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Neues Abgas-Prüfverfahren
VW im WLTP-Stress

Ab dem ersten September gelten strengere Prüfverfahren bei Abgas und Verbrauch als bisher. Dann gilt für alle Automodelle der neue sogannte WLTP-Prüfzyklus. Das setzt Volkswagen unter Druck, denn noch immer fehlen dem Autokonzern Freigaben - gerade für verkaufsstarke Modelle.

Von Alexander Budde | 30.08.2018
    Abgase kommen aus einem Auspuff eines VW Golf 2.0 TDI, aufgenommen am 07.11.2017 in Prenzlau (Brandenburg).
    Abgase kommen aus einem Auspuff eines VW Golf 2.0 TDI (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Das neue WLTP-Verfahren misst die Normwerte für Verbrauch und Abgase eines Automobils nicht länger nur unter perfekten Laborbedingungen – sondern künftig auch im realen Straßenverkehr. Mehr Verlässlichkeit, mehr Vertrauen. Im Prinzip sei das begrüßenswert, sagte Thomas Zahn, Deutschland-Vertriebschef der Kennmarke VW in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
    "Aber zur Wahrheit gehört auch, die geforderten Tests sind deutlich aufwändiger und sie dauern länger – etwa zwei- bis dreimal so lang wie bisher."
    VW im Stress
    Erhöhter technischer Aufwand bei den Messungen selbst, knappe Kapazitäten bei den Dienstleistern, die solche Tests durchführen, und bei den zuständigen Genehmigungsbehörden – so kurz vor dem Stichtag ist Deutschlands Schlüsselbranche im Stress.
    Doch kein Autobauer hat mit einem so beträchtlichen Rückstand bei der WLTP-Einführung zu kämpfen wie Volkswagen. Der Konzern begründet das mit der großen Modellvielfalt unter dem blauen Logo.
    "Bei Volkswagen kommt hinzu, dass dieselben Teams, die sich um die WLTP-Umstellung kümmern, auch an der Entwicklung von Diesel-Updates beteiligt waren und sind. Da sind große interne Kapazitäten gebunden. Unsere Prüfstände fahren schon seit langem im Dreischichtbetrieb."
    Geduldsprobe für Kunden
    Aktuell lägen für 7 von 14 VW-Modellen WLTP-Zertifizierungen vor, sagt Zahn – auch die Geduldsprobe, auf die Kunden ausgerechnet bei den besonders häufig nachgefragten, volumenstarken VW-Modellen wie Golf und Tiguan gestellt sind, soll in wenigen Tagen ein Ende haben:
    "Weitere Modelle und Varianten, zum Beispiel unser Bestseller Golf stehen kurz vor der Freigabe und werden in den nächsten Tagen und Wochen sukzessive folgen."
    Die Händler kurbelten den Absatz von Fahrzeugen, die nach dem bisher gültigen NEFZ-Verfahren zugelassen sind mit kräftigen Rabatten an – das hat den Absatz im Juli und August kräftig gesteigert. Den Kunden entstünden durch die fehlende WLTP-Zertifizierung nur geringe Nachteile, betont der Konzern. Die Autos seien technisch identisch, allerdings dürfte der Normverbrauch im Schnitt etwas höher ausfallen. Mit Folgen: Die KFZ-Steuer richtet sich nach dem Schadstoffausstoß – und der wiederum hängt vom Verbrauch ab.
    Flughafen als Großparkplatz
    Um schnell liefern zu können, sobald die Prüfunterlagen vorliegen, produziert VW weiterhin Fahrzeuge auf Halde. Konzernweit werden voraussichtlich etwa 250.000 Fahrzeuge mit Verspätung ausgeliefert und auf Freiflächen wie etwa am Berliner Flughafen zwischengeparkt.
    "Wenn wir nicht das gesamte Angebot beim Kunden machen können, dann heißt das, wir verlieren möglicherweise Verkäufe."
    So Frank Witter Anfang des Monats auf der Halbjahrespressekonferenz. Der Konzern-Finanzvorstand erwartet, dass die WLTP-Probleme den operativen Ertrag in diesem Jahr mit einer Milliarde Euro belasten werden. Das wird das Wachstum allerdings nur vorübergehend ausbremsen, vermuten Analysten wie Frank Schwope von der Nord/LB.
    "Das mag sicherlich zu der ein oder anderen Verzögerung kommen. Zumindest in den Monaten September und Oktober dürfte es sicherlich größere Schwächen in den Zulassungszahlen geben, aber für das Gesamtjahr 2018 rechne ich dann trotzdem noch mit mehr als 11 Millionen verkauften Volkswagen-Konzernmodellen, was sicherlich einen neuen Rekord darstellen wird!"