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Neues staatliches Label geplant
"Ein Mehr an Tierwohl wird ein Verkaufsargument sein"

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat das geplante staatliche Tierwohl-Label gegen Kritik verteidigt. Allerhöchste Standards seien kaum bezahlbar, sagte sie im Dlf. Dabei würde die breite Masse der Tierhalter nicht mitmachen. Die Ministerin schlägt ein dreistufiges Modell vor.

Julia Klöckner im Gespräch mit Katharina Hamberger | 15.07.2018
    Agrarministerin Julia Klöckner (CDU)
    Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
    Katharina Hamberger: Guten Tag, Frau Klöckner, ich grüße Sie nach Bad Kreuznach, wo Sie uns zugeschaltet sind, nach Berlin.
    Julia Klöckner: Hallo, Frau Hamberger, ich grüße Sie ganz herzlich.
    Hamberger: Wir wollen heute über Ihr Ressort sprechen. Sie sind seit rund 100 Tagen, ein bisschen mehr jetzt, Landwirtschaftsministerin. Wir wollen aber dann auch am Ende des Interviews noch einmal über die CDU sprechen, auch über die Koalition. Sie sind ja auch stellvertretende CDU-Vorsitzende, aber kommen wir erst einmal zur Landwirtschaft und Ihrem Ressort. Wenn wir auf die letzten Tage gucken, vor allem im Nordosten Deutschlands hat die Landwirtschaft keine einfachen Tage hinter sich. Die Hitze hat den Bauern da zu schaffen gemacht und jetzt wird mit hohen Ertragseinbußen gerechnet. Für entsprechende Hilfen sind ja eigentlich die Länder zuständig, aber glauben Sie denn, dass nach einer Bewertung am Ende des Jahres vielleicht auch der Bund hier einspringen muss?
    Klöckner: Wie Sie richtig sagen, man muss am Ende erst einmal schauen, wie die Bewertung ausfallen wird. Ich werde im August wie jedes Jahr den Erntebericht vorlegen und wenn wir den Erntebericht haben, können wir auch dann ganz klar sehen, wie ist die Lage. Wir sehen auf der einen Seite in ganz Deutschland, dass es sehr, sehr unterschiedliche Ausprägungen gibt von Wetterkapriolen. Wir haben im Osten Deutschlands oder im Norden die hohe Dürre, zum Beispiel auf einem Quadratmeter fehlten 15 Eimer Wasser. Das war so eine Zahl, die sehr einprägsam war, die mir ein Landwirt erzählte und auf der anderen Seite, wenn wir einmal Richtung Rheinland-Pfalz schauen, wenn wir einmal in den Westen und Süden auch schauen, stellen wir fest, dass es dort ganz anders aussieht, dass es dort zum Beispiel situativen Hagel gab, dass es Überschwemmungen gab und das macht es natürlich nicht einfacher und Sie haben es richtig gesagt, für die Entschädigung, für die Hilfen sind die Länder zuständig, weil es regionale Unterschiede gibt. Wenn es eine nationale Katastrophe ist, dann kommt der Bund und werden wir uns alles eben anschauen müssen, wenn alles vorliegt.
    Hamberger: Diese Extremwetterlagen, die Sie auch gerade beschrieben haben, also sowohl mit Hagel, aber auch mit Hitze, sind jetzt so als Einzelfall erst einmal nichts Ungewöhnliches, aber treten ja mittlerweile häufiger auf. Diese Häufigkeit wird von Experten auf den Klimawandel zurückgeführt. Sehen Sie denn eine Verantwortung der Landwirtschaft, dem selbst etwas entgegenzusetzen?
    Klöckner: Also, ich glaube, das wäre jetzt überhöht, wenn Sie dem Landwirt, der jetzt gerade unter Ernteeinbußen leidet, sagen würden, wenn du jetzt anders düngst, dann hast du im nächsten Jahr dieses Problem nicht. Also, ich glaube, in dieser Unmittelbarkeit, das wäre etwas unterkomplex, wenn wir das Thema so betrachten würden. Wetterextreme und -kapriolen hat es schon immer gegeben. Die Frage ist natürlich, in den Gesamtzusammenhang stellend, welche Auswirkungen hat unser Leben, unser Wirtschaften auf die Landwirtschaft natürlich und unabhängig davon, dass ich nicht versprechen kann, dass es nächstes Jahr nicht diese Kapriolen gibt, sind wir natürlich verpflichtet, auch in der Landwirtschaft, mit der Landwirtschaft immer die Implikationen des Wirtschaftens für die Umwelt, für die Natur, für die Artenvielfalt, Biodiversität, diese Fragen uns auch immer zu stellen. Und deshalb habe ich zum Beispiel auch zugestimmt auf der EU-Ebene, dass es ein Verbot zum Beispiel der Neonikotinoide gibt, weil sie insektenschädlich sind. Also das sind Schritte, wo wir viel, viel weiter sind, auch vom Anspruch der Gesellschaft her, als das noch vor 10, 15 oder geschweige denn vor 30 Jahren war.
