Donnerstag, 28. März 2024

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Neues Leistungsschutzrecht für Verlage
"Das wird vor Gericht gehen"

Müssen Facebook, Google & Co. ab sofort Geld bezahlen, wenn sie journalistische Inhalte anzeigen? Das nun in Kraft getretene neue Urheberrecht sollte eigentlich eine Antwort auf diese Frage liefern. Doch die Plattformen gehen eigene Wege - weswegen ein jahrelanger Rechtsstreit droht.

Von Christoph Sterz | 07.06.2021
Der Screenshot der Google-Suche "Zahlen Google und Facebook bald Geld an die Verlage?"
Genauer: Zahlen Google und Facebook bald Lizenzgeld an die Verlage? (Deutschlandfunk / Borgers)
Knapp 16 Millionen Euro Ausgaben und weniger als eine Million Einnahmen – das ist die Bilanz des deutschen Leistungsschutzrechtes. Statt die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage an den Werbeeinnahmen von Google oder Facebook zu beteiligen, kam das Gesetz nie wirklich zur Wirkung – und wurde dann auch noch vom Europäischen Gerichtshof einkassiert, wegen formaler Mängel.
Mit dem neuen EU-weiten Leistungsschutzrecht könnten die Verlage aber ab heute wirklich an den Werbeeinnahmen von Google & Co. beteiligt werden, meint Christoph Schwennicke, Geschäftsführer von Corint Media, einer Art Gema für Verlage. "Das sind erhebliche Beträge. Und ich glaube, dass die Existenz meines Berufes und unserer Branche von dieser Frage existenziell abhängig ist. Und ich glaube, dass die Durchsetzung besser gemeinsam hinzukriegen ist als individuell. Zumal es sich ja um sehr, sehr große Gegenüber, sage ich mal, handelt."

Ab wie vielen Wörtern muss gezahlt werden?

Schwennicke meint, dass wegen des neuen Gesetzes Google zum Beispiel für die kurzen Vorschautexte bei Google News Geld zahlen muss. Außerdem sei das Gesetz im Vergleich zum deutschen Vorgänger "gerichtsfest" und "sehr konkret". Allerdings nicht konkret genug, dass festgelegt ist, ab wie vielen Zeichen oder Wörtern ganz genau Google Geld bezahlen muss. Es ist nur die Rede davon, dass "einzelne Wörter oder sehr kurze Auszüge aus einer Presseveröffentlichung" kostenfrei zu nutzen sind. Darauf weist auch Google hin, in einem Blogpost zum Thema.
"Obwohl das Gesetz den Umfang geschützter Inhalte nicht klar definiert, werden wir mit deutschen Verlagen zusammenarbeiten, um eine Einigung über eine erweiterte Vorschau von Inhalten (…) zu erzielen. (…) Wir hoffen, hier Vereinbarungen zu finden, die es uns ermöglichen, weiterhin Zugang zu verlässlichen, relevanten Informationen sicher zu stellen und gleichzeitig den Journalismus in Deutschland weiter zu unterstützen."

Google und Facebook schaffen Tatsachen

Bisher hat Google in der eigenen Suche nichts geändert und zeigt dort nach wie vor kurze Texte an. Facebook hat dagegen schon reagiert: Die übliche Vorschau mit Schlagzeile, Bild und kurzem Text wird nur noch standardmäßig angezeigt, wenn Presseverlage selbst den Link zu einem ihrer Artikel posten. Wenn jemand Drittes einen Link postet - und der Verlag Facebook keine weiteren Rechte eingeräumt hat, wird nur der reine Link und eine Überschrift angezeigt, ohne Bild oder weitere Infos. Interviews zum Thema lehnen Google und Facebook ab; schaffen aber seit Wochen Tatsachen. Für ihre neuen Nachrichten-Angebote "Google News Showcase" und "Facebook News" haben sie Verträge mit etlichen deutschen Verlagen abgeschlossen und bezahlen ihnen Geld für bestimmte Inhalte.
Streit um "Google News Showcase"
Rund 855 Millionen Euro will Google in den nächsten drei Jahren an Medienunternehmen weltweit zahlen. Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit mit einigen Verlagen. In Deutschland überzeugt die neue Initiative nicht alle.
Gleichzeitig aber soll in vielen Verträgen eine Klausel stehen, die Einnahmen aus dem neuen Leistungsschutzrecht verhindert. Corint-Media-Chef und Ex-Verleger Christoph Schwennicke:
"Dann sitzt du da als Verleger von Cicero, jetzt in dem Fall, und sagst: Toll, die schenken dir ganz schön viel Geld, für drei Jahre. Wenn man dann aber das Kleingedruckte dieses Mustervertrages liest, dann hat sich bei mir der Argwohn einstellt, dass ich hier für dann vergleichsweise wenig Geld sehr viel verkaufe, zum Beispiel auch die Möglichkeit, von diesem neuen Presseleistungsschutzrecht Gebrauch zu machen. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass dieses neue Recht die Möglichkeit beinhaltet, diese Verträge auch zu kündigen."

Experte: Jahrelange Auseinandersetzung droht

Dazu kommt, dass sich inzwischen auch das Bundeskartellamt für das Thema interessiert. Nach einer Beschwerde von Corint Media prüft die Behörde nun, ob das Nachrichtenangebot "Google News Showcase" den Wettbewerb zum Nachteil der Verlage verzerrt – und ob die Vertragsbedingungen die Durchsetzung des neuen Leistungsschutzrechts "unverhältnismäßig erschweren". Google wird also von mehreren Seiten angegriffen.
"Geschäftsmodell in den Blick nehmen"
In den Kampf zwischen Verlegern und Facebook mischt sich jetzt Microsoft ein. Der US-Konzern will sich gemeinsam mit europäischen Presseverlagen dafür einsetzen, dass die Medienhäuser für die Nutzung ihrer Nachrichteninhalte bezahlt werden.
Das heißt aber noch lange nicht, dass es schon bald Geld überweist an die Verlage, meint Urheberrechts-Experte und Rechtsanwalt Till Kreutzer.
"Das wird garantiert vor Gericht gehen. Und wenn das vor Gericht geht, dann dauert es halt fünf Jahre, vielleicht zehn Jahre, dann geht das bis zum EuGH und wieder zurück. Und während dieser ganzen Dauer und dieser Zeit der Auseinandersetzung weiß halt keiner: Was ist ein Presseerzeugnis? Was sind kurze Auszüge? Wer ist ein Presseverleger et cetera pp. Wenn denn gezahlt wird für das Leistungsschutzrecht, dann werden davon im Zweifel wieder die ganz Großen profitieren oder die, die ganz viel geklickt werden. Das ist meistens qualitativ nicht unbedingt das Hochwertigste. Das heißt, die gesellschaftliche Gesamtbilanz wird mit Sicherheit negativ ausfallen."
Corint Media ist da naturgemäß ganz anderer Meinung, spricht von einem Meilenstein – und will bald in Verhandlungen treten mit Google und Facebook; und im Gesellschafterkreis festlegen, wie das Geld genau verteilt werden soll – auch wenn noch längst nicht absehbar ist, ob und ab wann es wirklich bei den Verlagen ankommt.