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Neuer Speaker im britischen Unterhaus
Ruhepol im Hexenkessel

Lindsay Hoyle ist der neue Speaker im britischen Unterhaus. Hoyle soll im Hexenkessel Unterhaus für etwas Abkühlung sorgen. Er gilt als weniger theatralisch als sein Vorgänger John Bercow. Dennoch wird es für den Labour-Politiker schwieriger, in dessen Fußstapfen zu treten. Aus mehreren Gründen.

Von Friedbert Meurer | 05.11.2019
Der neue Speaker des Unterhauses Sir Lindsay Hoyle
Der neue Speaker des britischen Unterhauses Sir Lindsay Hoyle (picture alliance / empics / Stefan Rousseau)
Das Unterhaus hat einen neuen Speaker: Lindsay Hoyle, 62 Jahre alt, ein Labour-Politiker aus Nordengland wurde von den Abgeordneten parteiübergreifend gefeiert. Faktisch ist für Hoyle aber schon heute nach weniger als 24 Stunden wieder Schluss.
Heute tagt das Parlament zum letzten Mal, dann löst es sich bis zur Neuwahl am 12. Dezember auf. "Ich hoffe, dass dieses Haus wieder respektiert werden wird. Nicht nur hier, sondern in der ganzen Welt."
Viele Abgeordnete sind den Auseinandersetzungen überdrüssig
Hoyle hofft aber natürlich doch auf eine längere Amtsdauer als nur einen Tag. Vermutlich wird das neue Unterhaus ihn ohne Abstimmung in sechs Wochen bestätigen. Hoyle will jedenfalls andere Akzente setzen als sein Vorgänger John Bercow. Im Parlament sollen wieder versöhnlichere Töne vorherrschen, eine bessere Debattenkultur.
"Ich verspreche, dass ich überparteilich sein werde. Dafür können wir alle mehr tun. Dieses Haus wird sich verändern und zwar zum Besseren."
John Bercow, Sprecher des britischen Unterhauses am 21. Oktober 2019
John Bercow, der ehemalige Sprecher des britischen Unterhauses (dpa / picture alliance / UK Parliament / Jessica Taylor)
Der Ton im Unterhaus gestern und vermutlich auch heute ist weit weniger gereizt als in den letzten Monaten. Fast wirkt es wie in einer Schulklasse kurz vor den Ferien. Es herrscht eine gelöste und versöhnliche Atmosphäre.
Danach scheinen sich viele Abgeordnete zu sehnen, vor allem Frauen, die der harten und unerbittlichen Auseinandersetzungen müde sind. Jo Swinson von den Liberaldemokraten appellierte an den neuen Speaker, ein Zeichen zu setzen.
"Sie treten ihr Amt zu einer Zeit der großen Herausforderungen für unsere Demokratie an. Die Sicherheit der Abgeordneten wird immer drängender. Es geht auch darum, eine Kultur des Mobbings und der Belästigungen auszumerzen. Das ist sehr wichtig."
John Bercows Abschied - Der letzte "Order"-Ruf
John Bercow gibt nach zehn Jahren sein Amt als Speaker im britischen Unterhaus auf. Er hat sich als Anwalt der Abgeordneten verstanden. Mit dem, was er in Debatten zugelassen hat, ist er bei der Regierung kräftig angeeckt.
Weniger theatralisch als Bercow
John Bercow war nicht wenigen Abgeordneten zu dominant. Lindsay Hoyle kann da mit einem weniger theatralischen Stil für bessere Stimmung sorgen. Aber er wird auch an Bercow gemessen werden. Oppositionsführer Jeremy Corbyn erwartet von ihm auch die Bereitschaft zum Konflikt mit der Regierung. "Es geht um die Macht des Parlaments, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Ich weiß, dass Sie für dieses Prinzip einstehen werden."
Lindsay Hoyle soll also im Hexenkessel Unterhaus für etwas Abkühlung sorgen, aber gleichzeitig für das Parlament Selbstbewusstsein zeigen. Das war für John Bercow auch deswegen leichter, weil die Regierung keine Mehrheit hat. Sollte Boris Johnson am 12. Dezember die absolute Mehrheit der Stimmen holen, wird es für Lindsay Hoyle alles andere als einfach, in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten.