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Neues Album von Metronomy
Synthiepop und Landluft

Softer Pop, weißer Funk, immer mit Stil und Ironie: Metronomy gelten als eine der coolsten britischen Indiebands. Auf dem neuen Album treibt es Mastermind Joe Mount besonders bunt - nur über seine Kinder will er nicht singen. Oder über den Brexit.

Von Bernd Lechler | 07.09.2019
Auf dem Bild ist die Band Metronomy zu sehen.
Die britische Band Metronomy (Gregoire Alexandre)
Was rührt er nicht wieder alles zusammen. Festliche Synthie-Flächen und den typischen Metronomy-Funk. Hin und wieder übrigens mit einem Wurf von Bassline, die selbst Daft Punk nicht verschmähen würden - und dann hängt die Glitzerkugel aber wieder in der Indierock-Disco.
Jugendlich und urban
Metronomy klingen also immer noch jugendlich und urban. Dabei stimmt beides nicht mehr. Joe Mount ist aus familiären Gründen aus Paris zurück nach England gezogen, aufs Land.
"Man sieht den Wechsel der Jahreszeiten besser - und spürt ihn auch, weil man ihm stärker ausgesetzt ist. Dass alles langsamer wird, hat mich entspannt. Ich dachte nicht mehr darüber nach, wie lang etwas sein darf oder welchen Zweck es hat - ich hab einfach gemacht."
Jetzt, wo er’s sagt: das Album ist mit seinem psychedelischen Synthiepop oder Klangschwelgereien zur Techno-Bassdrum tatsächlich besonders farbig und verspielt. Vielfältig wie ein Radiosender sollten die Songs werden, sagt Mount. Und wovon handeln sie?
Die Liebe ist ein Rätsel; schüchternen Jungs verschlägt es die Sprache; die Clique schwärmt in den Samstagabend aus, und eine Angebetete gleicht gesalzenem Karamelleis. Hat man als zweifacher Vater die Phase nicht lang hinter sich?
"Das kann ich mir vermutlich zum letzten Mal erlauben. Sonst wird’s komisch. Andererseits: Wenn man anfängt, über seine Kinder zu singen - das ist gefährlich. Dann hast du den Pop aufgegeben."
Und es ist ja trotzdem Pop mit doppeltem Boden. Der Protagonist in "Upset My Girlfriend" etwa, Ich hab meine Freundin verärgert, leidet unter eher lachhaften Problemen. Und bei einigen kürzeren Tracks schweigt der Sänger sogar.
"Bei gesungenen Tracks kommen die meisten Leute gut mit, weil der Text verrät, um welche Gefühle es geht. Ich finde es wahnsinnig interessant und auch sehr schön, wenn das alles fehlt und man buchstäblich durch Musik Gefühle weckt. Wenn dann jemand das fühlt, was du beim Musikmachen gefühlt hast, das ist doch ein ziemlich magischer Vorgang!"
Englische Distanz
Man merkt Metronomy-Songs an, dass sie persönlich sind, und doch hält Joe Mount eine sehr englische Distanz zu seinen Emotionen. Wenn er dick aufträgt, dann so ironisch wie beim erwähnten pseudodramatischen Grungesong - oder im Video zu "Salted Caramel Ice Cream", das vom Konkurrenzkampf zweier Eisdielen erzählt: die eine traditionell, die andere eine gentrifizierte Hipsterbude. Eine blaue Plüschgestalt kommt darin vor, und eine cartoonartige Bergwerkskulisse.
"Es gibt dieses Rammstein-Lied ‚Sonne’, da beginnt das Video in einer Art Mine, ich glaube, sie graben da nach Drogen, Schnee-wittchen und so… jedenfalls sind sie wie die Zwerge. Und ich fand die Idee sehr lustig, dass bei ‚Salted Caramel Ice Cream' eben nach Salz gegraben wird - dabei bin ich musikalisch ja das totale Gegenteil. Es sieht auch nicht wirklich aus wie bei Rammstein, aber das war die Inspiration."
Man weiß nie, was als nächstes kommt
Joe Mount hat hier weder die Popmusik noch seine Band neu erfunden, und doch weiß man erfreulicherweise 17 Tracks lang nie, was als nächstes kommt. Weil er genug Ideen hat, die er, offenbar ja dank der englischen Landluft, besonders ungehemmt ausprobiert; weil er die Songstrukturen des Pop manchmal komplett ignoriert, etwa auf die klassische Strophe-und-Refrain-Form verzichtet; daher findet man diesen teils stolzen, teils ironischen, teils ergebenen Albumtitel "Metronomy Forever" am Ende ganz passend. Mal schauen, wie Mount Themen wie Kinder und Erwachsenenprobleme nächstes Mal umschifft oder vielleicht ja endlich angeht. Boris Johnson wird vermutlich auch dann wieder keine Rolle spielen.
"Ich bin seit fast vier Jahren besessen vom Brexit! Er hat ein Land gespalten und Politiker als fürchterliche, egoistische Menschen entlarvt. Was man ja wusste, aber in England wurde es jetzt wirklich offensichtlich. Das als Thema wäre zu deprimierend. Wenn Musik eines kann, dann Erleichterung und Ablenkung bieten. Ich möchte wirklich kein Album darüber machen, wie enttäuschend es ist, Engländer oder Brite zu sein."