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Neues Tourismuskonzept
Hauptstadt bald nicht mehr hip?

Vom Touristenlärm geplagte Berliner wird es freuen: Die Hauptstadt soll künftig vermehrt kulturinteressierte Besucher anziehen und weniger nimmermüde Partygänger. Das neue Berliner Tourismuskonzept "2018plus" setzt auf Qualität, Stadtverträglichkeit und denkt auch an die Randbezirke.

Von Anja Nehls | 31.01.2018
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    Eine Touristengruppe vor einem Bierbike am Pariser Platz in Berlin. (picture alliance / dpa / Florian Schuh)
    Die Glocke ersetzt den Startschuss. 32 Männerbeine treten in die Pedale, was das Zeug hält. Zwei der Beine sind trotz frostiger Temperaturen nackt. Die gehören Garreth und es ist seine Party, die heute auf dem Bierbike mitten in Berlin gefeiert wird:
    "Wir sind in Berlin, um Junggesellenabschied zu feiern, ich heirate im Februar, es ist ziemlich kalt. Ich hoffe, das Radeln wärmt mich und das Bier natürlich auch."
    Tourismus, den Berlin in Zukunft nicht mehr will. Zu laut und unpassend im Stadtbild, findet der Berliner Senat und deshalb soll das neue Tourismuskonzept stadtverträglicher und nachhaltiger sein. Statt Bierbikes und Partylärm rund um das Brandenburger Tor oder in besonders angesagten Kiezen, sollen die Gäste in Zukunft besser über die Stadt verteilt werden, sagt Burkhard Kieker, Chef der Berliner Tourismusvermarktung visit Berlin:
    "Insgesamt geht es darum, dass wir den Tourismus ein wenig entzerren, vor allem für die Menschen, die öfter hier in der Stadt sind. 60 Prozent der Menschen waren schon mal hier, manchen zehn, zwölf Mal, die wollen was Neues sehen und da kann ich nur sagen, hot city, cool water, Köpenick, Spandau."
    Nicht alle Touristen haben Verständnis
    Denn das seien Bezirke, die z.B. besonders für Wasserportler, Naturfreunde oder Ruhesuchende interessant seien – und die müssten nicht unbedingt in Mitte übernachten. Dort und in Ecken von Kreuzberg, Neukölln oder Friedrichshain gibt es immer wieder Unmut. Anwohner beklagen Dreck und Lärm durch die Gäste und fürchten Verdrängung. Im Kneipenviertel rund um den Boxhagener Platz in Friedrichshain haben aber nicht alle Touristen dafür Verständnis:
    "Jeder sucht sich ja selber seinen Wohnort Das ist halt die Partystraße, da ist halt so. Ein Restaurant nach dem anderen, man kann das nicht vermeiden und das wussten die Anwohner auch – Ich wohne auf dem Lad, da ist auch manchmal laut, aber da ist mir egal. – Ich kann mir schon vorstellen, dass es für die Anwohner ziemlich stressig ist, dass es hier so laut ist. – Ich sehe den Konflikt zwischen einem großen Tourismusandrang in Berlin und dem Tourismus der in die Wohnquartiere geht."
    Mit einem Verbot von Ferienwohnungen wollte die Berliner Landesregierung, den Konflikt um Verdrängung verhindern. Seit zwei Jahren gilt das sogenannte Zweckentfremdungsverbotsgesetz, mit dem verhindert werden soll, dass reguläre Wohnungen lukrativ zu Ferienwohnungen umgewandelt werden. Durch das Gesetz stehen jetzt 8.000 Wohnungen wieder dem regulären Wohnungsmarkt zur Verfügung, die zuvor leer standen oder an Touristen vermietet waren. Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop will nun auch durch mehr Sauberkeit für Akzeptanz sorgen und kündigt an:
    "Dass wir die Parkreinigung ausweiten werden auf die stark touristisch genutzten Parks. Wir werden auch mit dem neuen Toilettenkonzept auch dort die Toiletteninfrastruktur stärken, wo viel Tourismus und auch Partytourismus stattfindet."
    Stagnierende Zahlen durch Fewo-Verbot und Air Berlin Pleite
    Um die Tourismusförderung noch besser finanzieren zu können, wird es in Zukunft einen Sonderfonds in Höhe von einer Million Euro geben, der direkt dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) untersteht. Für außergewöhnliche Maßnahmen:
    "Das können Sonderaktionen sein, das kann ein Wegeleitsystem sein, das können Busparkplätze sein, es gibt unterschiedlichste Dinge, die eine Rolle spielen um Berlin als attraktiven Tourismusstandort zu festigen."
    Denn das ist trotz der hohen Besucherzahlen nötig. Zuletzt hatte sich das Wachstum bei den Übernachtungszahlen verlangsamt, 2017 könnte es nach vorläufigen Einschätzungen sogar erstmals seit 2003 stagnieren. Ein Grund dafür könnten die verbotenen Ferienwohnungen sein. Mehr Auswirkungen hat aber die Air Berlin Pleite, mit der viele Flugverbindungen weggefallen sind. Bis Oktober gab es noch einen Übernachtungszuwachs von 1 Prozent. Die Bilanz bis zum Endes des Jahres gibt es erst in einigen Wochen. Für dieses Jahr sei man aber zuversichtlich, so Burkhard Kieker, weil Easyjet und Eurowings die Lücken im Flugbetrieb schnell füllen würden. Er hofft für2018 wieder auf ein Plus bei den Übernachtungen von mindestens 2 Prozent.