    Hamberger: Schauen wir einmal weiter auf die EU-Ebene. In Brüssel wird, was ja auch ein Thema für die Zukunft auch ist, über die gemeinsame Agrarpolitik, die GAP, verhandelt. Da geht es zum einen um die Höhe der Subventionszahlung für Landwirtschaft. Da ist es so, dass im EU-Haushalt wahrscheinlich weniger bereitstehen könnte, auch durch den bevorstehenden Brexit. Die Frage ist aber auch, inwieweit die Zahlungen, die an die Landwirtschaft gehen, an Bedingungen gekoppelt sein könnten oder müssten. Sehen Sie da nicht vielleicht auch einen Hebel, um eben das Große und Ganze dann im Blick zu haben, hier die Landwirtschaft dazu zu bringen, diese Gemeinwohlaufgaben noch mehr im Blick zu haben?
    Klöckner: Können wir erst einmal festhalten, dass es unglaublich viele bürokratische und hohe Auflagen für die Landwirtschaft gibt. Also, wer sich damit beschäftigt und sich einmal anschaut, was Landwirte erbringen müssen, damit sie überhaupt eine Unterstützungsleistung bekommen. Das ist öffentliches Geld, insofern ist es klar, dass da Rechenschaft abgelegt werden muss, aber ich will deutlich machen, es ist auch so einfach, der Landwirtschaft alles in die Schuhe zu schieben. Wer dies tut, ist selber zu faul, auch seinen Beitrag zu einer entsprechenden Nachhaltigkeit zu leisten, um es einmal salopp zu sagen.
    Hamberger: Aber die Landwirtschaft kann nicht herausgenommen werden.
    "Auftrag der Gesellschaft an die Landwirtschaft"
    Klöckner: Nein, das sagt auch überhaupt keiner, im Gegenteil. Es geht ja genau in die andere Richtung und da sind wir uns auch einig. Es hat sich ja gezeigt, dass im Laufe der Zeit der verschiedenen Agrarreformen natürlich immer stärkere Bedingungen auch formuliert worden sind und das wird es auch jetzt bei der Agrarreform geben. Und da wird jeder Euro konditionalisiert sein. Es gibt die sogenannte erste und die zweite Säule. Die erste Säule ist zur Einkommenssicherung, die zweite Säule, da geht es auch um ländliche Entwicklung und Weiteres. Aber dennoch ist bei allen Geldern jetzt auch vorgesehen, und das halte ich übrigens auch für richtig, dass das Thema Umwelt und Naturschutz und auch Tierschutz immer dabei eine Rolle spielen. Also dass es einen Auftrag der Gesellschaft an Landwirte gibt, was sie in ihrem Sinne tun soll für eine Kulturlandschaftspflege, für die Einhaltung der Biodiversität etc. Insofern ist es a) gerechtfertigt, dass das entlohnt wird, weil das eine Dienstleistung für die Gesellschaft ist, aber umgekehrt dass es eben Geld nicht ohne Konditionen gibt. Da geht es hin und es wird auch immer stärker werden. Aber ich werbe dafür und wir werden auch Vorschläge machen, dass das Ganze nicht einhergeht mit einer immer stärkeren Bürokratie, denn gute Produkte werden ja nicht am Schreibtisch gemacht.
    Hamberger: Können Sie einmal konkretisieren, welche Vorschläge Sie da sehen?
