Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Neues Parteiengesetz ist ein "Kuhhandel"

Heute will Russlands Präsident Dmitrij Medwedew ein neues Gesetz unterzeichnen, mit dem die Gründung und Registrierung von politischen Parteien leichter wird. Bisher mussten zur Gründung einer Partei in 40.000 Mitglieder nachwiesen werden. Nun sollen 500 ausreichen. Kritiker hegen aber jetzt schon Zweifel an dem Gesetz.

Von Gesine Dornblüth | 02.04.2012
    Auf Anatolij Panfilows Schreibtisch liegt ein Notizblock mit der Aufschrift: "Die Grünen: Russische ökologische Bewegung". Panfilow ist ihr Vorsitzender, und den Block kann er bald aussortieren. Denn aus der grünen Bewegung soll eine grüne Partei werden. Das neue Parteiengesetz macht es möglich.

    "Ökologie ist das Problem Nummer 1 in Russland. Große Flächen unseres Landes sind mit Öl verschmutzt. Wir haben überhaupt kein Müllrecycling. Unsere Wälder brennen ab. Aber keine der im Parlament vertretenen Parteien beschäftigt sich mit Ökologie. Ich habe keine Zweifel, dass wir mit diesen Themen bei den nächsten Wahlen in die Duma einziehen."

    Das liberale Parteiengesetz, das Präsident Medwedew heute unterzeichnen will, hat schon im Vorfeld eine Antragsflut ausgelöst. Mehr als 70 Gruppen haben in den vergangenen Wochen ihre Unterlagen beim Justizministerium eingereicht und wollen eine Partei gründen.

    Darunter sind diverse nationalistische Strömungen, Monarchisten, religiöse Gruppen. Außerdem Rentner, Kosaken, ein "Club der Freunde des russischen Volkes", eine "Subtropische Partei", eine "Partei der Liebe", die russische Piratenpartei.

    Regierungspolitiker feiern das Gesetz als große Reform hin zu einem demokratischen Russland. Der Politologe Dmitrij Oreschkin ist misstrauisch.

    "Wir sollten von der Regierung nicht zu viel erwarten. Das ist ein Kuhhandel. Die machen kleine Zugeständnisse und behalten die wirklich wichtigen Machtmittel doch in den eigenen Händen. Wir müssen unterscheiden, was an dem Gesetz gut ist, was fragwürdig ist und was schlecht. Schlecht ist, dass die Parteien keine Blöcke bilden dürfen. Dahinter steht eine einfache Logik: Seid fruchtbar und mehret euch, je mehr ihr seid, desto mehr Stimmen nehmt ihr einander ab."

    Auch der Oppositionspolitiker Eduard Limonow sieht das neue Gesetz skeptisch. Der Nationalbolschewist hat bereits in der Vergangenheit versucht, eine Partei zu gründen. Stets wurde der Antrag abgelehnt. Limonow findet die Zahl von 500 Mitgliedern für die Anmeldung einer Partei viel zu niedrig. Er sagte dem Radiosender Echo Moskwy:

    "Das sind Bedingungen wie im Gewächshaus. Es sind achtzig Mal weniger Mitglieder nötig als früher. Das führt dazu, dass unreife, rachitische Ersatzparteien gegründet werden. Das ist Betrug, dahinter steht der Wunsch, die bisher unterdrückten realen Oppositionsparteien in einem Meer von Pseudoparteien zu ertränken."

    Wie sehr sich die Konkurrenz durch das neue Parteiengesetz vergrößert, lässt sich gut am Beispiel der Grünen zeigen. Bisher stimmten grüne Wähler in der Regel für die bereits existierende Partei Jabloko des liberalen Politikers Grigorij Jawlinskij. Jabloko scheiterte bei der Parlamentswahl im Dezember an der Fünfprozenthürde.

    Der grüne Politiker Anatolij Panfilow wird nun Jabloko Stimmen abjagen. Und nicht nur Jabloko, denn noch eine zweite grüne Bewegung hat ihre Unterlagen beim Justizministerium eingereicht. Panfilow nimmt es sportlich.

    "Wir haben keine Angst vor Konkurrenz. Konkurrenz belebt das Geschäft."

    Panfilow wird heute dabei sein, wenn Medwedew das neue Gesetz unterzeichnet. Der Präsident hat zahlreiche Oppositionspolitiker zu der Zeremonie in den Kreml geladen. Beobachter sind sich einig, dass das neue Parteiengesetz nur ein erster Schritt hin zu weiteren Reformen der russischen Gesellschaft sein kann. Russland braucht außerdem Medienfreiheit und eine unabhängige Justiz. Die Opposition fordert zudem vorgezogene Parlamentswahlen. Anatolij Panfilow von den Grünen:

    "Das Parlament, das wir im Dezember gewählt haben, ist praktisch tot. Die Abgeordneten müssen ihre Mandate niederlegen. Wir brauchen Neuwahlen. Fünf Jahre abzuwarten, verträgt das Land nicht."

    Sowohl der scheidende Präsident, Dmitrij Medwedew, als auch sein frisch gewählter Nachfolger, Wladimir Putin, haben angekündigt, dass vorgezogene Neuwahlen für sie nicht infrage kommen. Zumindest auf Landesebene bleibt die Macht also in den nächsten Jahren in den Händen der etablierten Parteien.