auf Tobias Hans wartet viel Arbeit, denn der 40–Jährige ist einer breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt:
    "Ich hab den Namen vorher noch nie gehört. Ich kenn den nicht, der könnte mir jetzt hier begegnen, ich würde ihn nicht erkennen."
    "Ich wusste, dass er im Landtag ist, aber welche Position er dort hatte, war mir nicht bekannt."
    In den eigenen Reihen gilt Tobias Hans, der in den vergangenen beiden Jahren die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag führte, als talentiert.
    Über die fehlende Regierungserfahrung, soll der Jugendbonus hinweghelfen. Revolutionäres sei ohnehin nicht von ihm zu erwarten, erklärt er: "Wir werden das, was wir den Menschen vor der Wahl versprochen haben, auch jetzt umsetzen. Auch wenn sie Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt haben, wird Tobias Hans das umsetzen, was wir versprochen haben. Dafür stehe ich, ich werde das Land nicht auf den Kopf stellen, das will ich überhaupt nicht, da gibt es keinen Grund dazu. Aber ich werde auch neuen Schwung erzeugen in diesem Land. Ich will aber auch ein Ministerpräsident nicht nur einer Partei, sondern aller Saarländerinnen und Saarländer sein, und deshalb werde die mich auch anfassen können."
    Bürgersprechstunden und Zuhörtouren in den Landkreisen gehören seit Annegret Kramp-Karrenbauer zum Repertoire eines saarländischen Ministerpräsidenten. Sie haben dazu beigetragen, das Bild von der Ministerpräsidentin als "eine von uns" zu festigen. Dass ihre politischen Instrumente auch für das Konrad-Adenauer-Haus taugen, wird sie nun beweisen müssen.
    Einen Grund, den Fähigkeiten des politischen Personals aus dem kleinen Saarland zu misstrauen, gebe es nicht, entgegnet sie den zahlreichen Zweiflern: "Ich bin schon immer der Auffassung gewesen, es gibt keine große und kleine Politik sondern nur gute und schlechte und jetzt versuche ich, in Berlin möglichst gute Politik zu machen."