    Klöckner: Also, da geht es um Meldepflichten, da geht es um Dokumentationspflichten, da geht es um mehr Fachab- und -angaben. Das kann man alles vereinfachen. Dass wir zum Beispiel den einzelnen Mitgliedstaaten nicht en Detail aus Brüssel vorschreiben müssen, wie die Kontrollen laufen. Da sind die Länder ja selber zu verpflichtet. Also, das sind Punkte, die wir jetzt zusammentragen werden. Das haben wir jetzt beschlossen. Ich war in Brüssel mit meinen Länderkollegen. Die hatte ich eingeladen und die beiden zuständigen Kommissare, den Haushaltskommissar Oettinger und den Agrarkommissar Phil Hogan. Wir hatten mit ihnen ein Gespräch und hatten noch einmal verdeutlich, dass wir ein Interesse an einer Vereinfachung haben. Das heißt nicht, dass wir Ziele infrage stellen, sondern vereinfachen wollen, denn davon hängt auch die Akzeptanz der EU-Politik oder der EU als solche auch ab.
    Hamberger: Sie haben selbst gesagt, wenn es um die europäischen Gelder geht, wenn es mehr Auflagen für die Landwirte gibt, dann ist das nicht mit weniger Geld zu machen. Rechnen Sie damit, dass Sie sich damit durchsetzen können?
    Weitere Aufgaben müssen auch abgegolten werden
    Klöckner: Also, wenn Landwirte mehr leisten sollen, also über das hinaus, was ihren Betrieb angeht, denn es sind ja Wirtschaftsunternehmen, es sind ja keine beauftragten Gartenbauinstitute oder Landschaftspflegeinstitute, sondern das sind Wirtschaftsunternehmen, die ihre Familien davon ernähren. Und die vor allen Dingen das Wichtigste erzeugen, was wir brauchen, nämlich unsere Mittel zum Leben. Wenn Sie aber weitere Auflagen erfüllen sollen, die nicht mit ihrem Betrieb zu tun haben primär, sondern mit einem allgemeinen Auftrag, dann müssen wir auch schauen, dass das entlohnt wird. Oder wenn Sie zum Beispiel Fläche aus der Produktion herausnehmen sollen, was ihr Eigentum ist, um für Biodiversität mehr zu leisten, dann muss so etwas auch ganz klar abgegolten werden. Das geht gar nicht anders, denn ansonsten werden wir die Landwirtschaft in Europa immer stärker verlieren und dann Nahrungsmittel importieren aus anderen Ländern, wo wir gar nicht wissen, unter welchen Bedingungen sie dann auch produziert werden. Da ist eines für mich ganz klar, man kann nicht auf der einen Seite immer mehr verlangen, aber für immer weniger Geld. Dass es zu Kürzungen kommt, das war absehbar, aber es kann nicht sein, dass die Landwirtschaft alleine die Kosten für den Brexit zahlt. Insofern werden wir dann auch in interessante Diskussionen gehen. Ich beziehe mich auf unseren Koalitionsvertrag, in dem CDU/CSU und SPD vereinbart haben, dass das Volumen für die europäische Agrarpolitik bestehen bleiben soll und insofern geht es auch darum natürlich, was die Mitgliedsstaaten bereit sind, welche Gelder sie auch bereithalten für Brüssel.
    Klöckner: Ich würde gerne einmal von Brüssel jetzt auf die nationale Ebene gehen und auf Ihr Verhältnis zum Umweltministerium schauen. Sie haben ja mehrfach schon betont, dass Sie das auch auf neue Füße stellen wollen. Da gab es ja in der Vergangenheit massive Differenzen zwischen den beiden Ministerien, unter anderem wenn wir in die Vergangenheit schauen, beim Thema Glyphosat. Jetzt sind Sie sich da zumindest vielleicht etwas nähergekommen, aber auch noch nicht ganz einig. Die Umweltministerin möchte da eigentlich einen Ausstieg bis 2021. Sie sprechen von einer Reduktion, haben da auch schon einen Plan vorgestellt. Wie weit sind Sie sich denn da jetzt schon nähergekommen, Frau Schulze und Sie?
    Klöckner: Was wichtig ist so, wie Sie es ja auch eben erwähnt haben, ist dass die beiden Ressorts sich als Ergänzung verstehen und nicht gegeneinander arbeiten, nicht nur in der jüngsten Vergangenheit, aber schon auch wenn wir länger zurückschauen. Meist haben sich Landwirtschaft und Umweltministerium ja profiliiert in der Abgrenzung zum anderen. Ich meine, das entspricht überhaupt nicht der gesellschaftlichen Grundhaltung und -lage. Es geht nur gemeinsam, Artenvielfalt, Umweltschutz, aber es muss auch im Interesse, glaube ich, des Umweltschutzes sein, dass Landwirte überhaupt noch Lust auf die grünen Berufe haben, dass wir eben auch nicht diesen Strukturwandel haben, dass alles abwandert. Und das vorausgeschickt, glaube ich, sind wir da auf einem sehr, sehr guten Weg. Frau Schulze und ich haben ja zusammen auch die Koalitionsverhandlungen durchgeführt, also in verschiedenen Arbeitsgruppen. Und wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, im Koalitionsvertrag, dass wir Mittel wie zum Beispiel Glyphosat reduzieren möchten und auch wollen und dass wir uns aber europarechtskonform auch verhalten. Das ist jetzt genau der springende Punkt. Es mag jetzt sehr differenziert klingen, aber da muss ich darauf eingehen. Auf europäischer Ebene ist die Verwendung von Glyphosat fünf Jahre noch erlaubt. Das heißt, einzelne Mitgliedstaaten können davon gar nicht abweichen, ein Totalverbot vorzunehmen. Das hat zum Beispiel Österreich versucht und ist von der Kommission jetzt gerügt worden, das wird so nicht funktionieren. Deshalb habe ich gesagt aber, und das ist möglich, wenn ich eine strenge Reduktionsstrategie vorgebe, ich habe einen Verordnungsentwurf jetzt in die Ressortabstimmung gegeben, dann kommen wir dem näher, dass wir Glyphosat auch überflüssig machen mit Alternativen und ich verstärke jetzt die Forschung auch in der der alternativen Pflanzenschutzmittelforschung in der Wissenschaft. Und das, glaube ich, ist wichtig, denn es ist auch allzu einfach, zu sagen, wir verbieten alle Pflanzenschutzmittel. Wir brauchen Pflanzenschutzmittel, weil sie die Ernten sichern und Schädlinge bekämpfen. Und die Landwirte schauen einen natürlich fragend an, ja, was sollen wir denn sonst machen. Und insofern ist es wichtig, dass wir auch das Thema Digitalisierung voranbringen, Präzisionslandwirtschaft eben der Menge nach Pflanzenschutzmittel reduzieren, aber sie viel präziser applizieren. Da kann die Präzisionslandwirtschaft – ich bin da ganz begeistert, wie das läuft, durch Sensoren stellt durch eine Digitalisierung eine Software fest, was ist die Nutzpflanze, was ist die Schadpflanze, Dünger wird punktuell, weniger, aber punktuell und zielgenau aufgetragen. Im gleichen Vorgang dann wird auf die Schadpflanze eben Pflanzenschutzmittel nur punktuell auch aufgetragen und ich glaube, das kann ein guter Weg sein.
    Drei Stufen für das gesetzliche Tierwohl-Kennzeichen
    Hamberger: Dann würde ich ganz gerne auch noch einmal auf ein weiteres Projekt aus Ihrem Ressort gucken. Sie haben von Ihrem Vorgänger Christian Schmidt übernommen das staatliche Tierwohl-Label. Nun gibt es erste Vorschläge von der Initiative Tierwohl. Jetzt ist es so, dass Umwelt- und Tierschutzverbände sagen, die Vorgaben, die sind zu lax, während zum Beispiel die Bauernverbandpräsidenten aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein wiederum glauben, dass das Label sich sowieso nicht durchsetzen wird und selbst sagen, die Bauern sollen vorsichtig sein, sich dem anzuschließen. Ist das eine Zwickmühle für Sie? Wie können Sie sich damit jetzt durchsetzen?
