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Neuer Schritt auf die Bühne

Mit der "Sofia Dance Week" hat in dieser Woche das erste internationale Festival für zeitgenössischen Tanz in Bulgarien begonnen. Eingeladen sind Tanzkompagnien mit internationalem Rang und Namen aus Frankreich, aus Belgien, Italien oder der Türkei. Das ist auch nötig, denn in Bulgarien führt der moderne Tanz ein mehr als stiefmütterliches Dasein. Dass Sofia als eine der wenigen Hauptstädte Europas bislang kein Tanzfestival hatte, sagt eben auch etwas über die Situation des zeitgenössischen Tanzes in Bulgarien aus. Und mit dem Festival will man auch der heimischen Tanzszene auf die Beine verhelfen.

Von Simone Böcker | 25.09.2008
    Menschen gehen auf Stöcken, kringeln sich um Stäbe, gleiten auf kleinen Tribünen nach rechts und links. Mit diesem "visuellen Theater" erkundet die Compagnie 111 das Thema Raum. Ein inspirierendes, heiteres, aufregendes Stück als Auftakt zur "Sofia Dance Week", die auch antritt, um die Haltung des bulgarischen Publikums gegenüber dem zeitgenössischen Tanz zu verändern, erzählt Asen Asenov.

    " Während der Zeit des Kommunismus wurde der Tanz leider als sehr elitäre Kunst verstanden, die nicht vom großen Publikum verstanden werden kann. Wir wollen jetzt genau das Gegenteil zeigen. Wir glauben nämlich, dass Tanztheater die populärste Theaterkunst sein kann. Weil es die Sprache des Körpers ist, weil sie das Herz füllt und Gefühle anspricht. "

    Asen ist Herausgeber der Monatszeitschrift "Edno", die das Festival organisiert. Ein Magazin für Kultur und Lifestyle.

    " Als das Magazin Edno raus kam, wollten wir nur über Dinge berichten, die uns wirklich gefallen. Und dann haben wir gemerkt, dass in Sofia so wenige Dinge passieren, und wenn wir nur darüber berichten würden, dann könnten wir nur 2 oder 3 Mal im Jahr erscheinen. Deswegen haben wir damit angefangen, Kulturveranstaltungen selbst zu organisieren. Angefangen bei den Dingen, die wirklich fehlen in Sofia. "

    Der Tanz gehörte dazu. Außer dem Opernballettensemble gibt es nur die staatlich finanzierte Kompagnie "Ballett Arabesque". Internationale Gastspiele sind eine Seltenheit.

    Das "Kinesthetic Project" gehört zu den wenigen freien Tanzgruppen in Bulgarien. Generalprobe für die Sofia Dance Week. Zwei Tänzer, eine Tänzerin, alle bis über die Hüfte in weite Tuchhosen gekleidet, der Oberkörper nackt. Die Bewegungen wiederholen sich, minimalistisch und präzise, die Körper wirken hart, abweisend. Miroslav Yordanov, Maler und Bühnengestalter, hatte die Idee für das Stück.

    " Die Tanztradition hier lautet immer noch: Tanz soll etwas Schönes sein. Für uns ist es dagegen wichtig, dass jede Bewegung einen Sinn hat. Wir arbeiten also nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten, der Körper ist für uns Material. Wir brauchen keine Geschichte, sondern wir nehmen das Material und die Energie darin. "
    In Bulgarien fällt die Arbeit der Gruppe damit aus dem Rahmen. Das liegt vor allem daran, dass es kaum wirklich zeitgenössischen Tanz gibt, erzählen die Tänzer und Choreographen Violeta Vitanova und Stanislav Genadiev von "Kinesthetic Project".

    " In Bulgarien ist das klassische Ballett sehr stark. Wir lernen nach dem sehr guten, strengen russischen System. Aber was den zeitgenössischen Tanz angeht, ist die Situation schwierig. Die Universität versucht jetzt, ein neues Profil für zeitgenössischen Tanz anzulegen. Aber darunter fällt dann zum Beispiel nur so etwas wie Modern Jazzdance. "

    Violeta Vitanova und Stanislav Genadiev sind - wie viele ihrer Kollegen - nach ihrem Studium ins Ausland gegangen, haben lange Zeit bei Schweizer Compagnien gearbeitet. Doch sie haben den Weg zurück in die Heimat gewagt, um eigene Projekte zu realisieren und etwas zu bewegen. Mit ihrem letztes Stück "Imago" haben die Mitte Zwanzigjährigen Preise gewonnen - und damit auch Aufmerksamkeit. Stanislav Genadiev:

    " Als wir mit unserer ersten Performance hier begonnen haben, sind viele zu uns gekommen und haben gesagt: Wow, das ist unglaublich was ihr macht! Wir wollen das auch machen, aber es gibt nirgendwo die Möglichkeit. Könnt ihr Workshops organisieren und unterrichten? Aber um Leute zu unterrichten ist es sehr schwierig, man braucht zumindest Räume, Geld, irgendeine Institution, die einem dabei hilft. "

    Die Tanzszene in Bulgarien zu fördern - das ist auch die Idee der Sofia Dance Week. Vieles ist noch möglich, ist Asen Asenov überzeugt. Nicht das fehlende Geld sei das größte Problem. Es gehe vor allem um ein Umdenken: hin zu modernem Kulturmanagement auf allen Ebenen.

    " Die Kulturschaffenden sind größtenteils noch an eine Zeit gewöhnt, in der der Staat alles Geld gab für solche Sachen. Doch die Zeiten sind nicht mehr so. Und den Künstlern fehlt die Erfahrung, ihre Events mit Sponsoren zu finanzieren. Das die einzige Möglichkeit für zeitgenössische Kunst. Aber hier passiert das noch nicht. "