    Klöckner: Das ist Demokratie. So läuft es in der Demokratie bei der Meinungsfindung. Also, um es ein bisschen noch einzuordnen, das Thema staatliches Tierwohl-Label, ich nenne es ein Tierwohl-Kennzeichen. Ich habe es übernommen von meinem Vorgänger, habe es aber meiner Meinung nach dahingehend notwendig überarbeitet, weil es ein paar Aspekte gab, die wir noch neu bedenken müssen. Und erstens habe ich einen Gesetzentwurf jetzt in die Ressortabstimmung gegeben zu den Kabinettskollegen. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass wir drei Stufen haben werden für ein gesetzliches Tierwohl-Kennzeichen nach ganz klar verbindlichen Kriterien. Diese drei Stufen werden aufeinander qualitativ aufbauen. Was heißt das? Wir haben einen Tierschutzstandard, einen gesetzlichen Standard in Deutschland. Der muss eingehalten werden. Wer ihn nicht einhält, muss mit Strafen rechnen, aber wir wissen, dass nach einer Umfrage rund 80 Prozent der Verbraucher gerne mehr wissen würden, unter welchen Bedingungen Tiere großgezogen worden sind. Also, das heißt, beim Einkauf würden sie gerne wissen, ist hier mehr Tierwohl als der gesetzliche Standard eingehalten worden. Wir meinen, derjenige, der mehr für das Tierwohl sorgt und das kostet ja auch Geld und das ist aufwendig, der soll das auch zeigen können mit einer Kennzeichnung, mit einem Label. Diese Stufen geben dann Auskunft über ein Mehr an Tierwohl und das kann man bewerben. Das wird ein Verkaufsargument sein. Aber was ganz wichtig ist, es bringt nichts, in fantastischen Höhen Bedingungen zu formulieren für ein Tierwohl-Label, wenn die Breite nicht mitmachen würde und deshalb ist es natürlich klar, dass Tierschutzverbände sagen, am besten die allerhöchsten Standards. Aber das wird dazu führen, dass es kaum bezahlbar sein wird, dass vor allen Dingen kaum jemand mitmachen wird und dann ist dem Tier nicht geholfen. Ich möchte eine Einstiegsstufe. Das ist die Initiative Tierwohl plus, also mir reicht es noch nicht, was bis dato war, also plus, und da haben wir uns schon darauf geeinigt. Da gibt es jetzt einen Vorschlag. Dann will ich eine nächste Stufe. Da hat der Tierschutzbund einen guten Vorschlag. Und wenn wir uns einmal anschauen, was die Biobranche an weiteren Vorschlägen hat, das könnte dann eine Premiumstufe sein und da können wir Vorreiter sein. Die Niederlande macht es, Dänemark auch. Und da werden wir die Länder in der Europäischen Union sein, die deutlich machen, es lohnt sich, mehr für Tierwohl zu tun. Aber wir müssen auch die Tierhalter mitnehmen, denn ansonsten importieren wir Fleisch und Wurst aus anderen Ländern, die unter anderen Bedingungen, schlechteren Bedingungen hergestellt worden sind und das wäre dann eine Doppelmoral.
    Hamberger: Die andere Seite sind ja dann die Verbraucher. Hilft denn so ein Label tatsächlich überhaupt, den Verbraucher dazu zu bringen, dass er vielleicht auch irgendwann bereit ist, mehr Geld für besseres Fleisch auszugeben?
    "Dann ist der Verbraucher auch gefordert"
    Klöckner: Er wird nicht mehr ausgeben oder sensibilisiert sein, wenn er nicht weiß, was drin steckt, also unter welche Bedingungen etwas produziert worden ist. Wir nehmen wahr, und das zeigen Umfragen, das zeigt aber auch das Verkaufsverhalten und vor allen Dingen die Nachfragen von Verbrauchern. Es gibt nicht den Verbraucher. Also, wir haben sehr unterschiedliche Ebenen. Und das ist ja auch gut so, weil wir Menschen unterschiedlich sind, weil die Lebensbedingungen unterschiedlich sind, weil auch der Geldbeutel sehr unterschiedlich gefüllt ist. Aber wir sehen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher immer stärker Fragen nach Bedingungen haben, auch immer stärker Erwartungen an Produzenten haben, Transparenz wollen, aber auch wissen wollen, welche Umweltimplikationen haben die Produkte. Und vor allem auch beim Tierwohl, wie ist es den Tieren ergangen. Und wir machen es erstmalig möglich, dass man erkennen kann, wie viel Tierwohl denn drin steckt, dass ein Mehr drinsteckt. Und dann ist der Verbraucher natürlich auch gefordert, dass er nicht nur Sonntagsreden hält, sondern von montags bis samstags auch entsprechend einkauft. Wir sind Reiseweltmeister in Deutschland, wir haben mehr Handys als Einwohner, wir geben unglaublich viel Geld im Schnitt für Kücheneinrichtungen aus, wenn man das im europäischen Vergleich sieht. Aber wir geben sehr wenig aus für die Mittel zum Leben, für die Produkte, die in diesen teuren Küchen zubereitet werden. Also, wir geben rund elf Prozent unseres Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel aus. Das ist immer im Durchschnitt. Das war vor 50 Jahren die Hälfte. Das hatte auch damit zu tun, dass es nicht Mehrverdiener in Familien gab oder Mehrverdiener innerhalb einer Familie so gab wie heute. Das alles ist ein Weg, ein Prozess, aber wir müssen es möglich machen. Und ich habe es mir angeschaut in den Niederlanden und Dänemark. Dort ist dieses Tierwohl-Label oder Kennzeichen sehr erfolgreich. Es ist ein freiwilliges, aber mit verbindlichen Kriterien. Und dass Verbraucher in dem Moment, wo es sichtbar ist und ich es auch nämlich mit einer Werbekampagne dann begleite, dann auch danach fragen und am Ende es auch sensibilisiert. Und Menschen auch anders noch einmal strukturiert in dieser Frage. Das sehen wir ja auch bei der Eierkennzeichnung oder beim Biosiegel zum Beispiel.
    Hamberger: Wenn wir auf die Sichtbarkeit gehen, könnte man das ja auch auf andere Produkte anwenden und nicht nur auf Tierprodukte, sondern eben auch, wenn es um die Frage geht, Zucker, Fette sind ja alles auch in Teilen zumindest, wenn sie industriell hergestellt sind, Gesundheitsrisiken. Und da ist halt immer die Frage, gibt es ein Lebensmittelamt, gibt es eine Zuckersteuer? Sie sind gegen beides, setzen auf eine nationale Reduktionsstrategie. Wie kann man denn hier sozusagen das Ganze steuern? Was erwarten Sie da von den Unternehmen, was wollen Sie selber dazu beitragen, dass die Verbraucher hier sensibilisiert werden?
    "Ich habe vor, eine Reduktions- und Innovationsstrategie vorzulegen"
    Klöckner: Vorweggeschickt, gesundheitsschädlich ist, wenn man zu viel isst oder wenn man zu wenig oder wenn man das Falsche isst. Also Sie merken schon, es gibt nicht die eine Antwort und jeder, der mit einer einfachen Antwort Ernährungsprobleme beantworten will, wird automatisch scheitern. Deshalb bin ich dafür, eine Gesamtstrategie anzugehen. Dazu gehört natürlich Aufklärung in der Schule, in der Kita etwa. Aber wir müssen eine andere Säule, das sind natürlich die Anbieter, auch in den Blick nehmen, die Anbieter von Fertignahrungsmitteln. Ich möchte kurz erläutern, warum ich eine Lebensmittelampel mit den Farben Rot, Grün und Gelb für zwar verlockend halte, aber für nicht zielführend halte. Es gibt Produkte, da hätte Zucker eine gelbe Farbe, so quasi la la, das ging etwa, Fett hätte eine grüne Farbe, da würde man sagen, super, aber Salz hätte eine rote Farbe oder umgekehrt. Das verwirrt die Verbraucher, weil nicht klar ist, was damit anzufangen ist. Das ist genauso, wie wenn die Ampel mit allen drei Farben leuchten würde, wüsste der Autofahrer auch nicht, soll er jetzt fahren, stehenbleiben oder schon einen Gang einlegen. Insofern müssen wir uns, glaube ich, schon ein bisschen komplexer dieser Komplexität nähern. Ich habe vor, eine Reduktions- und Innovationsstrategie vorzulegen im Herbst. Ich bin mit den Anbietern im Gespräch. Wir haben sehr intensive Gespräche. Ich muss auch sagen, sehr konstruktive, aber auch kontroverse Gespräche. Warum? Mir geht es nicht um einzelne Rohstoffe, nämlich wenn wir zum Beispiel in einem Joghurt das Fett reduzieren, das gibt es ja, das wird groß beworben, 0,1 Prozent Fett. Dann denken ganz viele Verbraucher, super die Nummer, davon kann ich viel essen. Schauen Sie sich aber hinten einmal an, wie viel Zucker drin ist, wenn dann 30 Gramm Zucker plötzlich drin sind, dann hilft mir auch nicht das schön beworbene 0,1 Prozent Fett. Deshalb geht es mir darum, nicht einzelne Rohstoffe anzuschauen, sondern wir müssen die Gesamtkalorienzahl in Fertigprodukten schlichtweg reduzieren und auch die Salzspitzen reduzieren. Da sind wir jetzt dran. Ich weiß, dass es da Widerstand aus der Industrie gibt, aber die Industrie wird auch im Sinne ihres Images ein großes Interesse daran haben müssen, da mitzumachen. Denn auch sie trägt ihre Verantwortung daran, ob die gesunde Wahl für den Verbraucher eine leichte Wahl werden wird.
    Hamberger: Sie hören das Interview der Woche mit Julia Klöckner, Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung hier im Deutschlandfunk und Frau Klöckner, Sie sind auch stellvertretende CDU-Vorsitzende. Hinter Ihnen, hinter den Christdemokraten und ihrer Schwesterpartei, der CSU, liegen lange Tage des Streits. Sie waren auch teilweise in den Nächten mit dabei. Ist das denn jetzt vorbei oder befürchten Sie, dass es zu einem erneuten Aufbrechen und womöglich vielleicht sogar irgendwann ein Auseinanderbrechender beiden Schwestern kommen könnte?
    "Es wird nicht auseinanderbrechen"
    Klöckner: Ja, da war was los in den vergangenen Wochen und wir saßen viel zusammen. Was sehr schade ist, ist, dass am Ende Stimmungsbilder hängenbleiben, aber nicht die Argumentation in der Sache. Also, wir haben ja zusammengesessen und haben so detailliert über das Thema Flüchtlingskrise gesprochen, mit Zahlen, mit Fakten, haben Dinge durchgespielt, wie wir für Deutschland den besten Weg gehen können, ohne die Humanität aufs Spiel zu setzen, aber auch ohne weiterhin Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn der Staat nicht handlungsfähig ist. Das sind ja Diskussionen in der Sache und die sind notwendig. Ich schließe nicht aus, dass wir diskutieren. Wir müssen diskutieren, das ist Demokratie und CDU und CSU sind die Parteien, ich glaube, die einzigen Parteien aktuell, die sich wirklich in einer Gesamtschau auch Gedanken machen, wie wir das Thema Migration, Integration und die Asylfragen wirklich auch regeln. Ihre Frage jetzt, ob es auseinanderbrechen wird, nein. Also, es wird nicht auseinanderbrechen. Uns eint so viel. Wir sind zwar Schwesterparteien mit unterschiedlichen Akzenten. Natürlich hat die CSU den Vorteil, dass sie sich nur auf ein Land erst einmal konzentriert, primär nämlich Bayern. Aber Bayern hat auch durch die Grenzlage ganz andere Bedingungen als zum Beispiel Brandenburg. Aber am Ende, das sehe ich immer wieder bei vielen Themen, die wir ja sonst noch auf der Tagesordnung haben, sind wir so nahe beieinander. Jeder weiß von uns, dass ein Auseinanderbrechen nicht ein Mehr gibt, sondern am Ende ein Weniger. Und ich glaube, wir sind auch in der Verantwortung für Deutschland, aber auch, ich sage jetzt einmal, für die Parteien der Mitte, dass wir die Mitte stärken, dass wir eben dagegen ankämpfen, dass Extreme in unserer Gesellschaft, diese Polarisierung immer stärker wird, weil da liegt kein Segen drauf.
    Hamberger: Dennoch hat man das Gefühl auch, dass dieses Stimmungsbild, das Sie gerade beschrieben haben, nicht nur nach außen bleibt, sondern auch irgendwie innerhalb der beiden Parteien bestehen bleibt. Also, wenn man so mit dem ein oder anderen spricht, hat man das Gefühl, diese Gräben, die in den letzten Wochen aufgebrochen sind, auch durch die Wortwahl des ein oder anderen, sind sehr tief und haben auch Wunden geschlagen. Glauben Sie denn, diese Wunden können sich schließen, solange es an der Spitze keinen personellen Neuanfang gibt, bei beiden Parteien?
    Merkel "ist ein Stabilisator"
    Klöckner: Schauen Sie doch einmal zurück, wenn wir uns angucken, wie war es mit Helmut Kohl und Franz Josef Strauß. Also, das waren ja auch keine Kinder von Traurigkeit und verbal waren die jetzt auch nicht alle nur von der diplomatischen höchsten Schule. Also, das hat es ja schon immer gegeben. Und jede Situation ist immer irgendwie dramatisch, aber wir sind doch alle professionell genug und wissen auch, was Politik ist und was am Ende auch von uns gefordert ist. Ich bin mit meinen Kollegen der CSU in guten Gesprächen. Ich war jetzt auch in Brüssel, habe dort auch die Europaabgeordneten, unter anderem der CSU getroffen. Ich bin im bayrischen Landtagswahlkampf unterwegs. Also, ich sehe da jetzt nicht die Gräben, dass man nicht mehr miteinander redet oder im Gegenteil. Wir wissen, dass es auf uns als Union ankommt und es gibt immer Kollegen, wie bei Ihnen Journalisten doch auch einen Kollegen, mit dem Sie mehr können und mit dem Sie weniger können. So sind Menschen und das ist auch okay so. Und zu sagen, man müsste die Spitze auswechseln, also es geht überhaupt gar nicht um die Frage, um die Führung. Wir sind jetzt gerade einmal etwas über 100 Tage im Amt. Unsere Bundeskanzlerin ist wiedergewählt worden. Sie spielt eine dermaßen relevante Rolle auf dem europäischen Parkett. Sie ist ein Stabilisator. Und wie die CSU es handhabt, sie stellt den Innenminister mit einem großen Ressort, der Landesvorsitzender ist, jetzt haben sie erst einmal die Landtagswahlen vor der Brust. Also, klar sind Personalfragen immer die spannendsten, aber man muss auch ein bisschen Acht geben, dass man dabei nicht die Sachthemen verliert.
    Hamberger: Wenn es um die Sachthemen geht, sagt die CSU ja mit genau diesen Themen, die sie da anspricht und auch mit der Härte, mit der sie teilweise vorgeht, ist es erst möglich, wieder die Wähler von der AfD zurückzuholen. Würden Sie sagen, das ist der richtige Weg?
    Klöckner: Welchen Weg meinen Sie genau, was der richtige Weg sein soll?
    Hamberger: Dass man jetzt diese Migrationsthemen so stark auf die Agenda hebt, dass man auch so einen extremen Streit riskiert mit der Schwesterpartei, dass man auch in der Wortwahl sich wie ein mancher, der CSU verwirft, der AfD annähert.
    Klöckner: Ich glaube, wir müssen vom Bürger her denken und wenn ich mir ernsthaft anhöre, was Bürger umtreibt, dann glaube ich, ist es notwendig, dass man die Bürger ernst nimmt, dass man weder den Untergang des Abendlandes malt noch ihnen einredet, alles sei nur bestens, wenn man es anders erlebt, sondern dass man einfach Probleme löst. Ich glaube, das, was die AfD groß macht, sind die Keulen, die wir uns gegenseitig überziehen von rechts und links, dass dem einen vorgeworfen wird, du bist ein unhaltbarer Gutmensch, naiv und sonst was. Und dem anderen vorgeworfen wird, du bist ausländerfeindlich und nicht human. Das führt dazu, dass der Bürger am Ende sagt, höre mal, ich habe doch auch so eine Haltung, egal, die eine oder wie die andere und finde dann keine Parteien mehr, die das widerspiegeln. Insofern ich halte es für richtig, dass Probleme benannt und angegangen werden, aber man muss Acht geben, dass man dann Bürger natürlich nicht verliert durch den Stil der Ansprache. Und ich habe jetzt den Freunden der CSU keine Empfehlung für ihren Wahlkampf zu geben. Ich kann nur sagen, die CSU ist natürlich die Partei, wenn man sich die Umfragen anschaut, die noch mit am stärksten Zustimmung hat, das ist das eine. Aber zum anderen sehe ich, dass das Thema Integration trotz aller verbalen Härte in Bayern mit dem meisten Geld und mit sehr angesehenen Konzepten verfolgt wird. Also das, was Bayern tut in der Frage der Hilfe, auch dass Klassen geteilt werden, damit Kinder besser unterrichtet werden können etc., das machen ja viele andere Bundesländer gar nicht. Ich kann es jetzt nicht beurteilen, wie es der bayrische Bürger, der jeden Tag dort ist, am Ende dann beurteilt und in seiner Wahlentscheidung dann auch ummünzt. Also das werden wir sehen. Ich wünsche unseren Freunden in Bayern viel Glück, dass sie die Regierung weiterhin mit absoluter Mehrheit stellen können, aber das ist noch ein bisschen Weg hin.
    Hamberger: Frau Klöckner, ich danke Ihnen für das Interview.
    Klöckner: Prima, ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.